Wird der nicht bindende, ungefähre Kostenansatz (Kostenvoranschlag) vom Unternehmer erheblich überschritten, kann der Besteller vom Werkvertrag zurücktreten (vgl. OR 375 Abs. 1):
Definitionen
Ausgangslage
- Unglückliches Wording von OR 375 Abs. 1 (siehe Box)
Ungefährer Kostensatz
- = (nicht bindender) Kostenvoranschlag, als Prognose des mutmasslichen Preises des Werks
Überschreitung
- = erhebliche Überschreitung
Grundlage
unverbindlicher Kostenvoranschlag
Information + Geschäftsgrundlage
- Der unverbindliche Kostenvoranschlag soll den Besteller über die mutmasslichen Kosten informieren
- Kostenvoranschlag wird zu einer wesentlichen Geschäftsgrundlage, wenn der Besteller in Kenntnis des Voranschlags den Werkvertrag schliesst
Kostenvoranschlag kein Vertragsbestandteil, keine Preisabrede + daher Preis nach effektivem Unternehmeraufwand
- Ohne andere Abrede bildet der Kostenvoranschlag keinen Vertragsbestandteil mit der Wirkung einer Preisvereinbarung und der geschuldete Preis richtet sich nach dem effektiven Aufwand des Unternehmers (vgl. OR 374)
Überschreitungsgrenze
Keine Akzeptpflicht für übermässige Kostenüberschreitung
- Der Besteller muss eine übermässige Kostenüberschreitung nicht einfach akzeptieren
Überschreitungstoleranz: 10%
- Als übermässige Kostenüberschreitung gilt, wenn der Kostenvoranschlag um mehr als 10 % überschritten wird
Vom Besteller zumindest mitverschuldete Kostenerhöhung
- Kürzung des Kostenüberschreitungsbetrages um die Hälfte
- Mehrbetrag, der in einem solchen Fall oft auch ein Mehrwert darstellt, wird so zwischen Unternehmer und Besteller hälftig geteilt
Vom Unternehmer verschuldete Kostenerhöhung
- Tragung des Kostenüberschreitungsbetrages durch Unternehmer
- Keine hälftige Kostenteilung
Bestellerrechte
Grundsatz
- Rücktrittsrecht vom Werkvertrag (vgl. OR 375 Abs. 1)
Bewegliche Sachen
- Vertragsauflösung + Rückabwicklung
Unbewegliche Sachen
- Problematische Rückabwicklung, weil die Baute infolge des Akzessionsprinzips ins Eigentum des Bestellers übergeht und eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht möglich ist
- Lösungsansatz
- Unvollendetes Werk
- Besteller kann dem Unternehmer „gegen billigen Ersatz„ die Arbeiten entziehen
- Vollendetes Werk
- Besteller kann Preisminderung verlangen
- Vgl. OR 375 Abs. 2
- Unvollendetes Werk
Art. 375 OR
C. Beendigung
I. Rücktritt wegen Überschreitung des Kostenansatzes
1 Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten.
2 Bei Bauten, die auf Grund und Boden des Bestellers errichtet werden, kann dieser eine angemessene Herabsetzung des Lohnes verlangen oder, wenn die Baute noch nicht vollendet ist, gegen billigen Ersatz der bereits ausgeführten Arbeiten dem Unternehmer die Fortführung entziehen und vom Vertrage zurücktreten.
Literatur
Überschreitungsgrenze + Faustregel
- GAUCH PETER, Der Werkvertrag, 4. Auflage, Zürich 1996, Rz 985
Mehrbetrag vs. Mehrwert
- GAUCH PETER, Der Werkvertrag, 4. Auflage, Zürich 1996, Rz 980
Judikatur
Unverbindlicher Kostenvoranschlag
- MERZ HANS, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1989, in: ZBJV 127 (1991) S. 255 f.
Überschreitungsgrenze / Verweis auf Grundlagenirrtum (OR 24 Abs. 1 Ziffer 4)
- BGE 4A.577/577/2008