Das „Baurecht“ ist in verschiedenen Erscheinungsformen anzutreffen:
Baurecht als irreguläre Personaldienstbarkeit
- Einordnung und Grundsatz
- Das „Baurecht“ des ZGB ist dogmatisch unter die sog. Irregulären Personaldienstbarkeiten (ZGB 779), welche grundsätzlich übertragbar und vererblich sind (vgl. ZGB 779 Abs. 2)
- Abweichung
- dieser Grundsatz ist dispositiver Natur, weshalb das Baurecht auch als unübertragbar und unvererblich errichtet werden kann
- Verselbständigung
- Soll das „Baurecht“ als Grundstück ins Grundbuch aufgenommen werden (ZGB 655 Abs. 3 i.V.m. GBV 22 lit. a Ziff. 1), muss es selbständig und dauernd sein
Selbständiges und dauerndes Baurecht
- Allgemeines
- Für die Errichtung von Bauten auf fremdem Boden, die früher oder später veräussert werden sollen, wird in der Praxis häufig ein selbständiges und dauerndes Baurecht errichtet und das Baurecht als Grundstück im Grundbuch aufgenommen (vgl. ZGB 655 Abs. 3 Ziff. 1 und 2)
- Voraussetzungen
- Selbständigkeit des Rechts
- Übertragbarkeit und Vererblichkeit
- Dauerhaftigkeit des Rechts
- Mindestdauer des Rechts
- 30 Jahre
- Höchstdauer des selbständigen und dauernden Rechts
- 100 Jahre
- Mindestdauer des Rechts
- Selbständigkeit des Rechts
Baurecht als sog. andere Dienstbarkeit im Sinne von ZGB 781
- Allgemeines
- Die sog. „andere Dienstbarkeit“, auch als „irreguläre Dienstbarkeit“ bezeichnet, ist nach den dispositiven gesetzlichen Bestimmungen unübertragbar
- Die Übertragbarkeit kann vertraglich vereinbart werden (ZGB 781 Abs. 2)
- Gegenstand
- Umstritten ist, ob das Baurecht als Irreguläre Dienstbarkeit ausgestaltet werden darf, ist dies doch in zweierlei Hinsicht problematisch
- Führt die Ausgestaltung des Baurechts als andere Dienstbarkeit nach ZGB 781 zur Durchbrechung des Akzessionsprinzips nach ZGB 675 Abs. 1?
- Ist ein Baurecht wegen des Numerus clausus der dinglichen Rechte und der damit einhergehenden Typenfixierung als _Dienstbarkeit nach ZGB 781 ausgestaltbar?
- Umstritten ist, ob das Baurecht als Irreguläre Dienstbarkeit ausgestaltet werden darf, ist dies doch in zweierlei Hinsicht problematisch
- Durchbrechung des Akzessionsprinzips?
- Ohne Durchbrechung des Akzessionsprinzips ist die Baute trotz Dienstbarkeitsbegründung Eigentum des Grundeigentümers (ZGB 667 Abs. 2)
- auch Akzessionsprinzip
- Für Klein- und Infrastrukturbauten von minimalem Ausmass (Elektroverteilerkabine o.ä.) erscheint die fehlende Durchbrechung des Akzessionsprinzips unproblematisch, nicht aber bei Bauwerken die für den unbeschränkten Rechtsverkehr bestimmt sind und hiezu als selbständiges und dauerndes Recht als Grundstück ins Grundbuch aufgenommen werden
- Ohne Durchbrechung des Akzessionsprinzips ist die Baute trotz Dienstbarkeitsbegründung Eigentum des Grundeigentümers (ZGB 667 Abs. 2)
- Zulässigkeit der Ausgestaltung des Baurechts als andere Dienstbarkeit?
- Die Ausgestaltung des Baurechts als andere Dienstbarkeit nach ZGB 781 würde zu einer Umgehung der baurechts-spezifischen Normen des Heimfalls (ZGB 779c ff.), die Haftung für den Baurechtszins (ZGB 779i f.), der Maximaldauer von 100 Jahren führen, was sicherlich vom Gesetzgeber nicht gewollt ist und sich auch durch den Numerus clausus der dinglichen Rechte manifestiert
- auch Typengebundenheit (Numerus clausus)
- Eine Ausgestaltung des Baurechts als Dienstbarkeit nach ZGB 781 ist u.E. abzulehnen
- Die Ausgestaltung des Baurechts als andere Dienstbarkeit nach ZGB 781 würde zu einer Umgehung der baurechts-spezifischen Normen des Heimfalls (ZGB 779c ff.), die Haftung für den Baurechtszins (ZGB 779i f.), der Maximaldauer von 100 Jahren führen, was sicherlich vom Gesetzgeber nicht gewollt ist und sich auch durch den Numerus clausus der dinglichen Rechte manifestiert
Baurecht als Grunddienstbarkeit
- „Einfaches“ Baurecht (nicht selbständig und nicht „dauernd“)
- Praxissituation
- Obwohl die Ausgestaltung des Baurechts a priori als Personaldienstbarkeit vorgesehen ist, gilt es heute als anerkannt, dass ein Baurecht auch als Grunddienstbarkeit errichtet werden kann
- Anwendungsbeispiele
- Bauten von geringem Wert
- Baute mit nachbarschaftlichem Bezug (zB Grenzmauer)
- Elektroverteiler einer Energie- oder Solargemeinschaft
- etc.
