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Dienstbarkeit

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Exkurs: Bauprojekte und Dienstbarkeiten

Rechtsgebiet:
Dienstbarkeit
Stichworte:
Dienstbarkeit, Dienstbarkeitsrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Der Einfluss von Dienstbarkeiten auf Bauvorhaben ist vielfältig. Dabei lässt sich von ihrem Wirkungsbereich unterscheiden: 

  • Positive Dienstbarkeit (Dulden)
    • Benutzungsrecht auf der einen Seite und Beschränkung auf der andern Seite
  • Negative Dienstbarkeit (Unterlassen)
    • Beschränkung, ohne direkte Benutzungsrecht am belasteten Grundstück

Die Einschränkungen des eigenen Bauvorhabens können dadurch entstehen, indem eine positive Dienstbarkeit (Dulden) dem Dritten auf dem Areal des geplanten Baugrunds ein Leitungsbaurecht, ein Durchleitungsrecht, das Recht eine Elektroverteilerkabine fortbestehen zu lassen oder ein Fuss- und Fahrwegrecht zu nutzen, gewährt und diese Rechte einer Projektrealisation durch (vorrangige) Belegung der zu überbauenden Stellen bzw. Flächen entgegenstehen. Der Realisation des eigenen Bauvorhabens kann aber auch eine negative Dienstbarkeit (Unterlassen) insofern entgegenstehen, als der dienstbarkeitsberechtigte Nachbar einen Anspruch auf eine Höhenbeschränkung, auf einen grösseren Gebäude- oder Grenzabstand oder gar auf die Einhaltung eines vollständigen Bauverbots hat. Der Dienstbarkeitsberechtigte hat kein direkte Benutzungsrecht auf dem Projektareal, sondern nur, aber immerhin, einen Unterlassungsanspruch.

Bauvorhaben verhindernde Dienstbarkeiten

Nicht selten stehen sie in der einen oder anderen Form einer Projektrealisation sachlich und / oder finanziell entgegenstehen: 

In der Praxis sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zum Beispiel folgende Dienstbarkeiten mit Verhinderungspotential anzutreffen:

  • Bauverbot
    • Bauprojekt lässt sich nicht oder nur teilweise realisieren
  • Baubeschränkung
    • Bauprojekt wird beeinträchtigt oder lässt sich nicht betriebswirtschaftlich sinnvoll umsetzen
  • Näherbaurecht
    • Hat der Nachbar in Ausnutzung des gegenseitigen Näherbaurechts früher gebaut, stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Bauwillige seine Baute aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorgaben (Wohnhygiene / Lichteinfall) zurücksetzen muss
  • Leitungsrecht
    • Eine Leitung quert zB das Bauprofil
  • Durchleitungsrecht
    • Die Leitung des Bauwilligen, muss dem Dienstbarkeitsberechtigten uneingeschränkt zur Verfügung stehen
  • Wegrecht
    • Ein Fuss- und Fahrwegrecht be- oder verhindert die Überbauung
  • Mobilfunkantennen
    • Eine Mobilfunkantennen-Dienstbarkeit verhindert die ganze oder teilweise Aufstockung

Der rechtzeitige Beizug einer Fachperson wie Notar, Rechtsanwalt usw. kann ratsam sein, ebenso die frühzeitige Kontaktnahme mit den Nachbarn.

Dienstbarkeits-Due Diligence

Es ist zu empfehlen, dass Investoren bzw. Bauherren vor dem Immobilienerwerb bzw. vor der Planung ihres Bauvorhabens die Rechte und Pflichten bzw. Lasten aus vorbestandenen Dienstbarkeiten und Grundlasten im Rahmen einer Due Diligence abklären (vgl. Durchführung der Legal Due Diligence | real-estate-due-diligence.ch).

Massgebend sind nicht nur Grundbucheinträge, sondern auch die seit langem gelebten Verhältnisse (Dienstbarkeitsersitzung; vgl. Dienstbarkeitsersitzung).

Nach Erhebung des Dienstbarkeitsbestandes empfiehlt sich die Erstellung eines (zivilrechtlichen) „Lichtraumprofils“, welches Auskunft darüber gibt, wie die vertikalen und horizontalen Baumöglichkeiten nach Dienstbarkeitsbestand sind. Dieses „zivilrechtliche Lichtraumprofil“ ist für die Gesamtbeurteilung über das „zonenkonforme Lichtraumprofil“ zu legen.

Das „zivilrechtliche Lichtraumprofil“ ermöglicht in Bezug auf den Dienstbarkeitsbestand:

  • Eine Bestimmung
    • der dienstbarkeitsbedingt nicht überbaubaren Fläche und
    • der entgehenden Baukubatur resp.
    • des Minderwertes des Baulandes bzw.
    • des Wertes, der für eine Überbaubarkeit dem dienstbarkeitsberechtigen Nachbarn bezahlt werden könnte.
  • Eine Bewertung der bebaubaren Fläche und der möglichen Baukubatur.

Danach wird der Investor entscheiden müssen, ob er trotz der Belastung erwirbt. Der Bauherr wird prüfen, welche „Massnahmen-Optionen“ bestehen und wie er sie angehen will (siehe nachfolgend).

