Der Schuldbriefschuldner sollte aufgrund der Wertpapierklausel nur demjenigen bezahlen, der den Original-Papier-Schuldbrief in Natura vorlegen kann.
Kommt ein Schuldbrief abhanden, greift für die Kraftloserklärung ein besonderes, im Wertpapierrecht geregeltes Verfahren, welches sich dann im Sachenrecht in Bezug auf Titel und Grundbucheintrag seine Fortsetzung findet:
Anrufung des Richters
Bei der Anrufung des Richters sind zu beachten:
Aktivlegitimation
- Gläubiger
- Eigentümer beim Eigentümerschuldbrief
- Schuldner
Zuständigkeit
- Richter am Ort der gelegenen Sache, d.h. im Bezirk, wo das Grundstück liegt, auf dem der vermisste Schuldbrief lastet [vgl. ZPO 29 Abs. 4 und ZPO 43 Abs. 2]
Verfahrensart
- Verfahren der nicht streitigen Gerichtsbarkeit
ZPO 29 Abs. 4
Für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die sich auf Rechte an Grundstücken beziehen, ist das Gericht an dem Ort zwingend zuständig, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist oder aufzunehmen wäre.
ZPO 43 Abs. 2
Für die Kraftloserklärung von Grundpfandtiteln ist das Gericht an dem Ort zwingend zuständig, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist.
Kraftloserklärungs-Varianten
Gesetzliche Grundlagen
- OR 983 f.
- ZGB 856
- ZGB 865
Variante ZGB 865 (Schuldbriefverlust-Variante)
- Berechtigung am Schuldbrief
- Gläubiger
- oder
- Schuldner
- welcher den Schuldbrief abbezahlt und zurück erhalten hat
- welcher den Schuldbrief nach der Errichtung nie aus begeben hat
- welcher den Schuldbrief abbezahlt, aber nicht zurück erhalten hat, weil das Titel zwischen Abzahlung und Rückgabe verloren ging
- Früherer Besitz des Schuldbriefes
- Datum des Erwerbs
- Umstände des Erwerbs
- Verlust des Titels
- Ort des Verlusts
- Zeitpunkt bzw. Datum des Verlusts
- Massnahmen zur Wiedererlangung
Variante ZGB 856 (Gläubigerverschollenheit-Variante)
- Eigentümer des belasteten Grundstücks = Antragsteller
- Gläubiger ist seit min. 10 Jahren unbekannt
- seit mehr als 10 Jahren wurden für den Schuldbrief keine Zinsen mehr gefordert
- Glaubhaftmachung zB durch Steuererklärungen der letzten 10 Jahre
Art. 865 ZGB
1 Ist ein Pfandtitel abhanden gekommen oder ohne Tilgungsabsicht vernichtet worden, so kann der Gläubiger verlangen, dass das Gericht den Pfandtitel für kraftlos erklärt und der Schuldner zur Zahlung verpflichtet wird oder für die noch nicht fällige Forderung ein neuer Titel ausgefertigt wird.
2 Die Kraftloserklärung erfolgt mit Auskündung auf sechs Monate nach den Vorschriften über die Amortisation der Inhaberpapiere.
3 In gleicher Weise kann der Schuldner die Kraftloserklärung verlangen, wenn ein abbezahlter Titel vermisst wird.
Art. 856 ZGB
1 Ist der Gläubiger eines Schuldbriefs seit zehn Jahren unbekannt und sind während dieser Zeit keine Zinse gefordert worden, so kann der Eigentümer des verpfändeten Grundstücks verlangen, dass der Gläubiger durch das Gericht öffentlich aufgefordert wird, sich innert sechs Monaten zu melden.
2 Meldet sich der Gläubiger nicht innert dieser Frist und ergibt die Untersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Forderung nicht mehr zu Recht besteht, so wird auf Anordnung des Gerichts:
1. beim Register-Schuldbrief das Pfandrecht im Grundbuch gelöscht; oder
2. der Papier-Schuldbrief für kraftlos erklärt und das Pfandrecht im Grundbuch gelöscht.
