Sind Vertragsbeendigungsklauseln für den Insolvenzfall zulässig und können Parteien vereinbaren, ob und welche Ansprüche die aufrechtstehende Vertragspartei und die Konkursverwaltung gegenseitig geltend machen können.
Begriff
- Kausel für den Insolvenzfall = Vertragsbeendigungsklausel oder vertragliche Regelung der Entschädigungsfolgen im Konkursfall bzw. Nachlassverfahrensfall
Rechtsgrund
- Diese Klausel ist ein Gestaltungsrecht.
Verbreitung/Bedeutung
- Klauseln zum Insolvenzfall sind bei allumfassenden Verträgen anzutreffen. Es gibt aber keine Studie über die Häufigkeit.
Arten von Klauseln für den Insolvenzfall
- Beispiele für Vertragsklauseln im Zusammenhang mit Insolvenzfällen sind:
- Vertragsbeendigungsklauseln
- Klauseln zur Beendigung im Zusammenhang mit einem (abstrakten) Umstand, der unmittelbar vor der Konkursöffnung besteht
- Klauseln betreffend Regelung der Entschädigungsfolgen im Konkursfall
- Klauseln über die Höhe einer Ersatzforderung des konkursiten Schuldners, sofern und soweit die Konkursmasse nicht schlechtergestellt wird;
- Strafklauseln;
- Entschädigungsklauseln bei Personengesellschaften.
- Rückabwicklungsklauseln
- Verfügungen unter einer auflösenden Bedingung, wonach das Eigentum zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung an den Verfügungsberechtigten zurückfällt;
- Vertragsbeendigungsklauseln
Gültigkeitsvoraussetzung
- Zu beachtende Vertragsklauseln
- Vertragsklauseln, welche eine Vertragsauflösung zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung vorsehen, sind im Konkursverfahren zu beachten,
- sofern sie nach materiellem Recht gültig sind und
- ungeachtet des Ausschlusses des Wahlrechts der Konkursverwaltung nach Art. 211 Abs. 2 SchKG gelten;
- Eine Vereinbarung zwischen den Parteien über die Entschädigung im Konkursfall muss im Konkurs eingehalten werden,
- sofern die Klausel materiell gültig ist.
- Die Klausel gilt aber als ungültig,
- wenn sie als Schenkungsversprechen gemäss SchKG 250 Abs. 2 qualifiziert werden kann;
- wenn sie die Absicht einer Rechtsumgehung verfolgt oder
- wenn sie Gegenstand einer Widerrufsklage sein kann.
- Vertragsklauseln, welche eine Vertragsauflösung zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung vorsehen, sind im Konkursverfahren zu beachten,
- Nichtige Vertragsklauseln
- Die Nichtigkeit der Klausel muss in Betracht gezogen werden, wenn die Konkursmasse im Vergleich zum dispositiven Recht schlechter gestellt wird.
- Das Recht sieht keine Entschädigung vor,
- wenn der Vertrag wegen Konkurses gekündigt wird; daher gilt eine Klausel, welche das Gegenteil vorsieht, unwirksam.
- Wird der Vertrag nicht – vorgängig – gekündigt, ist die aufrechtstehende Partei verpflichtet, den Vertrag zu erfüllen. Sie kann – falls die Konkursverwaltung nicht in den Vertrag eintritt (vgl. SchKG 211) – ihre Forderung im Konkurs anmelden.
Wirkung
- Vertragsauflösung vor Konkurseröffnung
- Für die Beendigung von Verträge vor Eintritt der Konkurseröffnung werden unterschieden:
- Nicht vollständig erfüllter Vertrag
- Rücktritt / Kündigung
- aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung
- eines Umstandes, unmittelbar vor Konkurseröffnung eintritt und der Konkursverwaltung kein Recht mehr gibt, SchKG 211 anzuwenden, wie:
- Versand der Benachrichtigung des Richters infolge Überschuldung;
- aufforderunger Revisionsstelle, den Richter zu benachrichtigen;
- Gesellschaftsbeschluss auf Insolvenzerklärung;
- Eintritt eine Betreibung auf Konkurs;
- Zahlungseinstellung.
- eines Umstandes, unmittelbar vor Konkurseröffnung eintritt und der Konkursverwaltung kein Recht mehr gibt, SchKG 211 anzuwenden, wie:
- gemäss OR 83 Abs. 2, weil die später konkursite Partei dem Begehren auf Sicherstellung nicht nachgekommen ist.
- aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung
- Rücktritt / Kündigung
- Nicht vollständig erfüllter Vertrag
- Für die Beendigung von Verträge vor Eintritt der Konkurseröffnung werden unterschieden:
- Keine Vertragsauflösung vor Konkurseröffnung
- Vertragsklauseln für den Konkursfall gelten dann als ungültig, wenn die Konkursmasse schlechter gestellt wird.
- Es kommt primär darauf an, ob der Gemeinschuldner oder der aufrechtstehende Vertragspartner ganz, teilweise oder noch gar nicht erfüllt haben.
Literatur
- DALLEVES LOUIS, Die Wirkungen des Konkurses auf Verträge, SJK 1003a
- PLENIO MARTIN, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, Diss. St. Gallen, Bern Stuttgart Wien 2003
- SPUHLER KARL, Möglichkeiten eines Konkursverwalters bei zweiseitigen Verträgen, in: Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, Festschrift für Peter Forstmoser, Zürich 2003, 673 ff.
- STAEHELIN DANIEL, Vertragsklauseln für den Insolvenzfall, in: AJP/PJA 4/2004, S. 363 ff.
- WEYDMANN PHILIPP, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, Zürich 1958
Judikatur
- Vertragsbeendigungsklauseln
- BGE 121 III 264
- BGE 110 III 85
- BGE 104 III 90 f.
- Klauseln betreffend Regelung der Entschädigungsfolgen im Konkursfall
- BGE 41 III 136 ff.
- BGE 98 II 359 ff.
- BGE 95 III 52
- BGE 115 III 67
- BGE 111 III 75 f.
- BGE 114 III 111 ff.
- Rückabwicklungsklauseln
Weiterführende Informationen
Verzicht auf Musterklausel
- Angesichts der Kritik an und der Umstrittenheit von automatischen Vertragsverlängerungsklauseln – im B2C-(Konsumentenschutz-)Bereich – wird auf die Wiedergabe einer Muster-Vertragsklausel verzichtet.