LAWINFO

VR-Haftung / Haftung des Verwaltungsrats

QR Code

Erhöhtes Haftungsrisiko in Sanierungssituationen

Rechtsgebiet:
VR-Haftung / Haftung des Verwaltungsrats
Stichworte:
VR-Haftung
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Das Aktienkapital einer Gesellschaft ist derjenige Anteil der Eigentümer (Aktionäre) am Gesellschaftsvermögen, der den Gläubigern der Gesellschaft haftet. Das OR sieht diverse Mechanismen vor, die allesamt dem Schutz dieses Aktienkapitals und damit den Gläubigern der Gesellschaft dienen:

Handlungspflichten des VR je nach Schwere der Krise

a) Bilanzverlust

Entspricht das Anlagevermögen z.B. infolge Wertverlusts durch Abschreibungen nicht mehr der Wertquote des Eigenkapitals (inkl. Reserven) so liegt ein Bilanzverlust vor. Eine erhöhte Achtsamkeit an VR-Sitzungen ist ratsam:

  • Analyse möglicher Ursachen
  • Überprüfung der Geschäftsabläufe und Organisationsstrukturen
  • Finanzplanung im Auge behalten
  • nötigenfalls Einleitung von Sanierungsmassnahmen

b) Hälftiger Kapitalverlust nach Art. 725 Abs. 1 OR

Hat der Bilanzverlust die Hälfte des Eigenkapitals (inkl. Reserven) oder mehr verzehrt, übersteigt er jedoch die Gesamtsumme des EK nicht, so liegt ein hälftiger Kapitalverlust vor. Nun verpflichtet das Gesetz den VR zum Handeln (Art. 725 Abs. 1 OR):

  • Erstellung Zwischenbilanz bei begründeter Besorgnis hälftiger Kapitalverlust
  • unverzügliche Einberufung der Generalversammlung
  • Orientierung GV über Lage der Gesellschaft
  • Beantragung von Sanierungsmassnahmen

c) Begründete Besorgnis einer Überschuldung nach Art. 725 Abs. 2 OR

Übersteigt der Bilanzverlust das Eigenkapital (inkl. Reserven) bzw. ist der Wert der Gesellschaftsaktiven kleiner als das Fremdkapital, so liegt eine Überschuldung vor:

  • Erstellung Zwischenbilanz bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung
    • Benachrichtigung des Richters bei Überschuldung (Art. 725 Abs. 2 OR)
      • sofern kein Rangrücktritt von Gesellschaftsgläubiger im Ausmass der Unterdeckung
      • bzw. keine konkrete Aussicht auf Sanierung (vgl. Voraussetzungen Konkursaufschub, Art. 725a OR);
        • ernsthaft
        • zeitnah
        • nachhaltig

Typische Sanierungsmassnahmen (aussergerichtlich)

  • Auflösung von Bewertungsreserven
  • Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen
  • Stillhaltevereinbarungen (Stundung, privatrechtlich)
  • Kapitalerhöhung
  • Kapitalschnitt (Kapitalherabsetzung und anschliessende Wiedererhöhung)
  • Verkauf von Aktiva an Auffanggesellschaft
  • Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (debt/equity swap)
  • Abtretung, Verkauf von Aktiven an Gläubiger (debt/asset swap)
  • Rangrücktritt
  • Forderungsverzicht
  • A-fonds-perdu-Beiträge
  • Sanierungsfusion

Probleme, Risiken aussergerichtlicher Sanierungsmassnahmen

  • Bewertungsprobleme bei Aktiven ohne Marktpreis, insbesondere bei
    • Auffanggesellschaft
    • debt/equity swap; debt/asset swap
  • Gefahr Gläubigerbevorzugung(aktienrechtliche Gleichbehandlungspflicht nur Aktionären gegenüber)
    • insbesondere bei
    • Schuldenrückzahlungen
    • Auffanggesellschaft
    • debt/equity swap; debt/asset swap;
    • » Möglichkeit der paulianischen Anfechtung
  • Umqualifizierung kaptialersetzender Darlehen von Aktionären und Nahestehenden, insbesondere
    • wenn Gesellschaft bei Darlehensgewährung unterkapitalisiert
    • wenn Darlehen von Dritten unwahrscheinlich
    • bei Konzernverhältnissen (Arm‘s length Bedingungen)
    • » zusätzliche Gefahr: Vorwurf der Konkursverschleppung
  • ev. Nachliberierungspflicht bei Überschuldung(zweifelhafte Werthaltigkeit der Forderung) bei
    • Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (debt/equity swap)
  • Kreditaufnahme

Fazit

In Krisensituationen hat der VR vermehrte Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten zu beachten. Eine Missachtung dieser Pflichten kann Konsequenzen haben:

  • persönliche Haftung des VR
  • sog. paulianische Anfechtung (Art. 286 ff. SchKG)
  • strafrechtlichen Verantwortlichkeiten

Weiterführende Informationen

» Strafrechtliche Risiken

Paulianische Anfechtung

Sogenannte paulianische Anfechtungsklagen dienen der Rückabwicklung von Vermögensübertragungen, die sich vor Konkurseröffnung (bzw. vor Nachlassstundung oder Vermögenspfändung) ereigneten (Art. 285 ff. SchKG):

Anfechtbar sind:

  • Schenkungen oder
  • unübliche Leistungen des überschuldeten Schuldners (z.B. Zahlung vor Fälligkeit)
  • innerhalb der letzten 12 Monate vor Konkurseröffnung
  • mit Folge: Begünstigung / Benachteiligung einzelner Gläubiger

bzw.

  • vorsätzliche Rechtshandlungen
  • innerhalb der letzten 5 Jahre vor Konkurseröffnung
  • mit Zweck: Begünstigung / Benachteiligung einzelner Gläubiger

    Kontakt

    Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

    Kontakt / Help

    Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

    Anrede

    Ihr Vorname*

    Ihr Nachname*

    Firma

    Telefonnummer*

    Betreff (Interessen- / Streitgegenstand)*

    * = Pflichtfelder

    Eine Kopie der Mitteilung geht an die im Feld "E-Mail" angegebene E-Mail-Adresse.

    Vorbehalt / Disclaimer

    Diese allgemeine Information erfolgt ohne jede Gewähr und ersetzt eine Individualberatung im konkreten Einzelfall nicht. Jede Handlung, die der Leser bzw. Nutzer aufgrund der vorstehenden allgemeinen Information vornimmt, geschieht von ihm ausschliesslich in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko.

    Urheber- und Verlagsrechte

    Alle in dieser Web-Information veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheide und Leitsätze, soweit sie von den Autoren oder den Redaktoren erarbeitet oder redigiert worden sind. Der Rechtschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieser Web-Information darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – sämtliche technische und digitale Verfahren – reproduziert werden.