Nicht nur Nominatkontrakte, wie zum Beispiel der Kaufvertrag, der Werkvertrag oder der Auftrag, sondern auch vom Gesetzgeber nicht normierte Vertragstypen (sog. Innominatkontrakte), wie zum Beispiel der Leasingvertrag, der Chartervertrag, der Gastaufnahmevertrag oder der Alleinvertriebsvertrag, haben immer häufiger grenzüberschreitenden Bezug. Der Schweizer Unternehmen least beispielsweise eine Maschine aus Deutschland oder der Schweizer Detailhändler schliesst mit dem italienischen Kaffeehersteller einen Alleinvertriebsvertrag.
Doch trotz wachsender Bedeutung internationaler Innominatkontrakte sind mit wenigen Ausnahmen keine „Sonder-Kollisionsnormen“ vorhanden. Die für die Schweiz geltenden Kollisionsnormen (LugÜ und IPRG) finden entsprechend auf grenzüberschreitende Innominatkontrakte Anwendung. Das LugÜ findet Anwendung, wenn der Beklagte in einem gebundenen Staat (LugÜ-Vertragsstaat) wohnt (LugÜ 2 Abs. 1).
Grundlagen
- Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, LugÜ: SR 0.275.12)
- Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG; SR 291)
Zuständiges Gericht
- Gerichtsstandsklausel
- Mit Gerichtsstandsklausel
- Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, können die Parteien für einen künftigen Rechtsstreit über Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis einen Gerichtsstand vereinbaren
- Bei Verträgen mit Konsumenten gelten besondere Bestimmungen:
- Bei Anwendung des LugÜ
- LugÜ 17
- Bei Anwendung des IPRG
- IPRG 114
- Bei Anwendung des LugÜ
- Ohne Gerichtsstandsklausel
- Fehlt eine Gerichtsstandsklausel, richtet sich der Gerichtsstand nach den international einschlägigen kollisionsrechtlichen Bestimmungen
- Mit Gerichtsstandsklausel
- Internationale kollisionsrechtliche Bestimmungen
- Bei Anwendung des LugÜ
- Das LugÜ kommt dann zur Anwendung, wenn der Beklagte in einem LugÜ-Vertragsstaat wohnt (LugÜ 2 Abs. 1; SR 0.275.12)
- Ein Bezug zu einem weiteren LugÜ-Staat wird nicht vorausgesetzt
- Bei Anwendung des IPRG
- Bei Parteien eines Nicht LugÜ-Vertragsstaates finden die Bestimmungen des internationalen Privatrechts (IPRG; SR 291) nicht nur für die Bestimmung des anwendbaren Rechts, sondern auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- Bei Anwendung des LugÜ
Übersicht: Zuständige Gerichte bei internationalen Innominatkontrakten ohne Gerichtsstandsvereinbarung
Beklagte Partei |
Zuständiges Gericht |
Anwendbare Bestimmung |
---|---|---|
Beklagte wohnt in LugÜ-Staat |
Allgemeine Gerichtsstände Klage am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Person alternativ besondere Gerichtsstände – zB Gerichtsstand am Erfüllungsort Besondere Gerichtsstände Zuständigkeit bei Versicherungs-, Verbraucher und Arbeitsstreitigkeiten Ausschliessliche Zuständigkeiten |
LugÜ 2
LugÜ 5 Abs. 1
LugÜ 8 ff., 15 ff. und 18 ff.
LugÜ 22 |
Partei nicht aus LugÜ-Staat |
Allgemeine Gerichtsstände Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagen oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort alternativ Gerichtsstand am Erfüllungsort Besondere Gerichtsstände Verträge mit Konsumenten |
IPRG 112 Abs. 1
IPRG 113
IPRG 114 |
Anwendbares Recht
- Rechtswahlklausel
- Parteien haben die Möglichkeit, das anwendbare Recht frei zu wählen
- IPRG 116
- Rechtswahlklausel
- Bei Verträgen mit Konsumenten ist eine Rechtswahl ausgeschlossen
- IPRG 120 Abs. 2
- Parteien haben die Möglichkeit, das anwendbare Recht frei zu wählen
- Ohne Rechtswahlklausel
- Bei Fehlen einer Rechtswahlklausel folgt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt
- Engster Zusammenhang
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- IPRG 117 Abs. 1 und 2
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- Charakteristische Leistung i.S.v. IPRG 117
- bei Veräusserungsverträgen
- Die Leistung des Veräusserers
- bei Gebrauchsüberlassungsverträgen
- Die Leistung der Partei, die eine Sache oder ein Recht zum Gebrauch überlässt
- bei Auftrag, Werkvertrag oder ähnlichen Dienstleistungsverträgen
- Die Dienstleistung
- bei Verwahrungsverträgen
- die Leistung des Verwahrers
- bei Garantie- oder Bürgschaftsverträgen
- die Leistung des Garanten oder des Bürgen
- bei Veräusserungsverträgen
Literatur
- AMSTUTZ MARC / WANG MARKUS, in BSK IPRG, 2. Aufl., Basel 2013, Art. 116 N. 1 ff. und Art. 117 N. 1 ff.
- SCHNYDER ANTON K. / GROLIMUND PASCAL, in BSK IPRG. 2. Aufl,. Basel 2013, Art. 1 N 36 ff.
Judikatur
- Zur Anwendung des Lugano-Übereinkommen (LugÜ)