Zur Hauptaufgabe des Rechtsschutzversicherers zählt die Kostenübernahme für einen Rechtsfall des Versicherten, namentlich die Prozesskosten.
Form der Kostenübernahme
Die Zusicherung des Rechtsschutzversicherers zur Kostenübernahme erfolgt in Form einer sog. Kostengutsprache.
Kostengutsprache-Grundsätze
Die Grundsätze zur Kostengutsprache sind:
- Legitimation nur des Versicherten, eine Kostengutsprache zu verlangen
- Gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Kostengutsprache
- Rechtsbehelf: Feststellungsklage
- Vgl. ferner
- BGE 119 II 371
- ZR 97 (1998) Nr. 43, Erw. 4a
- Pra 83 (1994) Nr. 228
- Absenz einer Aussichtslosigkeit
- Vorweg-Prüfung, ob Kostengutsprache-Anspruch dem Grundsatze nach besteht
- Vgl. BGE 119 II 371
- Versicherter Rechtsstreit darf nicht aussichtslos sein
- Befürwortung intakter Prozessaussichten durch Rechtsschutzversicherer
- > Kostengutsprache
- Geltendmachung der Aussichtslosigkeit durch Versicherer
- > Deckungsablehnung
- Versicherter macht prozessual Zusprechung der Kostengutsprache geltend
- Gericht entscheidet aufgrund des Versicherungsvertrages und der AVB, ob für den konkreten Fall Aussichtslosigkeit besteht oder nicht
- Vgl. BGE 119 II 371
- Befürwortung intakter Prozessaussichten durch Rechtsschutzversicherer
- Vorweg-Prüfung, ob Kostengutsprache-Anspruch dem Grundsatze nach besteht
- Verfahrensabschnittsweise Kostengutsprachen
- = übliche Praxis der Rechtsschutzversicherer
- Denkbare Kostengutsprache-Etappen
- Aussergerichtliche Geltendmachung
- Prüfung der Chancen und Risiken sowie der Kostenfolgen einer gerichtlichen Geltendmachung
- erstinstanzliche Geltendmachung
- Rechtsmittelverfahren
- Mit der Anerkennung einer ersten Kostengutsprache-Etappe anerkennt der Rechtsschutzversicherer dem Grundsatz nach auch seine Leistungspflicht für nachfolgende Verfahrens-Etappen; vorbehalten bleibt das Verweigerungsrecht des Versicherers für nachfolgende Verfahrensabschnitte, wenn die Kostengutsprache-Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.
- Rechtsnatur
- Keine gesetzliche Regelung der Kostengutsprache
- Abgabe der Kostengutsprache nur an den Versicherten
- Versicherter bleibt alleiniger Auftraggeber und Honorarschuldner des Anwalts
- Versicherer und Anwalt stehen in keinem Rechtsverhältnis
- Abgabe der Kostengutsprache (auch) an den Anwalt
- In der Rechtslehre umstritten
- Direkte Stellvertretung [OR 32]
- Versicherter Schuldner des Anwaltshonorars
- Vertrag zugunsten des Anwalts als Dritten
- Individuelle Beurteilung
- Beauftragung durch wen (Versicherer, Versicherter oder beide)?
- Vollmachtsunterzeichnung durch wen?
- Schuldübernahme des Versicherers
- Annahme, dass der Versicherer mit der an den Anwalt adressierten Kostengutsprache die (Honorar-)Schuldpflicht übernehme und den Versicherten davon befreie
- 3 Varianten sind denkbar:
- Mandatierung des Anwalts durch den Versicherer in eigenem Namen und auf eigene Rechnung
- Mandatierung des Anwalts durch den Versicherer als indirekter Stellvertreter, unter Schuldübernahme
- Mandatierung des Anwalts durch den Versicherer im Rahmen eines echten Vertrags zugunsten des Dritten (Versicherten), welcher dem Anwalt schliesslich als Rechtsinhaber Vollmacht erteilt
- Schuldbeitritt des Versicherers
- Annahme, dass der Versicherer mit der an den Anwalt gerichteten Kostengutsprache der (Honorar-)Schuldpflicht beitritt (sog. kumulative Schuldübernahme)
- Anwalt müsste für eine Alleinschuldnerschaft des Versicherers seinen Klienten, den Versicherten, ausdrücklich aus der Schuldpflicht entlassen.
