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Sachenrecht / Immobilien

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Stockwerkeigentumswohnungen: Kauf ab Plan

Datum:
24.07.2017
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Sachenrecht / Immobilien
Stichworte:
Beratung, Grundstückkauf, Mängelrechte, Stockwerkeigentum, Vollzug
Autor:
RA Urs Bürgi
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Einleitung

Die Vermarktung von Neubauwohnungen vor ihrer Erstellung zählt zum etablierten Tagesgeschäft der Immobilienbranche. Immobilienpromotoren, die die Bauten im Auftragsbau erstellen lassen, oder Totalunternehmer, die solche Wohnungen selber projektieren und vertreiben, teilen sich den Markt. Die Banken setzen für die Baufinanzierung voraus, dass ein Teil der Stockwerkeinheiten vor Baubeginn bereits verkauft ist. Der Vorabverkauf ist der Tatbeweis für die Projektakzeptanz am Markt. Da beim Neuobjekt-Vorabkauf die Baute erst geplant ist sowie Kaufvertragsabschluss und -erfüllung auseinanderfallen, ergibt sich beachtenswertes, auf das nachfolgend einzugehen ist.

Kauf ab Plan im Allgemeinen

Beim Kauf ab Plan wird der Leistungsumfang durch drei Hilfsmittel bestimmt, nämlich 1. Baubeschrieb, 2. Pläne und 3. Budgetpositionen für die Auswahl des Innenausbaus (Nasszellen, Küche und Boden [Bodenplatten, Parkett, Teppich usw.]). Es empfiehlt sich, die Daten vor einer allf. Unterzeichnung der Reservationsvereinbarung genau zu prüfen. Die Reservationsvereinbarung ist ein privat-schriftlicher Vorvertrag, der dem Kaufinteressen keinen Erwerbsanspruch verschafft, sondern es dem Verkäufer ermöglicht, eine Anzahlung einzufordern und sie mit einer Konventionalstrafe so zu verbinden, dass sie ihm verfällt, wenn es sich der Kaufinteressent anders überlegt.

Transaktionsstruktur

Die Immobilien-Developer bieten in den Printmedien, Web und TV visualisiert das geplante Endprodukt schlüsselfertig zum Erwerb an. Bei der Unterzeichnung des Vertragswerks staunen die Kaufinteressenten oft nicht schlecht, wenn ihnen kombinierte Verträge oder gar Kettenverträge zur Unterzeichnung vorgelegt werden. Anzutreffen sind die fairste Variante, der „Kauf einer künftigen Sache“, aber auch „Kaufvertrag und Werkvertrag“ oder „Kaufvertrag mit Werkvertrag“ (siehe Box). Die Trennung von Landerwerb und Bauwerkerstellung basiert in der Regel auf steuerlicher und / oder betriebswirtschaftlicher Motivation des Anbieters.

Die Unterscheidungsmerkmale:

  1. Kauf einer künftigen Sache
    • Land und Baute:
      • Öffentliche Beurkundung Kauf von Land und Baute
      • Ausführung des Bauwerks nach Baubeschrieb – abgesehen von Innenausbauten – ohne Einflussmöglichkeiten des Käufers
      • Haftung für Rechts- und Sachmängel nach Kaufsrecht
        • oft Abtretung der Gewährleistungsgarantien gegenüber den am Bau Beteiligten vom Verkäufer an den Käufer
  1. Kaufvertrag und Werkvertrag (Grundstückkauf mit Bauleistungspflicht)
    • Land:
      • Öffentliche Beurkundung Landkauf (zB direkt vom Bauern)
      • Haftung für Rechts- und Sachmängel nach Kaufsrecht
    • Baute:
      • Ausführung des Bauwerks (zB durch den anbietenden TU)
      • Haftung für Sachmängel nach Werkvertragsrecht
  1. Kaufvertrag mit Werkvertrag
    • Land:
      • Öffentliche Beurkundung Landkauf; wird ein „Gesamtpreis“ für Land und Werk verabredet, muss der Werkvertrag mitbeurkundet werden
      • Haftung für Rechts- und Sachmängel nach Kaufsrecht
    • Baute:
      • Ausführung des Bauwerks nach Baubeschrieb mit Einflussmöglichkeiten des Käufers
      • Haftung für Sachmängel nach Werkvertragsrecht.

Parteistruktur

Sollen Land und Baute von verschiedenen Vertragspartnern erworben werden, ist Vorsicht geboten. Das Auseinanderfallen der Zuständigkeiten kann vor allem bei Leistungsstörungen für Fertigstellung und Kosten unüberbrückbare Probleme mit sich bringen und in Kantonen mit pfandgeschützter Handänderungssteuer bzw. Grundstückgewinnsteuer bei Zusammenrechnung von Land- und Bauleistung auch zu Steuerfolgen für den Enderwerber führen.

