Damit ein Grundeigentümer ein Notleitungs-Anspruch gemäss ZGB 691 Abs. 1 besitzt (sog. nachbarrechtliches Durchleitungsrecht), haben folgende Voraussetzungen erstellt zu sein:
Kein Enteignungsanspruch
- Keine Situation , wo der der das Notleitungsrecht beanspruchende Eigentümer die Enteignung verlangen könnte [vgl. ZGB 691 Abs. 2]
- siehe unten
Durchleitungsnotwendigkeit
- Leitung lässt sich ohne Inanspruchnahme des zu belastenden Grundstücks gar nicht oder nur mit unverhältnismässigen Kosten realisieren
Abwägung der Parteiinteressen
- Beurteilung der Frage, ob die Kosten unverhältnismässig sind
- Nicht genügend, bloss den Wert der Leitung zu ermitteln
- Vergleich von Belastung, die für den Eigentümer, der gezwungen ist, die Durchleitung durch sein Grundstück zu gestatten, durch die Dienstbarkeitserrichtung entsteht, mit dem Nutzen zu vergleichen, den der Eigentümer des Nachbargrundstücks daraus zieht
- Interessenabwägung vorstehender Parteiinteressen durch den Richter
- Entscheid des Richters, ob
- der Eigentümer die Durchleitung über sein Grundstück dulden muss, oder, ob
- dem Eigentümer, der die Leitungsdurchführung verlangt, eine andere Lösung vorzuschreiben ist
- Vgl. BGE 5A_413/2009 vom 02.02.2010 = Pra 12/2010, Nr. 139, S. 913 ff.
- Entscheid des Richters, ob
Keine Konstitutivwirkung
- Der Dienstbarkeitseintragung gestützt auf das nachbarliche Durchleitungsrecht gemäss ZGB 691 Abs. 3 hat keine Konstitutivwirkung (vgl. BGE 1C_565/2014, Erw. 5)
Enteignungsrechtliche Durchleitungsrechte
Nebst des nachbarlichen Durchleitungsrechts (siehe oben) kann im Sinne einer mittelbaren gesetzlichen Eigentumsbeschränkung ein enteignungsrechtlicher Durchleitungsanspruch bestehen. Dieser Durchleitungsanspruch muss sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen, wie:
- Auf Bundesebene
- Bundesgesetz über die Enteignung (EntG)
- Elektrizitätsgesetz
- Rohrleitungsgesetz
- Wasserrechtsgesetz
- Auf Kantonsebene
- Kantonale Enteignungsgesetze
- Wassernutzungsgesetze
- Landumlegungs-Erlasse
- Erlasse betreffend Bodenverbesserungen
- (Teil-)Erlasse betreffend Quartierplanverfahren (Kantonale Planungs- und Baugesetze)
Art. 691 ZGB
1 Jeder Grundeigentümer ist verpflichtet, die Durchleitung von Röhren und Leitungen zur Versorgung und Entsorgung gegen volle Entschädigung zu gestatten, wenn ein anderes Grundstück sonst nicht oder nur mit unverhältnismässigen Kosten erschlossen werden kann.
2 Das Recht auf Durchleitung aus Nachbarrecht kann in den Fällen nicht beansprucht werden, in denen das kantonale Recht oder das Bundesrecht auf den Weg der Enteignung verweist.
3 Verlangt es der Berechtigte oder der Belastete, so werden die Durchleitungen auf Kosten des Berechtigten als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen. Das Durchleitungsrecht kann einem gutgläubigen Erwerber auch ohne Eintragung entgegengehalten werden.
Weiterführende Informationen
- Dienstbarkeits-Arten
- Entschädigungsansätze für Schächte + erdverlegte Leitungen in Landwirtschaftsland
- Gemeinsame Empfehlungen von: Schweizerischer Bauernverband (SBV), Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), Swisscom Fixnet AG, Verband Schweizerischer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA), Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW)
Judikatur
- Notleitungsrecht
- BGE 5A_413/2009 vom 02.02.2010 = Pra 12/2010, Nr. 139, S. 913 ff.
- Aus der Tragung der Unterhaltskosten durch die Gemeinde kann nicht geschlossen werden, dass die Leitung im Eigentum der Gemeinde stehe
- BGE 1C_565/2014, Erw. 6, vom 11.05.2015
Literatur
- BRÜCKER FRANZ-XAVER, Das nachbarliche Durchleitungsrecht, unter Berücksichtigung von Lehre und Rechtsprechung zum Notwegrecht, zum Überbaurecht und zum Notbrunnenrecht, Diss. Zürich 1991, 276 S.
- HUSER MEINRAD, Leitungen zwischen privatem und öffentlichem Sachenrecht, in: ZBGR 97 (2016) 221 ff.