Terminus „Leitungsrecht“
Der Begriff „Leitungsrecht“ ist ein Oberbegriff, der abgesehen vom grundsätzlichen Dienstbarkeitsinhalt nichts aussagt.
Gesetzliches Leitungsrecht
Die „Leitungen“ sind in ZGB 676 gesetzlich geregelt:
- Ver- und Entsorgungs-Leitungen ausserhalb des dienenden Grundstücks gehören zum Werk [ZGB 676 Abs. 1] (= Ausnahmeregelung vom Akzessionsprinzip für Leitungen)
- Leitungen zL des fremden Grundstücks, auf die das Nachbarrecht nicht Anwendung findet, nur durch Dienstbarkeitserrichtung [ZGB 676 Abs. 2]
- Äusserliche wahrnehmbare Leitungen: Dienstbarkeit ohne Grundbucheintrag, mit der Leitungserstellung [ZGB 676 Abs. 3, Satz 1]
- Nicht äusserlich wahrnehmbare Leitungen: Dienstbarkeitsentstehung mit Grundbucheintrag [ZGB 676 Abs. 3, Satz 2]
Art. 676 ZGB
4. Leitungen
1 Leitungen zur Versorgung und Entsorgung, die sich ausserhalb des Grundstücks befinden, dem sie dienen, gehören, wo es nicht anders geordnet ist, dem Eigentümer des Werks und zum Werk, von dem sie ausgehen oder dem sie zugeführt werden.
2 Soweit nicht das Nachbarrecht Anwendung findet, erfolgt die dingliche Belastung der fremden Grundstücke mit solchen Leitungen durch die Errichtung einer Dienstbarkeit.
3 Die Dienstbarkeit entsteht mit der Erstellung der Leitung, wenn diese äusserlich wahrnehmbar ist. Andernfalls entsteht sie mit der Eintragung in das Grundbuch.
Leitungsrechts-Arten
Will man genau wissen, welche Rechte und Pflichten der Dienstbarkeitsberechtigte und der Dienstbarkeitsbelastete haben, muss unterschieden werden in:
Leitungsbaurecht
- Dienstbarkeitsberechtigter
- Recht auf das Bauen und Fortbestehenlassen
- Dienstbarkeitsbelasteter
- Dulden des Baus einer Leitung
Durchleitungsrecht
- Dienstbarkeitsberechtigter
- Recht auf Anschluss an die Leitung des Belasteten und Durchleitung
- Dienstbarkeitsbelasteter
- Dulden der Durchleitung eines Mediums durch seine Leitung
Kombination von Leitungsbau- und Durchleitungsrecht
- Anwendungsfälle
- „Kaskadenleitungen“ (wie Wegrecht) bei Reiheneinfamilienhäusern
- Leitung durch fremden Boden / Anschluss des Belasteten
- Berechtigter darf die Leitung durch das Grundstück des Belasteten bauen, wobei der Belastete an die (Entsorgungs-)Leitung des Berechtigten anschliessen und sein Medium durch dessen Leitung (ab)leiten darf
- Leitung im eigenen Boden / Anschluss des Berechtigten
- Berechtigter darf eine Anschlussleitung durch das Grundstück des Belasteten bis zu dessen eigener (Entsorgungs-)Leitung bauen, anschliessen und sein Medium durch die Leitung des Belasteten (ab)leiten darf
Die richtige Formulierung im Dienstbarkeitsvertrag und die korrekte Qualifikation der Art des Leitungsrechts zeitigt rechtliche und finanzielle Folgen bei der Leitungsverlegung:
- Zurverfügungstellung der Ersatzstrecke
- Verlegungskosten
- Baukosten
- Kosten von Rekultivierung und Landschaden
- ggf. Änderung Leitungskataster durch Geometer
Im Rechtsalltag wird dieser wesentlichen Unterscheidung nicht oder zu wenig Rechnung getragen! Selbst in Auflagen von Baubewilligungen sind falsch verwendete Begrifflichkeiten anzutreffen.
Detail-Erläuterung
Anstelle einer Wiederholung der einschlägigen Erläuterungen wird verwiesen auf:
- Leitungsbaurecht
- siehe Baurecht/Leitungsbaurecht
- Durchleitungsrecht
- Siehe nachfolgend, unter Durchleitungsrecht
Weiterführende Informationen
Judikatur
- BGE 1C_565/2014 vom 11.05.2015