Kraftloserklärungs-Verfahren
Gesetzliche Grundlagen
- OR 971
- OR 977
- OR 986
- ZGB 856
- ZGB 865
Verfahren
- Gesuchprüfung
- Prüfung der Aufruf-Voraussetzungen für den vermissten Schuldbrief bzw. den verschollenen Gläubiger
- Kostenvorschuss
- Prozessleitende Verfügung betreffend Kostenvorschuss
- Aufruf
- Das Gericht ruft auf:
- Variante ZGB 865 (Schuldbrief-Aufruf)
- den vermissten Schuldbrief
- Variante ZGB 856 (Gläubiger-Aufruf)
- den Gläubiger
- Variante ZGB 865 (Schuldbrief-Aufruf)
- Publikationsorgane
- Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB)
- Amtsblatt des betreffenden Kantons
- Das Gericht ruft auf:
- Zahlungsverbot
- Auf Antrag des Gesuchstellers wird ein Zahlungsverbot an die aus dem Titel Verpflichteten erlassen
- Kraftloserklärung
- Das Gericht erklärt den Papier-Schuldbrief für kraftlos, falls innert der verfügten Publikationsfrist keine Anzeige betreffend des vermissten Titels eingegangen ist [vgl. ZGB 856 Abs. 1 und ZGB 865 Abs. 2 und OR 983, OR 1076, OR 1143 Abs. 1 Ziff. 19 und OR 1152 Abs. 2]
- Publikation des Kraftloserklärungsentscheids
Kosten
- Gericht erhebt eine Gerichtsgebühr
- Zusätzlich sind die Publikationskosten und die Barauslagen zu entrichten
- Gerichtsgebühr und Kosten werden mit dem Kostenvorschuss verrechnet
Weiterführende Informationen
- Gebührenprognose
- Im Kanton Zürich betragen die Gerichtsgebühr zur Zeit min. CHF 100.—und max. CHF 7‘000
- Prognose der Publikationskosten
- Die Publikationskosten können schnell einmal CHF 200 und mehr betragen (zB Bezug zu mehreren Kantonen oder gar zum Ausland)
Wirkungen der Kraftloserklärung
Die Kraftloserklärung zeitigt folgende Wirkungen:
Vermisster Schuldbrief [ZGB 865]
- Ungültigkeit vermisster Papier-Schuldbrief
- wird als Wertpapier ungültig
- Schuldner muss und darf bei Vorlage des ungültigen Wertpapiers nicht mehr bezahlen
- Neuausstellung Ersatz-Papier-Schuldbrief
- Gesuchsteller (Gläubiger) kann auf seine Kosten vom Schuldner die Neuausstellung eines Ersatz-Schuldbriefes gleichen Inhalts verlangen
- Alternative anstelle Ersatz-Papier-Schuldbrief
- Bei Fälligkeit der Forderung kann der Gesuchsteller (Gläubiger) anstelle der Neuausstellung die Bezahlung der Schuld verlangen
- Zahlung hebt Zahlungsverbot auf und befreit den Schuldner
- Allenfalls hinterlegtes Geld wird dem Gesuchsteller (Gläubiger) ausgehändigt
Verschollener Gläubiger [ZGB 856]
- Normen der Verschollenenerklärung
- Es gelten die Wirkungen der Verschollenenerklärung [vgl. ZGB 35 ff.]
- Keine Gläubigermeldung lässt mit grosser Wahrscheinlichkeit vermuten, dass die Forderung nicht mehr bestehe
- Gelingt diese Glaubhaftmachung, so wird der Richter das Grundpfandrecht (Titel und Grundpfandrechtseintrag im Grundbuch) kraftlos erklären
- Entstehung einer leeren Pfandstelle
- Misslingt diese Glaubhaftmachung, so steht die unverjährbare Schuldbriefforderung zum Vermögen des verschollenen Gläubigers
- Seine dereinstigen Rechtsnachfolger haben den Fortgang der Schuldbriefsache zu bestimmen
- Gelingt diese Glaubhaftmachung, so wird der Richter das Grundpfandrecht (Titel und Grundpfandrechtseintrag im Grundbuch) kraftlos erklären
- Verfahren will die fehlende Verjährung von Grundpfandschulden zumindest teilweise kompensieren
Art. 35 ZGB
1 Ist der Tod einer Person höchst wahrscheinlich, weil sie in hoher Todesgefahr verschwunden oder seit langem nachrichtlos abwesend ist, so kann sie das Gericht auf das Gesuch derer, die aus ihrem Tode Rechte ableiten, für verschollen erklären.