- U.E. die zutreffendste Beurteilung
- Direkte Stellvertretung [OR 32]
- Relevanz für den Versicherten und für seinen Rechtsanwalt
- Sichere Verfügbarkeit der Geldmittel für Prozessführung
- Wer ist Honorarschuldner, der Versicherte oder der Versicherer?
- Bei alleiniger Honorarschuld-Pflicht des Versicherten besteht für den Anwalt ein Bonitätsrisiko
- In der Rechtslehre umstritten
- Kostengutsprache nur gegenüber Versichertem
- Alleiniger Honorarschuldner ist der Versicherte
- Der Rechtsschutzversicherter steht weder in einem Rechts-, noch Schuldverhältnis zum Anwalt
- Siehe „Rechtsnatur“ oben
- Kostengutsprache gegenüber Rechtsanwalt
- (Honorar-)Schuldpflicht des Rechtsschutzversicherers
- a.M. ZR 97 (1998) Nr. 43 Erw. 4a (> Anspruch aus Kostengutsprache steht nur dem Versicherten zu)
- Kostengutsprache der Rechtsschutzversicherungsgesellschaft gegenüber dem Rechtsanwalt begründet deren Schuldbeitritt zur Honorarschuld des Versicherten (= solidarische Haftung zusammen mit dem Versicherten nach OR 143 Abs. 1) [vgl. hiezu ZR 87 (1988) Nr. 53 S. 133]
- = indirekte Honorar-Sicherung
- Schuldpflicht des Versicherten
- Schuldbefreiung des ehemals mandatierenden Versicherten braucht ausdrückliche Befreiungserklärung des Anwalts
- Anders nur, wenn der Versicherer von Beginn weg den Anwalt in eigenem Namen und auf Rechnung mandatierte
- Siehe „Rechtsnatur“ oben
- (Honorar-)Schuldpflicht des Rechtsschutzversicherers
- Versicherter als Honorarschuldner
- Ohne Befreiung von der Schuldpflicht durch den Anwalt bleibt der ehemals mandatierende Versicherte immer (Honorar-)Schuldner.
- Siehe „Rechtsnatur“ oben
Kostengutsprache-Beschränkung
Eine Beschränkung der Kostengutsprache ist zulässig.
Der Rechtsschutzversicherer kann die Kostengutsprache wie folgt begrenzen:
- Auf die Abklärung der Sach- und Rechtslage
- Rechtsschutzversicherer kann mit einer solchen Etappierung das Vorgehen strukturieren und die Kosten limitieren:
- Erfolgschancen-Abklärung
- Abschätzung weiterer Interventionsmassnahmen
- Bei Aussichtslosigkeit wird der Rechtsschutzversicherer weitere Leistungen verweigern
- Rechtsschutzversicherer kann mit einer solchen Etappierung das Vorgehen strukturieren und die Kosten limitieren:
- auf die Abklärung der Sach- und Rechtslage samt Beurteilung eines aussergerichtlichen Vorgehens
- aktive Geltendmachung des Anspruchs bei der Gegenpartei des Klienten, mit dem Ziel einer gütlichen Einigung (sog. aussergerichtlicher Vergleich)
- auf einzelne Abschnitte der Rechtsverfolgung (vgl. BGE 119 II 368, Erw. 7a)
- zB bis und mit Schlichtungsverfahren
- zB Einwendungs- oder Einspracheverfahren
- auf einzelne Verfahrensschritte
- zB Gerichtsverfahren
- Kostengutsprache-Ausstellung pro Instanzenzug
- Ziel dieser Beschränkung: Ermittlung der Erfolgschancen eines allfälligen Rechtsmittels im Unterliegensfalle
- Kostengutsprache-Ausstellung pro Instanzenzug
- zB Sozialversicherungsrechtliche Verfahren in Bezug auf die Interventionsmöglichkeiten des Versicherten
- Wahrung des rechtlichen Gehörs
- Invalidenversicherungs-Einwandverfahren
- Unfallversicherungs-Einspracheverfahren
- zB Prozess-Stufenfolgen
- zB Gerichtsverfahren
- auf eine bestimmte Betragshöhe
- zB CHF 5‘000, u.U. gar verbunden mit der Beschränkung auf einen Verfahrensschritt
- etc.
