Der Gastaufnahmevertrag vereint den Bewirtungs- und Beherbergungsvertrag unter einem Dach. Die juristischen Einzelheiten werden nachfolgend – zum Teil gesonderte für den Bewirtungsvertrag oder den Beherbergungsvertrag – dargestellt:
Begriff
- Gastaufnahmevertrag = Kombination von Bewirtungs- und Beherbergungsvertrag
- Bewirtungsvertrag = Vertrag zwischen Gast und Gastwirt über Bedienung, Zubereitung und Angebot von Speisen und Getränken, Überlassung eines Sitzplatzes, evtl. Stehplatzes, sowie über die Gewährleistung der Sicherheit des Gastes
- Beherbergungsvertrag = Vertrag zwischen Gast und Gastwirt über die Überlassung und Instandhaltung einer Unterkunft und der Erbringung weiterer mit der Beherbergung verbundenen Dienstleistungen
Grundlagen
- Das Gesetz regelt lediglich die Haftung des Gastwirts für eingebrachte Sachen des Gastes
- OR 487 ff.
- Werden im Voraus gemeinsam von Unterkunft und weitere touristische Dienstleistungen angeboten, liegt ein Pauschalreisevertrag vor
- Es ist das Bundesgesetz über Pauschalreisen (PauRG; SR 944.3) anwendbar
- vgl. Pauschalreiserecht
- In allen anderen Fällen liegt die Grundlage für den Abschluss eines Gastaufnahmevertrages in der Vertragsfreiheit
Abgrenzungen
- Zwischen Bewirtungsvertrag und Kaufvertrag
- Im Gegensatz zum Bewirtungsvertrag enthält der Kauf weder auftragsrechtliche (zB die Bedienung), noch mietrechtliche Bestimmungen (zB Benützung von Geschirr)
- Zwischen Beherbergungsvertrag und Mietvertrag
- Überlassung der Mietsache beim Beherbergungsvertrag in der Regel von kurzer Dauer
- Instandhaltungspflicht der gemieteten Räume bei Beherbergungsvertrag einzig beim Gastgeber
- Gast muss auch kleine Mängel nicht selber beheben
- Zwischen Gastaufnahmevertrag und Verträge über Ferienwohnung
- Bei Verträgen über Ferienwohnungen handelt es sich um Mietverträge
- Auch der Vertrag mit dem Campingplatzbetreiber unterliegt den mietrechtlichen Bestimmungen
- Zwischen Gastaufnahmevertrag und Pauschalreisevertrag
- Werden im Voraus Unterkunft und andere touristische Dienstleistungen gemeinsam angeboten, liegt ein Pauschalreisevertrag (vgl. Pauschalreiserecht) vor
- Halb- oder Vollpension stellen keine andere touristischen Dienstleistungen im Sinne des Pauschalreisegesetzes dar
- Werden im Voraus Unterkunft und andere touristische Dienstleistungen gemeinsam angeboten, liegt ein Pauschalreisevertrag (vgl. Pauschalreiserecht) vor
Rechtsnatur
- Gastaufnahmevertrag
- Beim Gastaufnahmevertrag handelt es sich um einen sog. Innominatkontrakt mixti iuris, der sich aus folgenden Elementen bekannter Nominatverträge zusammensetzt:
- Auftragsrechtliche Elemente
- Werkvertragliche Elemente
- Kaufrechtliche Elemente
- Mietähnliche Elemente
- Beim Gastaufnahmevertrag handelt es sich um einen sog. Innominatkontrakt mixti iuris, der sich aus folgenden Elementen bekannter Nominatverträge zusammensetzt:
- Bewirtungsvertrag
- Auch der Bewirtungsvertrag ist ein sog. Innominatkontrakt mixti iuris, der insbesondere folgende Elemente bekannter Nominatkontrakte enthalten kann:
- Werkvertragliche Elemente
- Falls Speisen oder Getränke individuelle hergestellt
- Kaufvertragliche Elemente
- Falls Speisen und Getränke vor Vertragsschluss hergestellt wurden (ungeachtet dessen, wer die Sachen herstellt)
- Mietvertragliche Elemente
- Benützung von Geschirr und Räumen
- Auftragsrechtliche Elemente
- Bedienung
- Servicekräfte sind Hilfspersonen des Gastwirtes
- Werkvertragliche Elemente
- Auch der Bewirtungsvertrag ist ein sog. Innominatkontrakt mixti iuris, der insbesondere folgende Elemente bekannter Nominatkontrakte enthalten kann:
- Beherbergungsvertrag
- Der Bewirtungsvertrag ist ein sog. Innominatkontrakt mixti iuris, der in der Nähe des Mietvertrages steht und mit weiteren, auftragsähnlichen Dienstleistungen verknüpft ist
- zB Wäscheservice
- zB Rezeption
- zB Housekeeping
- zB Concierge-Dienstleistungen
- usw.
