Der Rücktritt vom Werkvertrag aufgrund verzögerter Ausführungen wird durch folgende „Gesetzmässigkeiten“ bestimmt:
Definition
Definition Anlass
- Ausführungsverzögerung = nicht rechtzeitiger oder verzögerter Ausführungsbeginn oder vorhersehbare nicht rechtzeitige Vollendung des Werkes, begründet Recht zum Vertragsrücktritt vor Eintritt des Ablieferungstermins
Definition Massnahme
- Recht des Bestellers auf vorzeitigen Vertragsrücktritt nach OR 366 Abs. 1
Grundlage
- OR 366
- OR 366 Abs. 1 (Rücktritt)
- OR 366 Abs. 2 (Ersatzvornahme)
Rechtsfolgen von OR 366 Abs. 1 und Abs. 2
- „Die Rechtsfolgen von Abs. 1 (Rücktritt) und Abs. 2 (Ersatzvornahme) können nicht alternativ Platz greifen, obwohl der engere Tatbestand von Abs. 1 im weiteren Tatbestand von Abs. 2 aufgeht. Die Abs. 1 und 2 bilden also eigene Tatbestände mit eigenen (sich z.T. überschneidenden) Voraussetzungen und eigenen (nicht austauschbaren) Rechtsfolgen (…).“ (ZINDEL GAUDENZ / PULVER URS, BSK, N 4 zu OR 366)
Anwendungsbereich des Verzögerungsrücktritts
Generell
- alle Typen von Werkverträgen
- Anwendbarkeit auch im Falle der Werkablieferung in Teilen, wenn sich die Ablieferung eines (dem letzten vorangehenden) Werkteils verzögert
Analoge Anwendung
- Nicht rechtzeitiger Beginn oder verzögerte Ausführung der Unternehmer-Nachbesserung
Voraussetzungen
Herstellungsverzug
- Unternehmerverspätung mit der geschuldeten Leistung oder Vorhersehbarkeit einer Ausführungsverzögerung vor Eintritt des Ablieferungstermins des Werks
- Ohne vertraglich vorgeschriebenen Ausführungsbeginn ist der Unternehmer frei mit
- Beginn der Ausführung
- Einteilung der Ausführung
- Raschheit der Ausführung
- Vertragswidrige Verzögerung
- Bauprogramm gemäss SIA-Norm 118 Art. 93
- Massgeblichkeit bei ausdrücklicher Anwendbarkeitserklärung im Werkvertrag
- Bauprogramm gemäss SIA-Norm 118 Art. 93
- Unvermeidlich verspätete Werkvollendung
- Besteller-Nachweis nach erfolgloser Nachfristansetzung
- Voraussehbarkeit und Kriterien (in der Lehre umstritten)
- zB Tatbestand nur bei Vereinbarung eines bestimmten Verfalltags
- zB analoge Anwendung, wenn nicht ein Vollendungstermin, sondern ein Zwischen- oder Ablieferungstermin nicht eingehalten werden kann
- Ohne vertraglich vorgeschriebenen Ausführungsbeginn ist der Unternehmer frei mit
kein Besteller-Verschulden
Ergänzung durch die allgemeinen Verzugsbestimmungen (in OR 366 nicht erwähnt, aber anerkannt)
- (erfolglose) Mahnung (OR 102 Abs. 1)
- Ausnahmen
- Verfalltagsvereinbarung (OR 102 Abs. 2)
- Erübrigung einer Mahnung, da sich ein solche zum Vornherein sich als nutzlos erweis (BGE 4C.77/2005)
- Mahnung vor Ersatzvornahme
- Ausnahmen
- Unternehmer ist nicht in der Lage, den Mangel zu beheben
- Anlass zur Annahme, dass sich die Situation nicht ändern werde (BGE 97 II 64)
- Ausnahmen
- Ausnahmen
- (erfolglose) Nachfristansetzung (OR 107 Abs. 1)
- vgl. BGE 115 II 50, Erw. 2a = Pra 1989, 893
- angemessene Frist
- Beurteilung nach objektiven und subjektiven Grundsätzen
- Unternehmer hat auch bei einer zu kurzen Frist unter Beschleunigung die Werkausführung fortzusetzen und innert der über die zu kurze Frist hinausgehenden, aber angemessenen Frist fertigzustellen
- BGE 4A_603/2009
- BGE 116 II 440
- 105 II 34
- BGE 91 II 351
- BGE 46 II 251
Rücktrittserklärung vom Vertrage
Rechtsnatur des Rücktrittsrechts
- Recht, nicht Pflicht
Rechtsnatur der Erklärung
- Gestaltungserklärung
Funktion
- Bestellerrücktritts-Möglichkeit
Zweckmässigkeit des Rücktritts?
