Problematik
In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht können folgende Situationen dazu führen, dass der Auftraggeber prämienpflichtig wird:
- Rechtliche Ausgestaltung oder andere Begebenheiten
- Sozialversicherer erklären den Auftraggeber rückwirkend als abrechnungs- und leistungspflichtig
- Gründe:
- Wirtschaftliche anstatt rechtliche Betrachtung
- trotz klaren Auftrags, Agenturvertrags oder Werkvertrags
- Umdeutung als Arbeitsvertrag
- oft aus administrativ-wirtschaftlichen Gründen, möglichst wenige Einzelfirmisten, vor allem sog. „Soloselbständige“, mit wenigen Auftraggebern grösseren Abrechnungseinheiten zuordnen zu können
- Unklare Vertragsredaktion
- Wirtschaftliche anstatt rechtliche Betrachtung
- Folgen:
- Beitrags-Tragungs-Streitigkeiten im Innenverhältnis von Auftraggeber und Beauftragten bezüglich vergangener und künftiger Prämien
- Strafrechtliche Sanktion wegen Verletzung der Meldepflicht.
- Gründe:
Konflikt
… mit der vertraglichen Betrachtungsweise.
Matchentscheidend
- für Honorarzahlung:
- die Vertragsart
- Auftrag/Agenturvertrag contra Arbeitsvertrag
- auf dem Honorar sind keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen
- die Vertragsart
- für Tragung der Sozialversicherungsbeiträge
- Unternehmerrisiko und Abhängigkeitsverhältnis
Sozialversicherungsrechtliche Grundlage
Jedes Erwerbseinkommen ist Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit, welches nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt. Die Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung präzisiert hiezu: Wer kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt und von einem Arbeitgeber in wirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist, gilt als unselbständig erwerbstätig.
Betroffene Sozialversicherungen
- Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)
- Invalidenversicherung (IV)
- Ergänzungsleistungen (EL)
- Unfallversicherung (UVG)
- Krankenversicherung (KVG)
- Militärversicherung (MVG)
- Erwerbsersatzordnung (EO)
- Arbeitslosenversicherung (ALV)
- Berufliche Vorsorge (BVG)
- Familienzulagen (FAK)
Tendenz
Wirtschaftliche Betrachtungsweise für den Entscheid, ob eine Person selbständig oder unselbständig ist.
Bedeutung für die Unterscheidung Selbständig- und Unselbständigerwerbende
Auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht werden Kriterien verwendet:
- Unternehmerrisiko
- Beachtliche Investitionen
- Handeln in eigenem Namen und auf eigene Rechnung
- Tätigkeit in eigenen Geschäftsräumen
- Inkasso- und Delkredere-Risiko
- Verlusttragung
- Abhängigkeitsverhältnis
- Weisungsrecht
- Pflicht zur persönlichen Aufgabenerfüllung
- Konkurrenzverbot
Praxis des Eidg. Versicherungsgerichtes
Der Tendenz entsprechend, vgl. BGE 122 V 283
Weiterführende Informationen
Literatur
- Zur Scheinselbständigkeit
- GEISER THOMAS / MÜLLER ROLAND / PÄRLI KURT, SJL, Arbeitsrecht in der Schweiz, 4. Auflage, Zürich 2019, Rz 134a ff. und Rz 300
- GERBER SIMON, Die Scheinselbständigkeit im Rahmen des Einzelarbeitsvertrages, Motive – Abgrenzung – Erscheinungsformen – Rechtsfolgen, Diss. St. Gallen 2002, 203 ff. und 286
- KUNZ LAURA, Schwarzarbeit aus sozialversicherungsrechtlicher Perspektive – Unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Arbeitgeberin, Zürich / St. Gallen 2020, S. 37 ff.
- HÖSLI ALWIN, Schwarzarbeit, Ursachen, Formen, Zusammenhänge und Wirkungen illegaler Beschäftigung sowie Vorschläge zu deren substantieller Bekämpfung, Diss. Zürich 2002, Schriften zum schweizerischen Arbeitsrecht SSA, Heft 54, Bern 2002, 90 ff., welcher darauf hinweist, dass unselbständig erwerbende der Schutz der AHV verwehrt ist
Judikatur
- Zur Scheinselbständigkeit
- BGE 143 V 177, Erw. 4.2
- BGE 9C_377/2015 vom 22.10.2015
- BGE 118 II 157, Erw. 4, m.w.H.
Link
Tipp an Auftraggeber
Unklare sozialversicherungsrechtliche Einstufung des freien Mitarbeiters bei Mandatserteilung:
- Empfehlung 1: Alternativregelung
- Auftraggeber
- liefert für Beauftragten Beiträge ab
- rechnet sogar für den Beauftragten Beiträge ab.
- Auftraggeber
- Empfehlung 2: Präventionslösung
- Von Beauftragten wird für die Begründung der Zusammenarbeit der Einsatz einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (AG oder GmbH verlangt
- Vgl. Problemlösende Gestaltung