Der Inhalt einer Dienstbarkeit ist in zweierlei Hinsicht beschränkt und gleichwohl versucht das Publikum immer wieder, vor allem bei Gewerbeverbots-Servituten, die Schranken zu umgehen:
- Keine Leistungspflichten
- Grundsatz
- Ausnahme
- Keine Beschränkung der persönlichen Betätigungsfreiheit
- Grundsatz
- Differenzierung einer Beschränkung in dingliche und persönliche Rechte
- Gewerbebeschränkungen
- Zulässig
- Unzulässig
- Gewerbeservitute
- Wirtschaftsservitut
- Bierservitut
- Tankstellenservitut
- Warenhausservitut
Keine Leistungspflichten
Grundsatz
- Keine Leistungspflicht des belasteten Grundeigentümers (für Leistungspflichten aus dem Grundstück ist das Sachenrechtsinstitut der Grundlast zu begründen)
- Keine Leistungspflicht bedeutet nicht, dass der Dienstbarkeitsbelastete bei Abschluss des Dienstbarkeitsvertrags keine „Einräumungsentschädigung“ verlangen darf [vgl. BGE 52 II 38; ZBGR 54 (1973) Nr. 22, S. 237 f.]
Ausnahme
- Nebensächliche Leistungspflichten [vgl. ZGB 730 Abs. 2 und ZGB 741 Abs. 1 und 2]
- Achtung: Ergänzung von Abs. 2 des ZGB 730 im Rahmen der Teilrevision des Sachenrechts 2012 (siehe BGer 5A_997/2021 = Praxis 2022, S. 1147)
- = Realobligation (der jeweilige Dienstbarkeitsbelastete ist zu deren Erbringung verpflichtet)
- Zielperson der nebensächlichen Leistungspflicht kann nur der Dienstbarkeitsbelastete sein
- E contrario kann sich der Dienstbarkeitsberechtigte zu einer Leistung verpflichten, aber nur mit rein obligatorischer Wirkung (diese Leistungspflicht kann nicht Teil des Servitutstextes, d.h. desjenigen Teils der Dienstbarkeit, der beschränkte dingliche Wirkung zukommt (da keine Realobligation auch keine automatische Weiterüberbindung bei einer Rechts- oder Handänderung)
- Die nebensächliche Leistungspflicht soll die Ausübung der Dienstbarkeit
- ermöglichen
- erleichtern
- sichern
- Anwendungsfälle
- zB Unterhaltspflicht an Vorrichtungen
- zB Schneeräumung für Wegrechtsgewährung zu jeder Jahreszeit
Judikatur
- BGer 5A_997/2021 vom 02.06.2022 (strittige Pflicht zur Erstellung eines Weges durch den belasteten Grundeigentümer als gültige Nebenleistung?)
- BGE 124 III 289 (ohne Grundbucheintrag besondere Überbindungsverpflichtung der obligatorischen Vereinbarung an den Rechtsnachfolger)
- BGE 52 II 38
- ZBGR 54 (1973) Nr. 22 S. 237 f.
- BGE 106 II 320 Erw. 2 lit. e
Literatur
- REY HEINZ, N 149 ff. zu ZGB 730
Weiterführende Informationen
Keine Beschränkung der persönlichen Betätigungsfreiheit
Grundsatz
- Es ist nicht zulässig, dass der Dienstbarkeitsbelastete in seiner persönlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt wird [vgl. ZGB 27]
Differenzierung einer Beschränkung in dingliche und persönliche Rechte
- Dienstbarkeit = Eigentumsbeschränkung = eigentlich kein Bezug zur persönlichen Betätigungsfreiheit
- Einschränkung einer Person in ihren persönlichen Rechten kann nur auf vertraglicher und nicht auf dinglicher Basis stattfinden
- Ein Konkurrenzverbot kann daher nur vertraglich (obligatorisch) verabredet und nicht im Grundbuch eingetragen werden
- Vgl. hiezu auch Konkurrenzverbot
Gewerbebeschränkungen
Zulässig
- Dienstbarkeit mit sachenrechtlichem Fokus
- Dienstbarkeit, die den Quartierschutz, den Immissionsschutz und die Wohnhygiene (Haustierverbot) verfolgt
- Enger Sachzusammenhang mit einer bestimmten Grundstücksnutzung
- Quartiercharakter- und Immissionsschutz
- zB Verbot, kein lärmendes, gesundheitswidriges und ekelerregendes Gewerbe zu betreiben [vgl. BGE 88 II 145 ff.
- Tierhaltung
- zB Pflicht zur Unterlassung des Haltens von Haustieren, ausgenommen Kaninchen, Hund und Katze
- zB Tauben-Haltungsverbot
- Vgl. hiezu ZBGR 57 (1976) Nr. 29 S. 145 = SJZ (1976) Nr. 6 S. 14
- Quartiercharakter- und Immissionsschutz
Unzulässig
- Dienstbarkeit mit konkurrenzbeschränkendem Fokus
- Dienstbarkeit soll einem Konkurrenzverbot nicht zur dinglichen Absicherung verhelfen
- Keine Dienstbarkeiten, die irgendwelche Eigenschaften oder Fähigkeiten von Personen verbieten oder verlangen
- zB Verbot, auf dem belasteten Grundstück ein Kolonial-, Mercerie- und Schuhwarengeschäft zu betreiben [vgl. BGE 86 II 243 ff.]
- zB Pflicht zur Führung eines Heimes auf gemeinnütziger Basis und nur zur Aufnahme durchreisender oder stellensuchender Frauen und Mädchen sowie erwerbstätige Töchter und Schülerinnen [vgl. ZBGR 55 (1974) Nr. 43, S. 300]
- zB Pflicht zur Grundstücksverwendung für kirchliche und damit zusammenhängende Zwecke (als Pfarrwohnung und ähnliches) [vgl. ZBGR 64 (1983) Nr. 51 S. 271 f.]
