Beim Chartervertrag wird dem Charterer vom Vercharterer ein Transportmittel (in der Regel ein Schiff oder Flugzeug) inkl. der Besatzung für eine Zeit und Reise zur ausschliesslichen Disposition überlassen.
Begriff
- Chartervertrag = Vercharterer überlässt Charterer Transportmittel mit Besatzung und Ausrüstung gegen eine Vergütung
Grundlage
- Die Zulässigkeit Innominatkontrakte abzuschliessen und neue Verträge zu kreieren, liegt in der Vertragsfreiheit
Abgrenzungen
- Zum Beförderungsvertrag
- Charterer garantiert seinem Vertragspartner keine Ortsveränderung
- Charterer entscheidet, welche Personen oder Waren transportiert werden. Er kann das auch jederzeit selber ändern
- Zum Werkvertrag
- Im Gegensatz zum Werkvertrag wird beim Chartervertrag kein eigentlicher Leistungserfolg, sondern ein bestimmtes Tätigwerden des Vercharterers verlangt
- Vgl. Werkvertrag
- Zum Mietrecht
- Keine Gebrauchsüberlassung des gecharterten Transportmittels
- Vercharterer bleibt – im Gegensatz zu einem normalen Vermieter – während der ganzen Zeit unmittelbarer Besitzer des vercharterten Transportmittels
- sog. Wet Lease
- Vercharterer behält während der gesamten Vertragszeit auch die Kontrolle über das Transportmittel
- Vgl. BGE 115 II 108, 109 E. 4a
- Vercharterer bleibt – im Gegensatz zu einem normalen Vermieter – während der ganzen Zeit unmittelbarer Besitzer des vercharterten Transportmittels
- Keine Gebrauchsüberlassung des gecharterten Transportmittels
- Zum Pauschalreisevertrag
- Beim Chartervertrag mangelt es an der Kombination von zwei Hauptreiseleistungen, die in der Regel von einem Reiseveranstalter oder Reisemakler zusammengestellt werden
- BGE 139 III 217, E. 2.1.4
- Beim Chartervertrag mangelt es an der Kombination von zwei Hauptreiseleistungen, die in der Regel von einem Reiseveranstalter oder Reisemakler zusammengestellt werden
Rechtsnatur
- Gesetzliche Regelung nur für Chartervertrag bei der Seeschifffahrt
- Seeschifffahrtsgesetz (SSG) 94
- In den anderen Fällen Innominatvertrag sui generis
- Zwischen Mobiliar-Mietvertrag und Vertrag über Personenbeförderung einzuordnen
- BGE 115 II 108, 111 E. 4c
- BGer. 4A_641/2010 E. 3.2 a.E.
- Zwischen Mobiliar-Mietvertrag und Vertrag über Personenbeförderung einzuordnen
Zweck
- Zweck des Chartervertrages kann sehr unterschiedlich sein
- Transport von Waren
- Urlaub
- Erfüllung eines Beförderungsvertrages eines Dritten
- uam
Erscheinungsformen
- Nach Transportmittel
- Schiffcharter-Vertrag
- Flugzeugcharter-Vertrag
- Carcharter-Vertrag
- Eisenbahncharter-Vertrag
- Etc.
- Nach Kapazität
- Vollchartervertrag
- Bei einem Vollchartervertrag wird das gesamte Schiff gechartert
- Teilcharter / Raumcharter
- Bei einem Teilchartervertrag / Raumcharter wird ein Teil bzw. bestimmter Raum innerhalb des Transportmittels gechartert
- Vollchartervertrag
- Nach Dauer
- Zeitchartervertrag
- Transportmittel wird für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt
- Zeitchartervertrag
- Nach Reiseweg
- Reisecharter
- Transportmittel wird für eine genau definierte Reise gechartert
- Reisecharter
- Nach Parteiverhältnis
- Eigencharter:
- Zweiparteiverhältnis
- Charterer nutzt Transportmittel selbst
- Fremdcharter
- Dreiparteienverhältnis
- Mietcharter: Charterer tritt als Beförderer auf
- Transportcharter: Vercharterer tritt als Beförderer auf
- Dreiparteienverhältnis
- Eigencharter:
Zustandekommen
- Es gilt die Formfreiheit gemäss OR 11
- In der Regel werden die Charterverträge schriftlich, oft unter Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abgeschlossen
Rechte/Pflichten
- Vercharterer
- Transportmittel muss dem Charterer zur freien Disposition übertragen werden
- Besatzungsdienstleistungen müssen erfüllt werden
- Überwachung der Ware muss sichergestellt werden
- Sicherung der Ware
- Entgegennahme von Gütern oder Ablieferung dieser Güter an einem bestimmten Ort (Reisecharter)
- Weitere vertraglich festgelegte Pflichten
- Aufgrund der diversen Erscheinungsformen des Chartervertrages, sind je nach Vertrag viele weitere spezifische Pflichten möglich
- Charterer
- Bezahlung der vertraglich vereinbarten Chartergebühren
- Verzicht Weitergabe des gecharterten Transportmittels an Dritte
- Kontrolle- und Wartungsmassnahmen
- Bezahlung von Betriebsmitteln
- Weitere vertraglich festgelegte Pflichten
- Aufgrund der diversen Erscheinungsformen des Chartervertrages, sind je nach Vertrag auch auf Seite des Charterers viele weitere spezifische Pflichten möglich
Leistungsstörungen
- Allgemein
- Im Falle von Leistungsstörungen kommen – sofern die Folgen der Leistungsstörungen nicht vertraglich geregelt wurden – im Grundsatz die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts zur Anwendung.