Massnahmen-Optionen

Der Bauwillige kann sich beispielsweise wie folgt an die Reorganisation der Bauprojektfläche machen:

IST-Analyse

  • Projekthemmende Dienstbarkeiten
    • Auslegung
    • Ausbaustand der Infrastrukturanlagen
    • Wo stehen welche Dienstbarkeiten der Projektrealisation entgegen?
      • Verbal der Dienstbarkeits-Lasten
      • Optische Darstellung (Belastungsprofil vs. Lichtraumprofil)
    • Welcher Änderungsbedarf i.w.S. besteht?
    • Zeitpunkt (vor Einreichung des Baugesuchs)?
  • Projektfördernde Dienstbarkeiten
    • Auslegung
    • Ausbaustand der Infrastrukturanlagen
    • Wo können welche Möglichkeit ausgeschöpft werden
      • Verbal der Dienstbarkeits-Rechte
      • Optische Darstellung, sofern möglich
    • Kann noch optimiert werden?
      • zB durch Anpassung des Dienstbarkeitsrechts auf das konkrete Bauprojekt (vielleicht dient dies dem Dienstbarkeitsbelasteten auch oder stört ihn zumindest nicht
    • Zeitpunkt (vor Einreichung des Baugesuchs)?

SOLL-Analyse

  • Löschung
    • ohne Entschädigung
      • Hat der Dienstbarkeitsberechtigter jedes Interesse verloren?
      • Bedeutungslosigkeit der Dienstbarkeit > Löschung durch das Grundbuchamt von Amtes wegen [vgl. ZGB 976]
        • Zeitablauf
        • Tod des Berechtigten einer höchstpersönlichen Dienstbarkeit
        • Fehlende Betroffenheit des Grundstücks infolge örtlicher Belastung einer abparzellierten Fläche
      • Dienstbarkeit hat keine rechtliche Bedeutung mehr > Löschungsantrag des Dienstbarkeitsbelasteten [vgl. ZGB 976a]
    • mit Entschädigung
      • Ist das Interesse des Dienstbarkeitsberechtigten noch vorhanden, aber in unverhältnismässig geringer Bedeutung
    • Keine Löschung
      • Unverändertes Interesse am Dienstbarkeits-Fortbestand
  • Verlegung
    • Verlegungsanspruch des Dienstbarkeitsbelasteten bei Interessennachweis, Gleichwertigkeit der Ersatzvariante und Kostenübernahme [vgl. ZGB 742 Abs. 1]
      • Beurteilung verlangt
        • Interessenabwägung
        • Beachtung des Grundsatzes der schonenden Rechtsausübung
      • Schranken hinsichtlich des sich verweigernden Berechtigten
        • Grundsatz der Proportionalität
        • Rechtmissbrauchsverbot
        • Verbot des Handelns wider Treu und Glauben
    • Vorbehalten bleiben andere Verlegungs-Abreden im Dienstbarkeitsvertrag
    • Einzelheiten vide Verlegung
  • Einvernehmliche Änderung
    • Änderung der Dienstbarkeit (qualitativ [Reduktion der Beschränkungsintensität], quantitativ [räumliche Reduktion oder Änderung der Belastungsfläche] oder zeitlich [Einführung einer Befristung, Verkürzung oder Verlängerung]
    • mit oder ohne Entschädigung
  • Neubegründung von Dienstbarkeiten
    • zur Herstellung der für eine Baubewilligungserteilung vorausgesetzten Erschliessung
      • Wegrecht (Fuss- und Fahrwegrecht)
    • zur Sicherstellung von Ver- und Entsorgung
      • Leitungsbaurecht
      • Durchleitungsrecht
    • zur optimaleren Ausnutzung
      • Überbaurecht
  • Chancen und Risiken des öffentlichen Planungs- und Baurechts
    • Sondernutzungsplan-Verfahren
      • Grundsätzlich fördert RPG 20 die sog. „Baufreimachung“ von Bauparzellen
      • Die „Baufreimachungsinstrumente“ sind
        • Quartierplan
          • Änderung bestehender oder Begründung neuer Dienstbarkeiten
          • Löschung von Dienstbarkeiten, die durch Quartierplananlagen ersetzt werden (Fuss- und Fahrwegrechte, Leitungsrechte)
          • Ausnahmen: Dienstbarkeiten, die der haushälterischen Bodennutzung dienen [vgl. RPG 1 Abs. 1] und ein überwiegendes Interesse besteht
        • Gestaltungsplan
        • Überbauungsordnung
        • Landumlegung
          • Bebauung ohne Ausnahmebewilligung und Näherbaurecht, sofern und soweit es ein solches noch braucht (zB keine privatrechtliche Abstandvorschriften im EGzZGB)
        • Grenzbereinigung
          • Bebauung ohne Ausnahmebewilligung und Näherbaurecht, sofern und soweit es ein solches noch braucht (zB keine privatrechtliche Abstandvorschriften im EGzZGB)
    • Baubewilligungsverfahren
      • Baupolizeiliche Kognition
        • Privatrechtliche Zufahrts-Sicherung (unbeschränktes Fuss- und Fahrwegrecht)
        • Parzellarordnung
      • Privatrechtlich relevanten Baubeschränkungen
        • Auf dem Zivilweg sind – kantonal unterschiedlich – geltend zu machen
          • Privatrechtliche Bauverbote
          • Villenservitute
          • Aussichtsdienstbarkeiten
        • Vgl. auch Zivilprozess

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