Der Berechtigte hat nur (aber immerhin) das Recht, seine Baute auf seinem Grundstück in Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands (sofern und soweit das kantonale Einführungsgesetz [EGzZGB] ein solchen vorsieht) näher an die Grenze zu stellen.
Funktion
- Beschränktes dingliches Recht auf einen reduzierten Gebäudeabstand und je nach Situation verminderten Grenzabstand
Bedeutung
- anzutreffen für quartierplanbefreites, verdichtetes Bauen in früheren Jahren (im Kanton Zürich vor Inkraftsetzung des Planungs- und Baugesetzes im Jahre 1975 und entsprechender Anpassung des EGzZGB – privatrechtliche Baufreiheit)
- Die zivilrechtliche Baufreiheit schliesst das Rechtsschutzinteresse dienstbarkeitswilliger Parteien auf Begründung eines Näherbaurechtes nicht aus, besteht doch keine Gewähr dafür, dass der Gesetzgeber nicht wieder ganz oder teilweise zur früheren Regelung zurückkehrt
- Vgl. hiezu
- BEZ 30 (2010) Nr. 14 S. 4 ff
- Gebäudeabstand. Näherbaurechtsvereinbarung. Abrückungserklärung
- BEZ 30 (2010) Nr. 22 S. 41 ff.
- Gebäudeabstand. Näherbaurecht
- BEZ 30 (2010) Nr. 5 S. 17 ff.
- Grenzabstand. Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands
- BEZ 30 (2010) Nr. 9 S. 36 ff.
- Grenzabstand. Näherbaurecht. Rechtswirkungen eines altrechtlichen, projektbezogenen Näherbaurechts. § 270 Abs. 3
- BEZ 30 (2010) Nr. 14 S. 4 ff
Ausgestaltung
Grundlage
- Keine besondere gesetzliche Regelung
- Massgeblichkeit der allgemeinen Bestimmungen von ZGB 730 ff.
- PBG ZH 270 Abs. 3
- PBG ZH 274 Abs. 1 + 2
Begründung
- Öffentliche Beurkundung des Dienstbarkeitsvertrags + Grundbucheintrag
- als Grunddienstbarkeit
Rechte und Pflichten
- Näherbauberechtigter
- Recht auf Unterschreitung des (öffentlich-rechtlichen) Grenzabstands
- Generelles Näherbaurecht
- Projektbezogenes Näherbaurecht
- Recht auf Unterschreitung des (öffentlich-rechtlichen) Grenzabstands
- Näherbaubelasteter
- Unterlassung der Abwehr Näherbaus
Einräumungsentschädigung
- Generelles Grenzbaurecht
- meistens auf Gegenseitigkeit
- Projektbezogenes (Näher- und) Grenzbaurecht
- Entschädigung denkbar / Bemessungskriterien nach verbessertem bzw. entgehendem Nutzwert
Ausübungsentschädigung
- in der Regel keine
Problematik
- Kernzonen
- In Kernzonen ist der Grenzbau oft zugelassen
- Ausserhalb Kernzonen
- Wer zuerst baut, präjudiziert für den Nachbarn gebäudeabstandsbedingt eine (oft unerwünschte) Abrückungspflicht, da der öffentlich-rechtliche Gebäudeabstand aus wohnhygienischen Gründen einzuhalten ist (siehe nachfolgenden Hinweis)
Hinweis
zum gegenseitigen Näherbaurecht
Soll eine Privilegierung des Erstbauenden vermieden werden, haben die Vertragsparteien mit der Einräumung eines gegenseitigen Näherbaurechts eine «Abrückungspflicht» in dem Sinne vorzusehen, dass beide gleichermassen vom gegenseitig eingeräumten Näherbaurecht profitieren können; ansonsten darf der Erstbauende von seinem Recht Gebrauch machen und es kann der nichtbauende Dienstbarkeitsbelastete und -berechtigte die Realisierung der Baute nicht mit dem Argument verhindern, ihm sei wegen öffentlich-rechtlichen Gebäudeabstandsvorschriften die Nutzbarmachung «seines» Näherbaurechts verwehrt.
Judikatur
- BGE 95 II 7
- BGE 103 II 326 ff.
- BGer 5A_955/2022 vom 26.05.2023 = BGE 149 III 400 ff. (Bei einem gegenseitigen Näherbaurecht sind die öffentlich-rechtlichen Gebäudeabstandsvorschriften ebenfalls zu beachten, weshalb nie beide Grundeigentümer vom Dienstbarkeitsrecht profitieren können, ausser es sei etwas anderes oder eine sog. «Abrückungspflicht» vereinbart; andernfalls besteht das Prinzip «first come, first serve)
Literatur
- Allgemein
- SCHÜPBACH SCHMID MAJA, Das Näherbaurecht in der zürcherischen baurechtliche Praxis – Unter Berücksichtigung weiterer, die nachbarliche Zustimmung erfordernder Normen des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich, Diss. Zürich 2000, 170 S.
- MEIER-HAYOZ ARTHUR, BEK, N 20 zu ZGB 674
- Literatur zum gegenseitigen Näherbaurecht
- VALLATI, Dienstbarkeiten und Bauvorhaben, 2021, S. 75 Rz. 160
- HÜRLIMANN-KAUP/HAGI, Einseitiges Grenzbaurecht: Pflichten des Belasteten, BR 2016 S. 341
- SIEGRIST, Tücken im Grenz- und Näherbaurecht, Wohnwirtschaft HEV Aargau Nr. 4/2017 S. 19