Terminstruktur

Die Terminstruktur betrifft die Abfolge von Verpflichtungsgeschäft (öffentlich zu beurkundender Kaufvertrag) und Vollzug (Kaufpreiszahlung gegen Grundbuchanmeldung). Beim Kauf der künftigen Sache erfolgt in der Regel ein sog. Termingeschäft (Kaufvertrag mit Anzahlung im Einigungszeitpunkt; Vollzug bei [schlüsselfertiger] Ablieferung des Kaufsobjektes). Die Variante eines sofortigen Kaufvollzugs ist abzulehnen, weil der Käufer Eigentümer (bei Stockwerkeigentum Miteigentümer) einer angefangenen, zu bewertenden Baute würde und für die Bauwerkfertigstellung ein Werkvertrag abzuschliessen wäre; unterschiedliche Mängelgrundlagen und –folgen würden dem Käufer die Rechtswahrung bei Baumängeln extrem erschweren.

Vollzugsstruktur

Beim Erwerb einer künftigen Sache sind die Vollzugskriterien: 1. Bezugsbereitschaft, 2. Kaufpreisrestzahlung (Käufer) und Eigentumsübertragung (Verkäufer: Abgabe der Grundbuchanmeldung zur Eintragung des Käufers als Eigentümer) und 3. Besitzesantritt (Uebergabe von Baute und Schlüssel durch Verkäufer / Abnahme der Baute durch den Käufer).

Stockwerkeigentum als spezielle Eigentumsart

Die relativ komplizierte Eigentumsform des Stockwerkeigentums (Miteigentum am Grundstück mit dem Sonderrecht für die Nutzung und die selbständige Ausgestaltung der Innenräume an einer Wohnung sowie die meistens im StWE-Reglement zuzuweisenden Einstellplätze in der Unterniveaugarage) schafft eine „gesteigerte Komplexität“, die sich bei Erwerb, Baumängel-Geltendmachung, Nutzung, Unterhalt und Erneuerung auswirkt.

Begründung von Stockwerkeigentum vor Erstellung der Baute

Stockwerkeigentum kann vor Bauerstellung mittels Begründungsakt und Aufteilungspläne (Projektpläne) errichtet werden. Aufteilungspläne geniessen keinen Richtigkeits- bzw. Vertrauensschutz wie Katasterpläne. Es ist daher Käufersache die Uebereinstimmung der Aufteilungspläne mit der effektiven Bauausführung zu überprüfen.

Stockwerkeigentumskauf

Die umgangssprachliche Bezeichnung des „Kaufs einer Eigentumswohnung“ ist unzutreffend. Gekauft wird ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück im Ganzen und nicht bloss die in sich geschlossen Räume des Sonderrechts, die als „Wohnung“ bezeichnet werden. Entsprechend ist beim „Kauf mit Werkvertrag“ und „Kauf und Werkvertrag“ die ganze Baute (und nicht bloss die betreffende „Stockwerkeigentumswohnung“ [Sonderrecht]) mit vollem Werkpreis Vertragsgegenstand; eine solche Verpflichtung dürften wohl die wenigsten „Stockwerkeigentumskäufer“ eingehen wollen und können. Zudem müssten alle Stockwerkeigentümer bzw. Käufer als „Werkbesteller“ auftreten; die hin und wieder anzutreffenden Werkverträge mit den einzelnen Käufern zu den jeweiligen Wohnungen (Sonderrechte) sind deshalb ein Unding.

Grundstückkaufvertrag für Stockwerkeigentum ab Plan

Marketinggrundlage für Stockwerkeigentumsangebote bilden heute Computeranimationen, Modelle und Musterwohnungen. StWE-Käufer lassen sich durch solche Visualisierungen ohne vorgängige Vertragsprüfung zum Abschluss verleiten. Sie sind sich der rechtlichen Bedeutung und Tragweite bestimmter Abreden nicht bewusst. Zudem schützt der Makler meistens vor, dass andere Käufer in der gleichen Ueberbauung die vorformulierten Vertragsklauseln bereits akzeptiert hätten. Je nach Marktsituation befürchten Kaufinteressenten beim Verlangen nach ausgewogener formulierten Klauseln den Zuschlag und die Anzahlung zu verlieren. Trotzdessen sollte je beanstandeter Klausel eine Entscheidungsbewertung vorgenommen (must to have, nice to have) und so verhandelt werden.

