LAWINFO

VR-Haftung / Haftung des Verwaltungsrats

QR Code

Zivilrechtliche Risiken

Rechtsgebiet:
VR-Haftung / Haftung des Verwaltungsrats
Stichworte:
VR-Haftung
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Mangelhafte Organisation

Der Verwaltungsrat hat die oberste Leitung der Gesellschaft inne. In dieser Eigenschaft ist er für die strategische Ausrichtung des Unternehmens verantwortlich (vgl. Art. 716a Ziff. 1 OR).

Für eine zweckmässige Organisation der Gesellschaft muss er insbesondere

  • die Überprüfbarkeit der Leistungen der Geschäftsleitung;
  • die Möglichkeit eines wirkungsvollen Eingreifens (bei Bedarf)

sicherstellen.

Verkennt oder unterlässt der Verwaltungsrat notwendige strategische oder operative Massnahmen, so kann er für den entstandenen Schaden zur Rechenschaft gezogen werden.

Corporate Governance

Corporate Governance wird auch mit ‚Unternehmensverfassung’ übersetzt. Der Begriff umfasst Regelungen (und Empfehlungen) zu bestmöglichen Organisationsstrukturen für die

  • Leitung und
  • Überwachung einer Gesellschaft.

Erfasst werden auch Regelungen, die die gesamte Einordnung des Unternehmens in das soziale Umfeld (Aktionäre, Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner usw.) betreffen. Entsprechend können die Regeln (und Empfehlungen) vom Gesetzgeber, von Aktionären, vom Verwaltungsrat, von Mitarbeitern oder anderen Interessengruppen stammen.

Seit 2002 existiert in der Schweiz der sogenannte ‚«Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance» (verfasst  vom Verband der Schweizer Unternehmen economiesuisse). Dessen Verhaltensregeln sind eigentliche Empfehlungen, deren Befolgung auf Freiwilligkeit basiert.

Mangelhafte Finanzplanung und -kontrolle

Zu den unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrates gehört die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung (Art. 716a Ziff. 3 OR):

Liquiditäts-, Ertrags- und Vermögenslage der Gesellschaft muss jederzeit

  • korrekt dargestellt
  • und abrufbar sein.

Fehlt ein ordnungsgemässes Rechnungswesen kann der VR die finanziellen Geschicke des Unternehmens nicht kontrollieren, was schnell zu Verlusten der Gesellschaft bzw. von Gläubigern führen kann:

Häufige Ursachen für die Entstehung eines Schadens bei Gesellschaft/Aktionären (Aktienkauf aufgrund falscher Zahlen):
  • schlechte Organisation der Buchführung;
  • Fehlen eines Budgets;
  • Fehlen einer ernsthaften Finanzplanung;
  • absichtliche Schönung der Jahresrechnung;

Verletzung von Sorgfalts- und Treuepflichten

Verwaltungsratsmitglieder, Geschäftsführer und faktische Organe haben ihre Pflichten mit der nötigen Sorgfalt wahrzunehmen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen zu wahren (Art. 717 OR).

Sorgfaltspflicht

Das erforderliche Mass an Sorgfalt ist grundsätzlich nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Massgebend ist das Verhalten, das

  • von einem vernünftigen und gewissenhaften Menschen
  • unter den gleichen Voraussetzungen

erwartet werden darf.

Beispiele von Sorgfaltspflichtverletzungen des VR:
  • Falsche Anlage des Gesellschaftsvermögens;
  • Beschluss einer risikobehafteten Strategie ohne sorgfältige Prüfung;
  • Gewährung von Darlehen ohne angemessene Sicherheit;
  • Delegation von Kompetenzen an eine Geschäftsführung ohne sorgfältige Auswahl, Instruktion und Überwachung;
  • Kein Beizug einer professionelle Beratung trotz Unerfahrenheit oder ungenügender Kenntnisse in einem bestimmten Bereich;

Treuepflicht

Selbstverständlich darf ein VR die Gesellschaft nicht schädigen und muss deren Interessen die eigenen unterordnen:

  • Vermeidung von bzw. entsprechende Vorkehrungen bei potenziellem Interessenkonflikt
  • Verschwiegenheit bei heiklen Informationen
Beispiele von Treuepflichtverletzungen:
  • konkurrenzierende Tätigkeit des VR
  • Bezug überhöhter Honorare
  • Ausnützen von Insiderwissen

» besondere Achtsamkeit ist bei Konzernverhältnissen notwendig!

Verletzung von Gleichbehandlungspflichten

Der Verwaltungsrat hat Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln (Art. 717 Abs. 2 OR). Ausnahmen sind nur möglich bei:

  • sachlicher Grund (Gesellschaftsinteresse)
  • Verhältnismässigkeit
Beispiel:
  • für die Gesellschaft / Aktionäre ungünstige Geschäfte mit Mehrheitsaktionär;

Verletzung von Informations- und Anzeigepflichten

Folgende Informations- und Anzeigepflichten muss der VR beachten:

Ausser:

  • Rangrücktritt von Gesellschaftsgläubiger im Mass der Unterdeckung
  • Konkrete Aussicht auf Sanierung
Beispiele:
  • Unterlassen der Einleitung von Sanierungsmassnahmen
  • Weiterwirtschaften trotz Überschuldung

Häufiger Grund für Verantwortlichkeitsklagen gegen den VR ist der Vorwurf der Konkursverschleppung!

Faktische Organschaft

Eine Haftung kann auch faktische Organe treffen:

  • Organe ohne formelle Delegation;
  • Teilnahme an Geschäftsführung bzw. massgebliche Einflussnahme an Willensbildung der Gesellschaft;
Beispiele:
  • leitender Mitarbeiter
  • Hauptaktionär, der VR keinen Ermessensspielraum gewährt bzw. die Gesellschaft faktisch durch Weisungen lenkt
  • Muttergesellschaft in einem Konzernverhältnis

Bei tatsächlicher Abhängigkeit der Gesellschaft von einem «faktischen Organ» ist ein sog. Durchgriff denkbar. Dabei wird die Trennung zwischen Gesellschaft und faktisches Organ aufgehoben, und Letzteres kann zur Verantwortung gezogen werden!

    Kontakt

    Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

    Kontakt / Help

    Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

    Anrede

    Ihr Vorname*

    Ihr Nachname*

    Firma

    Telefonnummer*

    Betreff (Interessen- / Streitgegenstand)*

    * = Pflichtfelder

    Eine Kopie der Mitteilung geht an die im Feld "E-Mail" angegebene E-Mail-Adresse.

    Vorbehalt / Disclaimer

    Diese allgemeine Information erfolgt ohne jede Gewähr und ersetzt eine Individualberatung im konkreten Einzelfall nicht. Jede Handlung, die der Leser bzw. Nutzer aufgrund der vorstehenden allgemeinen Information vornimmt, geschieht von ihm ausschliesslich in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko.

    Urheber- und Verlagsrechte

    Alle in dieser Web-Information veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheide und Leitsätze, soweit sie von den Autoren oder den Redaktoren erarbeitet oder redigiert worden sind. Der Rechtschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieser Web-Information darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – sämtliche technische und digitale Verfahren – reproduziert werden.