- Der Bewirtungsvertrag ist ein sog. Innominatkontrakt mixti iuris, der in der Nähe des Mietvertrages steht und mit weiteren, auftragsähnlichen Dienstleistungen verknüpft ist
Erscheinungsformen
- Der Gastaufnahmevertrag kann ganz unterschiedlich in Erscheinung treten
- zB Hotelübernachtung mit Frühstück
- zB Übernachtung in SAC-Berghütte
- zB Übernachtung in Bed and Breakfast (B&B)
- zB Schlafen im Stroh
- uam
Zweck
- Der Gastaufnahmevertrag ermöglicht es Gästen, an den unterschiedlichsten Orten der Welt Beherbergung und Bewirtung zu erhalten
Zustandekommen
- Der Gastaufnahmevertrag kommt formfrei zustande (OR 11 Abs. 1)
- In der Regel wird für Abschluss und Änderung des Vertrages die Schriftform vereinbart (OR 16)
- Die Reservationsbestätigung stellt bereits einen Vertragsabschluss dar
- Aufgrund zunehmender Beliebtheit von Online-Booking-Plattformen, werden Verträge in der Regel online, via einer dieser Online-Vermittler mit dem Gastgeber abgeschlossen
- Der Online-Vermittler erhält dabei jeweils eine Provision
Annullation
- Bei Annullation einer Reservation hat der Gast grundsätzlich den vereinbarten Preis (abzüglich ersparter Aufwendungen oder Einnahmen aus Weiterverwendung) zu entrichten
- Annullationsfolgen können auch grosszügiger ausgestaltet werden
- zB Keine Kosten bei Annullation bis 3 Tage vor Anreise
- Die Annullation und Stornierungsbedingungen sind in der Regel durch AGB bestimmt
Rechte/Pflichten
- Gastwirt
- Die Pflichten des Gastwirtes ergeben sich aus der jeweiligen Vereinbarung
- zB Überlassung eines Hotelzimmers
- zB Fachgemässe Zubereitung der bestellten Speisen und Getränke
- zB Angemessene Bedienung
- zB Sorge um die Sicherheit des Gastes
- zB professionelle Rezeption / Concierge
- usw.
- Die Pflichten des Gastwirtes ergeben sich aus der jeweiligen Vereinbarung
- Gast
- Der Gast ist zur Bezahlung des vereinbarten Preises verpflichtet
- Pflicht zur Beachtung der Hausordnung
Leistungsstörungen
- Verzug
- Gast kann vom Vertrag zurücktreten (OR 107 Abs. 2 i.V.m OR 109)
- zB Bestelltes Essen wird nicht gebracht
- Gastwirt kann vom Vertrag zurücktreten, wenn der Gast nicht zum vereinbarten Zeitpunkt erscheint und der Gastwirt nicht über die Verspätung informiert wird
- Gast kann vom Vertrag zurücktreten (OR 107 Abs. 2 i.V.m OR 109)
- Gewährleistung
- Gastwirt haftet analog wie beim Kauf- oder Werkvertrag für die Qualität der aufgetischten Speisen und Getränke
- Gast kann bei schlechter Qualität Wandelung (Rückgabe der mangelhaften Speisen), Minderung des Preises oder Nachlieferung verlangen
- Gastwirt kann Wandelung oder Minderung durch sofortige Ersatzlieferung abwenden
- Wandelung ist auch nach Verzehr möglich
- Qualität richtet sich nach Rang des Gasthauses
- Gastwirt haftet auch für Mangelfolgeschäden
- Haftung für Mängel der überlassenen Räumlichkeiten
- Mängelrechte nach OR 258 Abs. 2 (verweist auf Wahlrechte nach OR 107 ff.)
