Einleitung
Die Norm zum Ferien-Abgeltungsverbot lautet wie folgt:
OR 329d Abs. 2
2 Die Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden.
Zwingende Gesetzesnorm
Das Ferien-Abgeltungsverbot ist beidseitig zwingend (OR 362). Es ist auch für die Zeit zwischen Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beachten.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfen nicht im Einvernehmen vereinbaren, dass die Ferien in Geld getilgt werden. Bei einer solchen Missachtung des Ferien-Abgeltungsverbots riskiert der Arbeitgeber, dass er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Ferien nochmals bezahlen muss, wenn es der Arbeitnehmer fordert.
Fordert der Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses eine Nachzahlung, obwohl der die Rechtslage kannte und den Anstoss für die Ferien-Abgeltungsklausel gab, liegt ein qualifizierter Rechtsmissbrauch vor. Ein solches Vorgehen verdient keinen Rechtsschutz und der Arbeitgeber kann die Nachzahlung verweigern (siehe Box).
Weiterführende Informationen
- Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Nachbezahlung
- Pra 2001, Nr. 48, S. 284
- BGE 129 III 493, insbeso 498
- Gilt das Ferien-Abgeltungsverbot auch für den „überobligatorischen Teil“, d.h. für den die gesetzliche Ferien-Mindestdauer übersteigenden Ferienanspruch?
- Einzelarbeitsvertrag
- Ja, vgl. OR 329d Abs. 2
- Gesamtarbeitsvertrag (GAV)
- umstritten
- Präjudiz fehlt noch
- Einzelarbeitsvertrag
Gesetzeszweck
Das Ferien-Abgeltungsverbot dient der Sicherung des Erholungszweckes.
Grundsatz
Die Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldzahlungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden (vgl. OR 329d Abs. 2).
Ausnahmen vom Ferien-Abgeltungsverbot
Die arbeitsrechtliche Praxis kennt folgende Ausnahmen zum Ferien-Abgeltungsverbot:
- Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Ferienbezug ist nicht mehr in natura möglich (bei nachgenannten Ursachen (alternativ oder kumulativ))
- Stellensuche während Kündigungsfrist
- Kompensation Überzeit
- Betriebliche Erfordernisse
- Krankheit oder Unfall
- Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bezogene Ferien sind doch in Geld abzugelten
- vgl. hiezu BGE 131 III 454
- Ferienbezug ist nicht mehr in natura möglich (bei nachgenannten Ursachen (alternativ oder kumulativ))
- Bestimmte Arbeitsverhältnisse
- Ausnahme nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung
- = Ferienbezug bei einfacherer Ferienlohnleistung
- Bundesgerichtliche Praxis ist umstritten
- Voraussetzungen
- Unregelmässige Arbeit mit Ferienberechnungsschwierigkeiten
- Kurze Anstellungsdauer / schwierige Ferienberechnung
- Sehr unregelmässiger Einsatz / schwierige Ferienberechnung
- Achtung: Bei nur leichter Unregelmässigkeit gilt das Abgeltungsverbot!
- Überprüfung der Voraussetzungen im konkreten Einzelfall
- Beachte aber die Praxispräzisierung des Bundesgerichts für Vollzeitbeschäftigungsfälle mit unregelmässigen Arbeitszeiten bzw. Lohnschwankungen, wonach dies angesichts der neuen Zeiterfassungsmöglichkeiten kein Grund mehr für ein Abweichen vom Ferien-Abgeltungsverbot bilde (BGer 4A_357/2022 vom 30.01.2023)
- Teilzeitarbeitsverhältnis
- Der Einschluss des Feriengeldes in den Lohn ist bei Vollzeitarbeitsverhältnissen ausgeschlossen
- zB bei temporären Arbeitsverhältnissen nach Arbeitsvermittlungsgesetz (AVG)
- vgl. hiezu auch Teilzeitarbeit: Ferienanspruch
- Einschluss des Feriengeldes in den Lohn
- Gesonderter Ferienlohn-Ausweis
- im schriftlichen Arbeitsvertrag
- in Franken oder in Prozenten
- Die blosse Feststellung im Arbeitsvertrag, das Ferienentgelt sei im Lohn enthalten, genügt den Anforderungen des gesonderten Ausweises nicht!
- in jeder Lohnabrechnung
- in Franken oder in Prozenten, vom Normallohn abgegrenzt
- unter Angabe von Natur und Umfang des Zuschlags
- keine Pauschalierung, zB „Ferien inbegriffen“, ansonsten ein Nachzahlungsrisiko besteht
- Ziel des gesonderten Ferienlohn-Ausweises
- Motiv = Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
- Arbeitnehmer soll erkennen, welchen Teil des Lohns er für die Ferienzeit, wo er dann keinen Lohn erhält, zurücklegen muss
- Folgen der Formvorschriften-Verletzung des gesonderten Ferienlohn-Ausweises
- Ferien-Nachzahlung, auch wenn er den Geldbetrag dem Arbeitnehmer nicht förmlich ausgewiesen bereits bezahlt hat
- im schriftlichen Arbeitsvertrag
- Gesonderter Ferienlohn-Ausweis
- Möglichkeit zum Ferienverbringen
- Arbeitgeber hat Arbeitnehmer gleichwohl Ferienmöglichkeit zu gewähren, und zwar von
- 4 Wochen gesamthaft bzw.