Kostengutsprache-Erweiterung
Das Nachsuchen um Erweiterung von Kostengutsprachen obliegt dem Versicherten bzw. seinem Anwalt als sein Stellvertreter.
Kostengutsprache-Erweiterungen werden von Rechtsschutzversicherern meistens nur gewährt, wenn sich die in Aussicht genommenen Massnahmen nicht als aussichtslos erweisen.
Eine weitere Möglichkeit des Rechtsschutzversicherers in diesem Schadenabwicklungsstadium ist folgende alternative Streitbeilegung:
- Auskauf des Anspruchs des Versicherten bei der Gegenpartei zu einem um das Prozessrisiko reduzierten Betrag
Keine Einholung von Verjährungseinredeverzichtserklärungen gegenüber dem Rechtsschutzversicherer
Manchmal können Rechtsstreitigkeiten Jahre dauern, sodass zB eine letztinstanzliche Beurteilung eines Anspruchs oder einer Abwehr lange nach der Fallmeldung (Schadenanzeige) erfolgt.
- Eine Anerkennung der Leistungspflicht für aussergerichtliche Leistungen bzw. Kosten bewirkt eine grundsätzliche Anerkennung der Kostentragungspflicht auch für nachfolgende Massnahmen (vgl. BGE 119 II 368, Erw. 7a).
Rahmenvertrag zwischen Rechtsschutzversicherer und Vertrauensanwälten
Alle Rechtsschutzversicherer pflegen zu einer gewissen Anzahl Vertrauensanwälte Kontakt:
Grundlage für die Kontakt und den versicherungsseitigen Vorschlag eines freiberuflichen Anwalts bildet in der Regel eine sog. „Rahmenvereinbarung“:
- Grundsätzliche Zulässigkeit
- Mit Fokus auf das Berufsrecht (BGFA) sind solche Rahmenverträge grundsätzlich nicht zu beanstanden
- Voraussetzungen
- Keine Beeinträchtigung der freien Anwaltswahl
- Vorrang der Interessen des Klienten vor jenen des Rechtsschutzversicherers
- Kenntnis des Klienten, dass zwischen Rechtsschutzversicherer und Anwalt ein Rahmenvertrag besteht und, dass sich der Anwalt verpflichtet hat, die Führung und Abrechnung des Rechtsschutzfalles nach den Regeln des Rahmenvertrages abzuwickeln
- Verpflichtung des Anwalts, den Klienten in einem Streit mit dem Rechtsschutzversicherer nicht zu vertreten.
Im Einzelnen:
- Abwicklung
- Prozedere gemäss Rahmenvertrag
- Inhalt
- Mandatsführung
- Abrechnung von Rechtsschutzfällen
- Unaufgeforderte Information über die Fallentwicklung
- Wahrung der Klienten-Interessen
- Vorrang der Klienten-Interessen vor jenen des Rechtsschutzversicherers
- Keine Verletzung von Berufspflichtigen des Anwalts gegenüber Staat und Behörden
- Beachtung der anwaltlichen Berufsregeln
- Keine Unbedenklichkeit
- Rahmenvereinbarungs-Klausel betreffend kostenlose Ausübung des Akteneinsichtsrechts bei Straf- und Verwaltungsbehörden
- Rahmenvereinbarungs-Klausel betreffend Weitergabe von Unterlagen an den Rechtsschutzversicherer
- Entbindung des Berufsgeheimnisses erforderlich
- Verletzung der Pflicht zur Schaffung klarer Rechtsverhältnisse
- Akteinsichtnahme in einem Fall durch den Anwalt, obwohl der Rechtsschutzversicherer den Fall selber führt.