- Weitere Detailinformationen
- Praxissituation
- Überbaurecht
- Praxissituation
- Für (über- oder unterirdisch) ins Nachbargrundstück überragende Bauten wird – zur Durchbrechung des Akzessionsprinzips (ZGB 667 Abs. 3) bzw. damit sie nicht Bestandteil des Nachbargrundstücks werden und nicht Eigentum des Nachbarn sind – ein Überbaurecht begründet
- Unterschiede
- Errichtungsvoraussetzungen
- s+d BR: baulich und funktional eigenständige Baute
- Überbaurecht: baulich und funktional von der Baute auf dem begünstigten Grundstück abhängige Teilbaute
- Zerstörungsfolgen
- s+d BR: kein Untergang des Baurechts
- Überbaurecht: Untergang des Baurechts
- Anwendungsbeispiele
- Unterniveaugaragen
- Altstadtbauten mit teilweise überragenden Geschossteilen
- Transformatorenstationen
- Brunnen
- etc.
- Weitere Detailinformationen
- auch Überbaurecht
- Errichtungsvoraussetzungen
- Praxissituation
Eigentümer-Baurecht
- Definition
- Errichtung einer Dienstbarkeit, bei der der Dienstbarkeitsberechtigte und der Eigentümer der belasteten Liegenschaft die gleiche Person sind
- Parteiverhältnisse
- Bauberechtigter ist gleichzeitig Eigentümer des belasteten Grundstücks
- Falls das Baurecht als Grunddienstbarkeit
- Bauberechtigter ist gleichzeitig Eigentümer des belasteten Grundstücks
- Arten von Eigentümer-Baurechten
- Eigentümer-Baurecht als Personaldienstbarkeit
- Eigentümer-Baurecht als Personaldienstbarkeit, welche selbständig und dauernd ist und das Baurecht als Grundstück ins Grundbuch aufgenommen wird
- Eigentümer-Baurecht als Grunddienstbarkeit
- Eigentümer-Baurecht als Personaldienstbarkeit
- Form
- Seit der Sachenrechtsnovelle bedarf auch die Errichtung eines Eigentümer-Baurechts der öffentlichen Beurkundung
- Vor der Sachenrechtsnovelle genügte eine (schriftliche) Grundbuchanmeldung mit den massgebenden Baurechtselementen
- auch https://law.ch/lawinfo/dienstbarkeit/errichtung/form
- Errichtungszeitpunkt
- Ursprüngliches Eigentümer-Baurecht: Errichtung vor Bauerstellung
- Vorteil
- Die Konditionen sind im Voraus klar bestimmt und der Endnutzer erwirbt das Baurecht fix als Grundstückkäufer
- Nachteil
- Die vorausbestimmte Baurechtsausgestaltung führt dazu, dass das BR nicht veräussert werden kann oder die Bedingungen angepasst werden müssen
- Nachträgliches Eigentümer-Baurecht: Errichtung nach Erstellung der Baute
- Ein Anwendungsfall ist nach Gesetzgeber (ZGB 779f) der vorzeitige Heimfall (Übertragung des Baurechts „auf sich selber“)
- Vorteil
- Ursprüngliches Eigentümer-Baurecht: Errichtung vor Bauerstellung
Literatur
- HITZ FLURINA, Das Baurecht als selbständiges und dauerndes Recht: Konstruktion aus dinglichen und obligatorischen Rechtspositionen, Diss. Zürich 2017, S. 47 ff.
- ISLER PETER, Der Baurechtsvertrag und seine Ausgestaltung, Bern 1973, S. 99 ff.
- FREIMÜLLER HANS-ULRICH, Die Stellung der Baurechtsdienstbarkeit im System der dinglichen Rechte, Diss. Bern 1967 (ASR 380), S. 31
Judikatur
- Selbständigkeit des Baurechts
- BGE 133 III 311, Erw. 4.2.2
- Dauerhaftigkeit des Baurechts
- BGE 115 II 213, Erw. 4
- BGE 87 I 311, Erw. 2
Weiterführende Informationen
- Gesetzliche Ausgestaltung
- Errichtung
- Rechtsgrund
- Form | dienstbarkeit
- Grundbucheintrag
- Arten des Baurechts