- 2 zusammenhängenden Wochen
- Ferienzuweisungsrecht des Arbeitgebers wie bei Vollzeitarbeitsverhältnissen
- Arbeitgeber hat Arbeitnehmer gleichwohl Ferienmöglichkeit zu gewähren, und zwar von
- Unregelmässige Arbeit mit Ferienberechnungsschwierigkeiten
- Problemlösung müsste de lege ferenda, also durch den Gesetzgeber erfolgen.
- Ausnahme nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung
- Gewährung des Ferienbezugs in natura trotz Vorhandensein der Ausnahme-Voraussetzungen
Weiterführende Informationen
- Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- OR 329d Abs. 2: „Die Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden.“
-
- Bestimmte Arbeitsverhältnisse (Ausnahme nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung)
- BGE 116 II 515, insbeso 517 (Begründung dieser Rechtsprechung)
- BGE 129 III 664, insbeso 672
- BGE 129 III 493, inbeso 495
- BGE 4C.301/2001 vom 21.02.2002
- SJZ 97 (2001) 59 (BGE)
- Bestimmte Arbeitsverhältnisse (Ausnahme nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung)
- Unregelmässige Arbeit mit Ferienberechnungsschwierigkeiten
- JAR 1998, 160 (BGE)
- JAR 1991, 184 (Appelationsgericht Kanton Basel-Stadt)
- JAR 1991, 189 (BGE)
- Vollzeitbeschäftigung mit monatlichen Lohnschwankungen
-
- BGer 4A_357/2022 vom 30.01.2023 (angesichts der neuen Zeiterfassungsmöglichkeiten keine Rechtfertigung mehr, bei schwankenden Arbeitszeiten vom Ferien-Abgeltungsverbot von OR 329d abzuweichen (Praxispräzisierung))
- Teilzeitarbeitsverhältnis
- BGE 4C.90/2003 vom 07.07.2003, Erw. 2.4.3
- ARV 2003, 220
- Einschluss in den Lohn
- Gesonderter Ferienlohn-Ausweis in schriftlichem Arbeitsvertrag
- BGE 129 III 664, insbeso 672
- Gesonderter Ferienlohn-Ausweis in der Lohnabrechnung
- BGE 116 II 515, insbeso 518
- Möglichkeit zum Ferienverbringen
- Folgen der Formvorschriften-Verletzung des gesonderten Ferienlohn-Ausweises
- BGE 129 III 493, insbeso 499
- BGE 129 III 664, insbeso 673
- ZR 79 (1980) Nr. 55
- Gesonderter Ferienlohn-Ausweis in schriftlichem Arbeitsvertrag
Folgen der Missachtung des Ferien-Abgeltungsverbots
Bei Nichtbeachtung der Ausnahme-Voraussetzungen und des Erfordernisses des gesonderten Ausweises bei der Teilzeit-Arbeit im Stundenlohn (vgl. hiezu » Teizeitarbeit: Ferienanspruch – Ausnahme) droht trotz pauschaler Abgeltungsleistungen die Nachzahlungspflicht eines Ferienlohnes.
Judikatur
Kompensation
Der Ferienbezug in natura kann auch stattfinden durch
- Freistellung
- Ferienbezug-Anordnung
- selbst dann, wenn der Arbeitgeber den Ferienbezug nicht ausdrücklich anordnet (vgl. BGE 128 III 282)
- ungerechtfertigte fristlose Entlassung und Leistung von Lohnersatz für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist (vgl. BGE 117 II 272)
Kompensations-Schranke
Die Kompensation nicht bezogener Ferien während der Freistellungszeit oder bei ungerechtfertigten Entlassung hat dort ihre Schranke, wo der Arbeitnehmer wegen Stellensuche nicht oder nur teilweise Ferien machen kann. In solchen Fällen dürfen bzw. müssen die nicht beziehbaren Ferien entschädigt werden (siehe „Ausnahmen vom Ferien-Abgeltungsverbot“)
Präjudiz von AGer, AN070555 vom 14.02.2008:
- Ferienanspruch bei Freistellung
- 20 Tage
- Freistellungsdauer unter Berücksichtigung der Feiertage
- 61 Arbeitstage
- Verfügbare Zeit für Stellensuche
- 2/3 jeder Woche
- Beurteilung durch Arbeitsgericht
- Verhältniszahl ist ausreichend
- Zumutbarkeit, da zwischen den Stellensuchbemühungen erholsame Halbtage oder auch mehrere Tage zu Hause eingeschoben werden konnten.
Weiterführende Informationen
» Freistellung: Ferien und Überstunden
» Voraussetzung für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber