Als verjährungsunterbrechend wirken unter dem Titel „Klage oder Einrede …“ (OR 135 Ziffer 2):
Klageweise Verjährungsunterbrechung
- Klageeinreichung (Relevanz v.a. in Fällen, wo das Schlichtungsverfahren entfällt, d.h. bei Direktklagen)
- Grundlage
- Anrufung des (örtlich, sachlich und funktional zuständigen)
- Staatlichen Gerichtes
- im Inland
- im Ausland
- Schiedsgerichtes
- im Inland (Binnenschiedsgericht; ZPO 372)
- im Ausland (ausländisches bzw. internationales Schiedsgericht; IRPG 182)
- Staatlichen Gerichtes
- Klagegegenstand
- Die Klage umfasst das Einreichen der Klageschrift mit Klagebewilligung beim Gericht
- im ordentlichen Verfahren (ZPO 209 Abs. 3 i.V.m. ZPO 220)
- im vereinfachten Verfahren (ZPO 243 ff.)
- als Streitverkündungsklage (ZPO 81; BGE 142 III 102 E.5.3.2)
- als Gesuch für die Einleitung des summarischen Verfahrens (ZPO 252), und zwar ohne Schlichtungsverfahren (ZPO 198 lit. a)
- als Schutzschrift gemäss ZPO 270
- als Vollstreckungsgesuch für Entscheide (ZPO 335 ff.) oder von Urkunden (ZPO 347 ff.)
- Widerklage
- Die Widerklage unterbricht die Verjährung wie eine selbständige Klage (BGE 59 II 407)
- Bei Schiedsgerichten (ZPO 372, IPRG 182)
- Anrufung des Schiedsgerichts
- Einleitung des Verfahrens zur Bildung des Schiedsgerichts
- Die Klage umfasst das Einreichen der Klageschrift mit Klagebewilligung beim Gericht
- Verfahrensart
- Die Verfahrensart ist ohne Einfluss auf die Verjährungsunterbrechung (vgl. BGE 111 II 358 ff.)
- Begehren um vorsorgliche Massnahmen (ZPO 261 ff.)
- Voraussetzung
- identische Anträge im Hauptprozess
- Voraussetzung
- Streitverkündungsklage (ZPO 81 ff.)
- ZUBER ROGER / GROSS BALZ, Berner Kommentar, N 44 zu ZPO 81; BGE 142 III 102 E.5.3.2
- Rechtsöffnungsgesuch
- Arrestgesuch
- Adhäsionsklage (StPO 119 Abs. 2 lit. b i.V.m. 122 ff.)
- DÄPPEN ROBERT K., Basler Kommentar, N 9 zu OR 135
- BGE 8C_699/2010
- BGE 5A_563/2009
- BGE 60 II 199 ff.
- Begehren um vorsorgliche Massnahmen (ZPO 261 ff.)
- Die Verfahrensart ist ohne Einfluss auf die Verjährungsunterbrechung (vgl. BGE 111 II 358 ff.)
- als Klageschrift, nach den Regeln der Kunst
- Parteibezeichnung
- Anträge
- gleichgültig, ob Leistungs- oder Feststellungsklage
- Forderung auf Geldzahlung in bestimmtem Betrag (Bezifferung)
- Verjährungsunterbrechung nur im eingeklagten Betrag
- Nicht feststehender Betrag
- Prüfung der Zulässigkeit einer unbestimmten Forderungsklage (ZPO 42 Abs. 2)
- Vgl. BGE 119 II 340
- Begründung
- Klage in gültiger Form
- Klage muss zur Verjährungsunterbrechung in der Form eingereicht worden sein, dass der Richter materiell auf sie eintreten kann
- BGE 85 II 504 ff.
- Ausnahme (Verjährungsunterbrechung bei mangelhafter Klageschrift)
- Vgl. Verjährung und Prozess
- Klage muss zur Verjährungsunterbrechung in der Form eingereicht worden sein, dass der Richter materiell auf sie eintreten kann
- Postaufgabe bzw. elektronische Übermittlung bzw. Überbringung an die Gerichtskanzlei
- ZPO 64 Abs. 2 i.V.m. ZPO 62 Abs. 1 + ZPO 143 Abs. 1 und 2
- Vgl. ferner DÄPPEN ROBERT K., Basler Kommentar, N 5d zu OR 135
- BGE 49 II 38 ff. (vor Inkrafttreten ZPO SR 272)
- Erhebung eines Rechtsmittels gegen den vorinstanzlichen Endentscheid
- DÄPPEN ROBERT K., Basler Kommentar, N 7 zu OR 135
- Ohne verjährungsunterbrechende Wirkung
- Zwischenentscheide, die das Verfahren vor der sich mit dem Rechtsstreit befassenden Instanz nicht abschliessen
- einfache Streitverkündung (ZPO 78 ff.) – umstritten
- Die einfache Streitverkündung wirkt nach Auffassung der herrschenden Lehre nicht verjährungsunterbrechend
- ZUBER ROGER / GROSS BALZ, Berner Kommentar, N 38 zu ZPO 78, m.w.H.