- Gastwirt haftet analog wie beim Kauf- oder Werkvertrag für die Qualität der aufgetischten Speisen und Getränke
Beendigung
- Bewirtungsvertrag
- Durch Erfüllung
- Rücktritt bei Schlecht- oder Nichterfüllung der vertraglich vereinbarten Pflichten
- Beherbergungsvertrag
- Ablauf der vereinbarten Dauer
- Vorzeitige Beendigung aus wichtigem Grund
- Schlechte Bedienung
- Schlechtes Essen
- Verhalten des Gastes
International
- Grundsatz
- Sind weder Gerichtsstandsklausel noch Rechtswahlklausel vorhanden, bestimmt sich sie Zuständigkeit des Gerichts bzw. das anwendbare Recht nach den für die Schweiz geltenden Kollisionsnormen (Lugano-Übereinkommen und IPRG)
- Zuständiges Gericht
- Gerichtsstandsklausel
- Gerichtsstandsklausel
- Parteien haben die Möglichkeit, den Gerichtsstand frei zu wählen
- Zu beachten ist, dass bei Verträgen mit Konsumenten für Gerichtsstandsklauseln IPRG 114 oder (bei Anwendung des Lugano-Übereinkommen) LugÜ 15 ff. massgebend sind
- Wahl des Gerichtsstandes stark eingeschränkt
- Ohne Gerichtsstandsklausel
- Fehlt eine Gerichtsstandsklausel, richtet sich der Gerichtsstand nach den international einschlägigen Bestimmungen
- Gerichtsstandsklausel
- Internationale Bestimmungen
- LugÜ-Vertragspartner
- Bei Parteien mit Wohnsitz bzw. Sitz im Hoheitsgebiet eines LugÜ Vertragspartner, findet das Lugano-Übereinkommen Anwendung
- Klage am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Partei (LugÜ 2) oder
- Gerichtsstand am Erfüllungsort (LugÜ 5 Abs. 1)
- Bei Parteien mit Wohnsitz bzw. Sitz im Hoheitsgebiet eines LugÜ Vertragspartner, findet das Lugano-Übereinkommen Anwendung
- Nicht LugÜ-Vertragspartner
- Bei Parteien eines Nicht LugÜ-Vertragsstaates finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagen oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort (IPRG 112 Abs. 1) oder
- Gerichtsstand am Erfüllungsort (IPRG 113)
- Bei Parteien eines Nicht LugÜ-Vertragsstaates finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- LugÜ-Vertragspartner
- Gerichtsstandsklausel
- Anwendbares Recht
- Rechtswahlklausel
- Parteien haben die Möglichkeit, das anwendbare Recht frei zu wählen
- Bei Verträgen mit Konsumenten ist eine Rechtswahl ausgeschlossen
- IPRG 120 Abs. 2
- Ohne Rechtswahlklausel
- Bei Fehlen einer Rechtswahlklausel folgt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt
- Engster Zusammenhang
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- IPRG 117 Abs. 1 und 2
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- Charakteristische Leistung
- Der Gastaufnahmevertrag ist eindeutig mit dem Erfüllungsort verknüpft
- Das Recht am Ort der Gaststätte findet Anwendung
- Rechtswahlklausel
Literatur
- Bettoja Luca, Der Gastaufnahmevertrag, Dissertation Zürich 2000, S. 15 ff.
- Peiser Evelyne, Der Bewirtungsvertrag, Dissertation, Basel 1982, S. 3 ff.
- Huguenin Claire, Obligationenrecht – Allgemeiner und Besonderer Teil, 2. Aufl., Zürich 2014, S. 1108 ff.
- Schluep Walter R., Innominatverträge, in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/2, Basel/Genf/München 1979, 928-935
- Müller-Chen Markus/Huguenin Claire/Girsberger Daniel, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl., Vorb 184 ff/ Gastaufnahme- und Freizeitverträge, N 1 ff.