- Je nach Leistungsstörung kann sich aber im konkreten Einzelfall auch eine analoge Anwendung einer Bestimmung anbieten, die im besonderen Teil des Obligationenrechts verankert ist
- Leistungsunmöglichkeit
- Hat der Schuldner die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit zu vertreten, richtet sich die Rechtsfolgen nach OR 97 Abs. 1
- Wirkung
- Schadenersatz
- Der Gläubiger kann auch analog zu OR 107 Abs. 2 und 109 vom Vertrag zurücktreten
- Anwendungsfälle
- Vercharterer verkauft bereits vom Charterer reserviertes Transportmittel
- Wirkung
- Ist die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit vom Schuldner nicht zu vertreten, kommt OR 119 zu Anwendung
- Wirkung
- Schuld gilt als erloschen
- Bereits erhaltene Gegenleistungen müssen zurückerstattet werden
- Anwendungsfälle
- Verchartertes Transportmittel wird durch Hurrikan zerstört
- Wirkung
- Hat der Schuldner die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit zu vertreten, richtet sich die Rechtsfolgen nach OR 97 Abs. 1
- Schlechterfüllung
- Mögliche Arten der Schlechterfüllung
- Insbesondere, wenn gechartertes Transportmittel Mängel aufweist
- Haftung für Schlechterfüllung
- Schadenersatz durch Vercharterer nach den allgemeinen vertraglichen Regeln (OR 97 ff.)
- Schadenersatzpflicht
- Der Gläubiger kann auch analog zu OR 107 Abs. 2 und 109 vom Vertrag zurücktreten
- Schadenersatz durch Vercharterer nach den allgemeinen vertraglichen Regeln (OR 97 ff.)
- Mögliche Arten der Schlechterfüllung
- Verzug
- Schuldnerverzug
- Wirkung
- Gläubiger kann beim Verzug des Schuldners gemäss OR 107 Abs. 1 und 109 vom Vertrag zurücktreten oder am Vertrag festhalten und das positive Interesse geltend machen
- Ersatz des Verspätungsschadens (OR 103)
- Anwendungsfall
- Gechartertes Schiff liegt am vereinbarten Tag nicht im vereinbarten Hafen
- Charterer bezahlt vertraglich vereinbarter Charterpreis nicht rechtzeitig und wird vom Vercharterer gemahnt
- Wirkung
- Gläubigerverzug
- Wirkung
- Der Schuldner kann nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug vom Vertrag zurücktreten und die Rechte gemäss OR 107 Abs. 2 geltend machen
- Positives oder negatives Vertragsinteresse geltend machen
- Der Schuldner kann nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug vom Vertrag zurücktreten und die Rechte gemäss OR 107 Abs. 2 geltend machen
- Anwendungsfall
- Charter holt am vereinbarten Tag, das im korrekten Hafen liegende Schiff nicht ab
- Wirkung
- Schuldnerverzug
Beendigung
- Beendigung nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Dauer
- Beim Zeitchartervertrag muss das Transportmittel für die Beendigung des Vertrages wieder an dem Ort sein, wo es gechartert wurde
- Ansonsten verlängert sich der Vertrag bis zur erfolgten Rückkehr des Transportmittels in den vereinbarten Hafen
- Chartervertrag kann nicht analog zum Auftrag gemäss OR 404 jederzeit aufgelöst werden
International
- In den meisten Fällen – insbesondere bei Charterverträgen über grosse Transportmittel für den internationalen Warentransport – werden bei Charterverträgen sowohl der Gerichtsstand als auch das anwendbare Recht zum Voraus festgelegt
- Sollten Gerichtsstands- und oder Rechtswahlklauseln fehlen, kommen die folgenden kollisionsrechtlichen Bestimmungen (LugÜ und IPRG) zum Tragen
Literatur
- WIEDE ANDREAS, Reiserecht: Schweizer Handbuch zu den Verträgen über Reiseleistungen, Zürich 2014, S. 111 ff.
- HOCHSTRASSER MICHAEL, Der Beförderungsvertrag: die Beförderung von Personen und Gütern nach schweizerischem Recht und im Vergleich mit ausgewählten internationalen Übereinkommen, Habil.-Schrift, Zürich 2015, S. 288 ff.
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