- Ob eine Nutzung des Rücktrittsrechts vorteilhaft ist, muss im individuell konkreten Einzelfall geprüft werden!
Ausübung des Rücktrittsrechts
- Rücktrittserklärung
Rücktrittserklärung / Anforderungen
- empfangsbedürftige (einseitige) Erklärung
- Unwiderruflichkeit
- Bedingungsfeindlichkeit
Rechtsfolgen
Rechtsfolgen nach OR 366 Abs. 1
- Vertragsauflösung
- Rückabwicklung (Zug um Zug, OR 82)
- Rückerstattung bereits erfolgter Werklohnzahlungen samt Zins
- Allfällige Werkrückgabe mit dem ev. daraus gezogenen Nutzen
- Rückgabe des vom Besteller gelieferten Stoffes, soweit möglich
- Alternative bei Vorhandensein der Voraussetzungen
- Ersatz des durch die Vertragsauflösung entstandenen Schadens
- Exkulpationsbeweis des Unternehmers möglich, dass die Werkausführungs-Verzögerung nicht auf sein Verschulden zurückzuführen ist
- Beweislast des Bestellers
- Der Besteller trägt die Beweislast, dass der Unternehmer das Werk nicht mehr rechtzeitig wird herstellen können
Rechtsfolgen nach SIA-Norm 118 Art. 92 – 98
- Anwendungsvoraussetzung
- Unterstellung des Werkvertragsverhältnisses durch ausdrückliche Parteiabrede unter die SIA-Norm 118
- Anwendbare Normen
- 92 – 98 von SIA-Norm 118
- Unternehmerfreundliche Normen
- Regelungsbereich
- Bauprogramm (Art. 93 Abs. 2 SIA-Norm 118)
- Für Verbindlichkeit des Bauprogramms mit Angaben zum zeitlichen Fortschritt der Arbeiten nur bei ausdrücklicher Vereinbarung
- Neue Frist nach Verzögerung (Art. 94 Abs. 2 SIA-Norm 118)
- Nach einer Ausführungsverzögerung ist eine neue Frist zu vereinbaren
- Bauherren-Rücktrittsrecht (Art. 107 – 109 SIA-Norm 118)
- Bauherren-Rücktrittsrecht, sofern der Unternehmer keine Fristerstreckung im Rahmen von Art. 96 SIA-Norm 118 beanspruchen
- Konventionalstrafe (Art. 98 Abs. 2 SIA-Norm 118)
- Eine Konventionalstrafe ist nach dieser Norm nur geschuldet, wenn der Unternehmer Anspruch auf Fristerstreckung hat
- Konventionalstrafen-Anrechnung (Art. 98 Abs. 3 SIA-Norm 118)
- Anspruch des Unternehmers, dass eine Konventionalstrafen-Zahlung auf eine zu leistende Schadenersatzzahlung anzurechnen ist
- Bauprogramm (Art. 93 Abs. 2 SIA-Norm 118)
Weitere Detailinformationen
Art. 366 OR
3. Rechtzeitige Vornahme und vertragsgemässe Ausführung der Arbeit
1 Beginnt der Unternehmer das Werk nicht rechtzeitig oder verzögert er die Ausführung in vertragswidriger Weise oder ist er damit ohne Schuld des Bestellers so sehr im Rückstande, dass die rechtzeitige Vollendung nicht mehr vorauszusehen ist, so kann der Besteller, ohne den Lieferungstermin abzuwarten, vom Vertrage zurücktreten.
2 Lässt sich während der Ausführung des Werkes eine mangelhafte oder sonst vertragswidrige Erstellung durch Verschulden des Unternehmers bestimmt voraussehen, so kann ihm der Besteller eine angemessene Frist zur Abhilfe ansetzen oder ansetzen lassen mit der Androhung, dass im Unterlassungsfalle die Verbesserung oder die Fortführung des Werkes auf Gefahr und Kosten des Unternehmers einem Dritten übertragen werde.
» Weiterführende Informationen unter Besteller-Mängelrechte-Ersatzvornahme