Entscheidende Sphäre
Einwendungen und Einreden können – nebst ihrer Zielsetzung (siehe nachfolgend) – dadurch unterschieden werden, ob sie ihren Ursprung entweder in Sphäre des Anspruchsberechtigten oder in derjenigen des Anspruchsgegners bzw. des Beklagten haben.
Abhängige oder unabhängige Einwendungen und Einreden?
Für die weitere Einordnungen ist folgende Differenzierung wissenswert:
- Abhängige Einwendungen und Einreden
- zB Einwilligung des Geschädigten = vom Anspruchsberechtigten abhängige Einwendung
- Unabhängige Einwendungen und Einreden
- zB Reduktionsgrund des leichten Verschuldens des verantwortlichen Organs (in seiner Sphäre begründet) = ein vom Anspruchsberechtigten bzw. dessen Anspruch unabhängiges Verteidigungsmittel
von der gesellschaftsinternen Willensbildung abhängige Einwendungen und Einreden
Beim Gesellschaftsschaden ist zu prüfen, ob dieser auf ein Verhalten der Aktionäre (als Willensbildungsorgan) oder auf eine Handlung bzw. Unterlassung des Verwaltungsrats zurückzuführen ist.
Basieren Einwendungen oder Einreden auf einer Willensbildung der Gesellschaft, sind deren Wirkungen insofern eingeschränkt, als sie nur der Gesellschaft selbst und den zustimmenden Aktionären gegenüber entgegengehalten werden können.
Einwendungen und Einreden aus der gesellschaftsinternen Willensbildung greifen nicht gegenüber:
- ehemals nicht zustimmenden Aktionären
- Gläubigern
- Konkursverwaltung
Diese eingeschränkte Einwendungs- und Einrede-Wirkung kommt in folgenden Fällen zum tragen:
- Décharge (Entlastung)
- Schuldanerkennung der Gesellschaft
- Forderungsverzicht der Gesellschaft
- Klageverzicht der Gesellschaft
- Einwilligung der Gesellschaft
- Freizeichnung durch die Gesellschaft
- Rechtsmissbräuchliches Verhalten der Gesellschaft
Ferner:
- Mitverantwortlichkeits-Reduktionsgrund, gesetzt durch die geschädigte Gesellschaft
- Unterbrechung des Kausalzusammenhangs, aufgrund groben Selbstverschuldens der Gesellschaft
Hinsichtlich des durch den VR geschlossenen Vergleichs kommen den Einwendungen und Einreden keinerlei einschränkende Wirkungen zu, zumal der Gesellschaft durch den (echten) Vergleich eine entsprechende Gegenleistung zufliesst. Bei unangemessenem Vergleich würden sich die VR-Mitglieder ohnehin einer Organhaftung aussetzen.
Vom Verantwortlichkeitsanspruch unabhängige Einwendungen
Für die vom konkreten Verantwortlichkeitsanspruch unabhängigen Einwendungen gilt folgendes:
- Prüfung der Einwendungsvoraussetzungen nicht nach den verschiedenen Schadenskonstellationen
- Unabhängige Einwendungen basieren nicht auf einer gesellschaftsinternen Willensbildung, weshalb keine einschränkenden Wirkungen bestehen
- Unabhängige Einwendungen können allen Klageberechtigten entgegengehalten werden
- Anwendungsfälle
- Delegation nach OR 754 Abs. 2 (siehe Box)
- Zulässiges bzw. rechtmässiges Alternativverhalten
- Haftungsreduktion infolge leichten Verschuldens
Art. 754 Abs. 2
Wer die Erfüllung einer Aufgabe befugterweise einem anderen Organ überträgt, haftet für den von diesem verursachten Schaden, sofern er nicht nachweist, dass er bei der Auswahl, Unterrichtung und Überwachung die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat.
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