Weiterführende Informationen
Honoraransatz des Rechtsanwalts
- In der Regel erkundigt sich der Rechtsschutzversicherer beim Anwalt nach dessen Stundenansatz und gibt die interne Stundenansatz-Vorgaben bekannt
- Im Einigungsfall folgt die Kostengutsprache
- Bei Nichteinigung in der Honorarfrage sind 2 Varianten üblich:
- Versicherter und / oder Versicherer suchen einen anderen, den vorgegebenen Honoraransatz akzeptierenden Anwalt
- „Honorar-Teilung“
- Versicherer bezahlt Honorar auf Basis des „Vorgabe-Ansatzes“
- Versicherter tilgt den überschiessenden Honorarteil des Anwalts
Kostengutsprachevereinbarung zwischen Versicherer und Anwalt
- Neue Branchen-Tendenz
- Keine Rechtsnatur-Diskussion
- Schaffung klarer (Honorar-)Verhältnisse, keine nachträglichen Honorar-Obergrenzen uam
- Vertretungsvollmacht folgt jedenfalls vom Versicherten, weil dieser Anspruchsinhaber ist
Verjährung
- Kostengutsprachen bzw. die daraus resultierenden Anwaltshonorare verjähren nicht nach der 2-jährigen Frist von VVG 46, sondern nach der 5-jährigen Verjährungsfrist für Honorarschulden [vgl. OR 128 Ziffer 3; ZR 97 (1998) Nr. 43, Erw. 5]
Literatur
- Allgemein
- FELLMANN WALTER, Kostengutsprache und Rahmenvereinbarung – juristische Qualifikation und berufliche Schranken, S. 65 ff, in: Walter Fellmann (Hrsg.), Weiterbildung Recht, Rechtsschutzversicherung und Anwalt, Tagung vom 04.04.2017 in Luzern, Bern 2017
- Rechtsnatur der Kostengutsprache
- ARNET CHRISTOPH, Umgang mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus Sicht des Rechtsschutzversicherers, S. 1 ff, in: Walter Fellmann (Hrsg.), Weiterbildung Recht, Rechtsschutzversicherung und Anwalt, Tagung vom 04.04.2017 in Luzern, Bern 2017, S. 16 ff., insbesondere S. 41 f.
- Keine Solidarhaftung, aber auch keine Annahme einer Haftungsentlassung des Versicherungsnehmers durch den Anwalt
- GROLIMUND PASCAL, Die Rechtsschutzversicherung in der Schweiz – eine Tour d’Horizon, in: Versicherungsbranche im Wandel, Chancen und Risiken einer Neubesinnung, Liber amicorum für Moritz W. Kuhn zum 65. Geburtstag, Bern 2009, S. 399 ff., insbesondere S. 350
- Wahrung des rechtlichen Gehörs für den Kunden + Akteneinsicht als wichtiges Vertretungselement auch in Rechtsschutzversicherungs-Mandaten
- JÖRGER ANDREAS, Aktenführungspflicht und Modalitäten der Akteneinsichtnahme im Verwaltungsverfahrensrecht, in: AnwaltsRevue 11/12, S. 479 ff.
- Rahmenvertrag Rechtsschutzversicherer ./. Vertrauensanwälte
- FELLMANN WALTER, Kostengutsprache und Rahmenvereinbarung – juristische Qualifikation und berufliche Schranken, S. 65 ff, in: Walter Fellmann (Hrsg.), Weiterbildung Recht, Rechtsschutzversicherung und Anwalt, Tagung vom 04.04.2017 in Luzern, Bern 2017, insbesondere S. 68 f.
Judikatur
- BGE 129 III 710
- BGE 119 II 368, Erw. 7a