- a.Mg. DÄPPEN ROBERT K., Basler Kommentar, N 13b zu OR 135
- Die einfache Streitverkündung wirkt nach Auffassung der herrschenden Lehre nicht verjährungsunterbrechend
- Gesuch um vorsorgliche Beweisführung (ZPO 158 Abs. 1)
- Gesuch um Ermächtigung zur Ersatzvornahme
- GAUCH PETER / SCHLUEP WALTER R. / EMMENEGGER SUSAN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, ohne ausservertragliche Haftpflicht, Band II, 10. Auflage, Zürich 2014, N 3352
- Weitere Detailinformationen
Einredeweise Verjährungsunterbrechung
- Einrede
- Grundlage
- Jeweilige Gesetzesbestimmung, die eine Einrede erlaubt
- Einrede vor dem angerufenen
- staatlichen Gericht
- im Inland
- im Ausland
- Schiedsgericht
- im Inland (Binnenschiedsgericht)
- im Ausland (ausländisches bzw. internationales Schiedsgericht)
- staatlichen Gericht
- Einredegegenstand
- Verrechnungseinrede
- Einrede des nicht erfüllten Vertrages (OR 82)
- Einrede des Retentionsrechtes
- Prozessuale Einrede
- Eventualeinrede (neben des Hauptantrages auf Abweisung)
- Verjährungsunterbrechende Wirkung (Gläubiger hat sein Forderungsbestand-Interesse im Rechtsschutzverfahren kundgetan
- Vgl. BERTI STEPHEN V., Zürcher Kommentar, N 131 zu OR 135
- Eventualeinrede (neben des Hauptantrages auf Abweisung)
- Form
- Einrede-Erhebung gemäss der im Prozessrecht dafür vorgesehenen Form
- Vgl. BGE B.78/00 vom 21.11.2002, Erw. 4.3.3
- Zeitpunkt der Verjährungsunterbrechung
- Postaufgabe bzw. elektronische Übermittlung bzw. Überbringung des Schriftsatzes an die Gerichtskanzlei, in dem die Einrede erhoben wird
- Grundlage
- Ausserprozessuale Einredeerhebung
- Die ausserprozessual erhobene Einrede hat keine Verjährungsunterbrechungswirkung
- Weiter Detailinformationen
Nach dem Prozess
- Neubeginn der Verjährungsfrist bei Abschluss des Rechtsstreits vor der befassten Instanz (vgl. OR 138 Abs. 1; OR 137 Abs. 2)
Art. 135 OR
IV. Unterbrechung der Verjährung
1. Unterbrechungsgründe
Die Verjährung wird unterbrochen:
1. durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2. durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
Art. 137 OR
3. Beginn einer neuen Frist
a. Bei Anerkennung und Urteil
1 Mit der Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem.
2 Wird die Forderung durch Ausstellung einer Urkunde anerkannt oder durch Urteil des Richters festgestellt, so ist die neue Verjährungsfrist stets die zehnjährige.
Art. 138 OR
b. Bei Handlungen des Gläubigers
1 Wird die Verjährung durch Schlichtungsgesuch, Klage oder Einrede unterbrochen, so beginnt die Verjährung von Neuem zu laufen, wenn der Rechtsstreit vor der befassten Instanz abgeschlossen ist.
2 Erfolgt die Unterbrechung durch Schuldbetreibung, so beginnt mit jedem Betreibungsakt die Verjährung von neuem.
3 Geschieht die Unterbrechung durch Eingabe im Konkurse, so beginnt die neue Verjährung mit dem Zeitpunkte, in dem die Forderung nach dem Konkursrechte wieder geltend gemacht werden kann.
Literatur
- GAUCH PETER / SCHLUEP WALTER R. / EMMENEGGER SUSAN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, ohne ausservertragliche Haftpflicht, Band II, 10. Auflage, Zürich 2014, N 3350 – N 3354
- KOLLER ALFRED, Verjährt oder nicht verjährt? Drei höchstrichterliche Antworten, in: AJP 2000, S. 243 ff.
- BERTI STEPEN V., Zur Unterbrechung der Verjährung durch Betreibung und Klage – oder die Alternativen zum „Inspired guess“, in: recht 1994, Heft 2, S. 76 ff.
- PETER JAMES T., Verjährungsunterbruch von Ansprüchen mit handelsgerichtlicher Zuständigkeit, in: ANWALTSPRAXIS, 8/2012, S. 364 f.
Judikatur
- Klage als Unterbrechungsgrund
- Verantwortung für den rechtzeitigen Klagerückzug zur Vermeidung der Fortführungslast
- ZR 115 (2016) Nr. 39 S. 176 f.
Weiterführende Informationen
- Geltendmachung des Anspruchs zur Vermeidung des Verjährungseintritts
- Verzicht auf die Anspruchsverfolgung
- Detailinformationen zum internationalen Schiedsgericht
- Wirkungen und Auslegung