Absicherung der Bauhandwerkerpfandrechts-Risiken

Der Gesetzgeber schützt die Leistungen der Handwerker und Unternehmer durch das Recht, ein Bauhandwerkerpfandrecht im Grundbuch – hier – der jeweiligen Stockwerkeinheiten eintragen zu lassen. Baupfandberechtigt ist jeder (Haupt-)Unternehmer, ob er die Arbeit selber ausgeführt oder an einen Subunternehmer weitervergeben hat; auch der jeweilige Subunternehmer kann sich durch ein Bauhandwerkerpfandrecht schützen; Kumulationsfälle können eintreten (Streit in der „Handwerker-Kette“, Konkurs des TU / GU oder eines Unternehmers in der „Handwerker-Kette“). Die viermonatige Eintragungsfrist des Bauhandwerkerpfandrechts beginnt mit der letzten wesentlichen Arbeit; der Fristenlauf beginnt mit jeder Arbeit von neuem und es ist im Streitfalle im Nachhinein zu beurteilen, ob es sich um eine wesentliche Arbeit handelte und, ob die Frist gewahrt war. Der Stockwerkeigentumserwerber hat grundsätzlich erst 4 Monate nach Bauvollendung eine gewisse „Sicherheit“ (Ausnahmen vorbehalten), dass keine Bauhandwerkerpfandrechte mehr eingetragen werden sollten. Jedenfalls sollte der Stockwerkeigentumserwerber sich mit der Bezahlung der Unternehmer durch den Ersteller bzw. Verkäufer auseinandersetzen. Von Vorteil ist es, wenn seitens des Erstellers bzw. Verkäufers eine sog. baukreditmässige Auszahlung stattfindet (Werklohnzahlungskontrolle durch einen Bautreuhänder, auftrags der kreditierenden Bank). So oder anders sollte sich der Stockwerkeigentumskäufer vor der Baupfandgefahr absichern (zB durch eine Bankgarantie zur Ablösung der Bauhandwerkerpfandrechte) und sich seine diesbezügliche Schadloshaltung im Grundstückkauf zusichern lassen. Sichert sich der Käufer nicht vor seiner Kaufpreiszahlung ab, läuft er Gefahr, dass er den baupfandgeschützten Handwerker bezahlen muss, um eine Zwangsverwertung seiner Stockwerkeigentumswohnung abzuwenden.

Gewährleistung bzw. Wegbedingung

Im Gegensatz zu Bestandesobjekten ist bei Neubauobjekten die Gewährspflicht üblich. Sie wird in der Praxis oft nicht durch eigene Garantien, sondern bloss durch Abtretung der Garantieansprüchen gegenüber den am Bau beteiligten Architekten, Ingenieuren, Unternehmern und Lieferanten „geleistet“. Hat der Verkäufer die Baute im TU– oder GU-Verhältnis erstellen lassen, ist eine solche Abrede gar nicht umsetzbar, weil der Verkäufer zu den Subunternehmern des TU bzw. GU gar nicht in einem Vertragsverhältnis steht.

Mängelrechte der Stockwerkeigentümer

Bei Stockwerkeigentum ist zwischen gemeinschaftlichen Anlagen (Mängelrechte können nur durch die Verwaltung der StWEG ausgeübt werden) und den Sonderrechten an den einzelnen Wohnungen (Mängel im Wohnungsinnern können durch die Stockwerkeigentümer selber geltend gemacht werden) zu unterscheiden.

Mängel-Geltendmachungsprobleme

Erst bei der Mängelgeltendmachung werden die juristischen und praktischen Schwierigkeiten erkennbar (Unmöglichkeit der Abtretung künftiger Minderungs- und Wandelungsansprüche [Abtretbarkeit nur angefallener Ansprüche oder des Anspruchs auf Nachbesserung], willfährige, dem Verkäufer nahestehende StWE-Verwaltung, die die Mängelrechte für die gemeinschaftlichen Anlagen nicht wahrnimmt; u.a.m.).

Fazit

Der Erwerb von Stockwerkeigentum ab Plan verlangt von den Käufern einen intensiveren Gegenparteien-Check (Anbieterprüfung und Hinterfragung der Unabhängigkeit der StWE-Verwaltung vom Ersteller der Baute) und strenge Anforderungen an die Dokumentierung (Projektpläne / Revisionspläne). Der StWE-Erwerber kommt nicht um Nachkontrollen der effektiven Bauausführung (Vergleich von Stockwerkeigentumsbegründungsplänen mit den Revisionsplänen und der effektiven Bauausführung) umhin. Weiter sollte der StWE-Käufer einseitig wirkende Aenderungsvorbehalte ablehnen und sich mit der Schadloshaltung hinsichtlich nachträglicher Bauhandwerkerpfandrechte auseinandersetzen. Nach dem StWE-Erwerb darf die Ueberwachung der StWE-Verwaltung hinsichtlich form- und termingerechter sowie zielführender Betreuung der Mängelrechte für die Stockwerkeigentümergemeinschaft nicht vernachlässigt werden.

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