Die Leistungsstörungen bei der Home Office-Arbeit folgt nachgenannten Gesetzmässigkeiten:
Definition
- Home Office-Leistungsstörung = verunmöglichte oder verspätete Ausführung einer Arbeit von zu Hause aus
Grundlagen
- Risikosphäre Arbeitgeber
- OR 324 (Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei Annahmeverzug)
- OR 324 i.V.m. OR 326 Abs. 4 (Betriebsrisiko, d.h. Arbeitgeber trägt Risiko bei Störungen im Ablauf des von ihm geführten Betriebs)
- Risikosphäre Arbeitnehmer
- Kann der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, unterschuldet die Leistung nicht erbringen, trifft den Arbeitgeber – wenn auch befristet – eine beschränkte Lohnfortzahlungspflicht (vgl. OR 324a Abs. 1)
Unmöglichkeit der Home office-Leistungserbringung und Betriebsrisiko
- Betriebsrisiko des Arbeitgebers
- Auch wenn der Arbeitnehmer selbst für die erforderliche Infrastruktur besorgt ist, organisiert der Arbeitgeber in der Home Office-Weise seinen Betrieb
- Verantwortung des Arbeitgebers
- Unabhängig vom Arbeitsort trägt der Arbeitgeber die Verantwortung (Arbeitsausfall, Lohnfortzahlung usw.) für Betriebsablauf-Störungen, welche keine Partei zu verantworten hat
- Der relativ zwingende Charakter von OR 324 schliesst es aus, dass das arbeitgeberseitige Betriebsrisiko auf den Arbeitnehmer überbunden wird; eine Risikoverlagerungsabrede ist daher nichtig und entfaltet keine Wirkungen (vgl. OR 362 Abs. 2)
- Verantwortung des Arbeitnehmers
- Hat der Arbeitnehmer das Leistungshindernis alleine selbst zu verantworten, steht ihm ausnahmsweise kein Lohn zu (vgl. DOMENIG PASCAL, a.a.O., S. 197, Rz 653)
Rechtsfolgen
- Lohnfortzahlungspflicht
- Grundsatz
- Pflicht des Arbeitgebers, zur Entrichtung von Lohn und Sozialzulagen, wie wenn der Arbeitnehmer die Arbeit erledigt hätte (vgl. OR 324 Abs. 1)
- Grundlage
- OR 324
- Quantitativ
- Anrechnungspflicht von
- Aufwendungen, die Arbeitnehmer infolge Arbeitsverhinderung ersparte
- anderweitigem Erwerbseinkommen
- absichtlich unterlassener Erzielung von Erwerbseinkommen
- Vgl. OR 324 Abs. 2
- Anrechnungspflicht von
- Beweislast
- Arbeitgeber (vgl. BGE 96 II 52 ff., BGE 78 II 441 ff.)
- Grundsatz
- Pflicht zur Arbeitsleitung im Betrieb zu leisten
- Grundsatz
- Pflicht des Arbeitnehmer temporär im Betrieb des Arbeitgebers zu arbeiten, bis das Leistungshindernis im Home Office behoben ist
- Grundlage
- OR 321a
- Rechtsnatur
- Treuepflicht des Arbeitnehmers
- Home Office-Arbeitsvertrag
- Es empfiehlt sich, im HOA-Arbeitsvertrag zu verabreden, dass der Arbeitnehmer im Falle von Home Office-Betriebsstörungen in der Betriebsstätte des Arbeitgebers eingesetzt werden darf
- Grundsatz
- Pflicht zur Nachleistung ausgefallener Arbeitszeit?
- Grundsatz
- Keine Pflicht zur Arbeitszeitnachholung
- Der Arbeitnehmer kann gemäss OR 324 Abs. 1 nicht verpflichtet werden, ausgefallene Arbeitszeit zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen
- Keine Pflicht zur Arbeitszeitnachholung
- Ausnahmen
- Treuepflicht
- Je nach den konkreten Verhältnissen gebietet es die Treue- und Beistandspflicht, dass der Arbeitnehmer – auch angesichts der flexiblen Arbeitszeiten und bei kurzer Leistungsstörung – nachzuleisten
- Nachholungsabrede im HOA-Arbeitsvertrag
- Es ist zulässig, dass Arbeitgeber mit dem HOA-Arbeitnehmer – unter Beachtung des Arbeitsgesetzes (vgl. ArG 11) – eine beschränkte Verlegung der Arbeitszeit verabredet
- Treuepflicht
- Lohnfortzahlungspflicht
- Der Arbeitgeber ist trotz ausgefallener Arbeitszeit zur Lohnzahlung verpflichtet
- Bei längerem Unterbruch kann der Arbeitnehmer dem Vorschlag zustimmen, vorübergehend seine Arbeitspflicht zu sistieren und auf den Lohn zu verzichten (DOMENIG PASCAL, a.a.O., S. 201, Rz 664)
- Grundsatz
- Folgerungen
- Organisatorische Vorkehren zur Vermeidung von Leistungshindernissen
- Vorhandensein alternativer Kommunikationskanäle
- Vorhandensein von Ersatzgeräten
- Sorgfältige Wartung
- Aus- und Weiterbildung des HOA-Arbeitnehmers zur Selbsthilfe bei technischen Störungen
- HOA-Arbeitsvertrag oder Home Office-Reglement
- Verbindliche Vorgaben für den Störungsfall
- Störungs-Meldepflicht des Arbeitnehmers
- Verbot privater Nutzung von zur Verfügung gestellten Arbeitsinstrumenten
- Vertragliche Abrede, wonach der Arbeitgeber im Leistungsstörungsfalle bestimmen kann
- Erbringung der Arbeitsleistung in der Betriebsstätte des Arbeitgebers
- Verrichtung anderer Arbeit
- Organisatorische Vorkehren zur Vermeidung von Leistungshindernissen
Gesetzestexte
Art. 324 OR C. Pflichten des Arbeitgebers / III. Lohn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung / 1. bei Annahmeverzug des Arbeitgebers
III. Lohn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung
1. bei Annahmeverzug des Arbeitgebers
1 Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.
2 Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat.
Literatur
- STAEHELIN ADRIAN, Der Arbeitsvertrag, in: Zürcher Kommentar (Art. 319 – 330a OR), Band 5: Obligationenrecht, Teilband V/2c, 4. Auflage, Bern 2013, N 13 zu OR 324
- STREIFF ULLIN / VON KAENEL ADRIAN / RUDOLF ROGER, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, 6. Auflage, Zürich 2012, N 5 zu OR 324
- DOMENIG PASCAL, Homeoffice-Arbeit als besondere Erscheinungsform im Einzelarbeitsverhältnis, Bern 2016, S. 187 ff.
Judikatur
- BGE 124 III 346 ff.
- BGE 114 II 274 ff.
- BGE 96 II 52 ff.
- BGE 78 II 441 ff.