- verbotene Inhalte
- Bezugspflicht bzw. Exklusivlieferrecht
- Pflicht, bestimmte Gewerbe nicht zu betreiben
- Pflicht, ein bestimmtes Gewerbe zu betreiben
- Anwendungsfälle
- Wirtschaftsservitut
- Bierservitut
- Tankstellenservitut
- Tabakwarenservitut
- Kolonialwarenservitut
- Warenhausservitut
- Bäckereiservitut
- Zimmereiservitut
- Siehe nachfolgend unter Gewerbeservitute
Judikatur
- BGE 52 II 38
- ZBGR 54 (1973) Nr. 22 S. 237 f.
- BGE 106 II 320 Erw. 2 lit. e
Literatur
- REY HEINZ, N 149 ff. zu ZGB 730
Weiterführende Informationen
Gewerbeservitute
Gewerbeservitute verbieten die Ausübung bestimmter Gewerbe.
Gewerbebeschränkungen (wie Wirtschaftsservitute, Bierservitute, Tankstellenservitute, Warenhausservitute, Bäckereiservitute, Zimmereiservitute uam.) sind, weil sie in der Regel ohne alleinigen sachenrechtlichen Fokus Konkurrenzbetriebe verhindern wollen, unzulässig. – Verfolgt die Dienstbarkeit demgegenüber sachenrechtliche und damit hehre Ziele wie den Quartier- und Immissionsschutz, so ist sie zulässig.
Weil Gewerbebeschränkungen unerlaubte dingliche Konkurrenzverbote und erlaubte Quartier- und Immissionsschutz-Dienstbarkeiten beinhalten können, ergeben sich Auslegungs-, Abgrenzungs-, Wertungs- und Ermessensfragen. Nachfolgend sollen die Kriterien für die Beurteilung von Zulässigkeit und Unzulässigkeit kurz dargestellt werden:
Wirtschaftsservitut
- Gewerbeverbot auf der belasteten Liegenschaft [vgl. BGE 87 I 311 f.]
- Zulässigkeit mit Blick auf den Immissionsschutz (kann bewusst oder unbewusst zusätzlich ein Konkurrenzverbot-Interesse beinhalten)
- Vgl. STEINAUER PAUL-HENRI, II, N 2217a, ZBGR 5 S. 11, BGE 78 II 26 Erw. 4 = ZBGR 34 S. 34 S. 357 Erw. 4
Bäckereiservitut
- Verbot, eine Bäckerei oder Konditorei zu betreiben
- Konkurrenzverbotsbegründung zulässig, nicht aber durch Begründung einer Dienstbarkeit
- Vgl. BGE 114 II 315 ff.
Bierservitut
- Verpflichtung des Wirtes, als Eigentümer der belasteten Liegenschaft, gegenüber einer bestimmten Brauerei, auf der Wirtshausliegenschaft nur deren Bier auszuschenken, gilt als Beschränkung der persönlichen Freiheit und damit als unzulässig
- Vgl. LIVER PETER, N 116 f. zu ZGB 730, REY HEINZ, N 93 ff. zu ZGB 730, LIVER PETER, N 114 zu ZGB 730, REY HEINZ, N 95 zu ZGB 730 und LIVER PETER, N 131 zu ZGB 730
Tankstellenservitut
- 1) Verpflichtung des belasteten Grundeigentümers auf seinem Grundstück nur die Tankstelleneinrichtung der berechtigten Erdölgesellschaft zu dulden und 2) keine Treibstofftankanlagen anderer Anbieter zu installieren und 3) keine anderen Treibstoffe als diejenigen des berechtigten Unternehmens zu verkaufen
- Teile 1) und 2) zulässig, Teil 3) unzulässig, weil nicht eine Sachnutzungsbeschränkung, sondern Beschränkung der persönlichen Freiheit des belasteten Eigentümers
- Vgl. LIVER PETER, N 133 f. zu ZGB 730, REY HEINZ, N 102 ff. zu ZGB 730, HUBER HANS, Bericht des Notariatsinspektorates des Kantons Zürich 1951, in: ZBGR 33 S. 150
Warenhausservitut
- Verbot des Betriebs eines Kolonial-, Mercerie- oder Schuhwarengeschäfts oder Warenhauses / keine stärkeren Immissionen als andere Detailhandelsgeschäfte
- Vgl. BJM 1984,S. 281 Ziffer 2; LIVER PETER, N 132 zu ZGB 730; PIOTET PAUL, SPR V/1, S. 551 ff.; REY HEINZ, N 85 ff. zu ZGB 730
Gewerbebetriebsverbot
- Verbot jedes Gewerbebetriebes mit Ausnahme einer Zimmerei
- Konkurrenzverbotsbegründung zulässig, nicht aber durch Begründung einer Dienstbarkeit
- Vgl. BGE 5A.171/2008
Judikatur
- BGE 93 II 295
- BGE 108 II 43
Literatur
- SCHMID JÜRG, Dienstbarkeitsrecht im Wandel, in: ZBGR 84 (2003) 269 ff.
- STEINAUER PAUL-HENRI, Les droits réels, Bd. II, 4. Auflage, Bern 2012, N 2217a
- SCHMID-TSCHIRREN CHRISTINA, Gewerbe- und konkurrenzbeschränkende Dienstbarkeiten – kein Abrücken des Bundesgerichts von seiner bisherigen Praxis, Jusletter vom 06.07.2009