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Arbeitsrecht

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Fürsorgepflicht

Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht
Stichworte:
Arbeitsrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Begriff

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Allgemeinen ist im Gesetz nicht geregelt. Sie kann jedoch beschrieben werden als die Pflicht des Arbeitgebers die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers zu wahren und zu schützen. Es handelt sich hauptsächlich um Unterlassungspflichten; der Arbeitgeber hat alles zu unterlassen, was die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers schädigen könnte.

Im Folgenden wird auf die wichtigsten Pflichten eingegangen:

Persönlichkeitsschutz

Gemäss OR 328 Abs. 1 hat der Arbeitgeber die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf deren Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Der Arbeitgeber hat alle ungerechtfertigten Eingriffe in die Persönlichkeitsgüter (Leben, physische und psychische Integrität, Freiheit, Ehre und Privatsphäre) des Arbeitnehmers zu unterlassen. Darunter fallen:

Freizeit, Ferien und Urlaub

Freizeit

Gemäss OR 329 Abs. 1 hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jede Woche einen freien Tag zu gewähren, in der Regel der Sonntag. Es besteht kein Anspruch auf die Fünftagewoche.

Dem Arbeitnehmer sind im Übrigen die üblichen freien Stunden und Tage zu gewähren. Als übrige Freizeit kommen in Betracht:

  • Feiertage
  • Wichtige persönliche Angelegenheiten (z.B. Geburt eines Kindes, Hochzeit, Wohnungswechsel, Prüfungen usw., aber nur wenn eine Verlegung in die normale Freizeit nicht möglich ist.)
  • Stellensuche (i.d.R. ein halber Tag pro Woche). 

Ferien

Gemäss OR 329a Abs. 1 hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedes Jahr wenigstens vier Wochen, bis zum vollendeten 20. Altersjahr fünf Wochen Ferien zu gewähren. Gemäss Abs. 2 sind für ein unvollständiges Dienstjahr die Ferien pro rata temporis zu gewähren.

Der Zeitpunkt der Ferien wird grundsätzlich vom Arbeitgeber bestimmt, dieser hat aber auf die Wünsche des Angestellten Rücksicht zu nehmen (OR 329c Abs. 2). Die Ferien sind in der Regel im Verlauf des betreffenden Dienstjahres zu gewähren und wenigstens zwei Wochen müssen zusammenhängen. Zudem sind folgende Punkte zu erwähnen:

  • Kürzungen: Der Arbeitgeber hat gemäss OR 329b Abs. 1 das Recht die Ferien (um 1/12) zu kürzen, wenn der Arbeitnehmer durch sein Verschulden während eines Dienstjahres um mehr als einen Monat an der Arbeitsleistung verhindert ist. Dies gilt auch für Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten usw., jedoch mit geringerer Kürzung (ein Monat pro Dienstjahr fällt bei der Berechnung ausser Betracht (vgl. Abs. 2))
  • Lohn: Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenden Lohn zu entrichten (OR 329d Abs. 1). Ferner dürfen die Ferien während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen ersetzt werden (vgl. OR 329d Abs. 2). Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bezogene Ferien sind auszuzahlen. 

Urlaub

Darunter fallen der Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit (OR 329e) und der Mutterschaftsurlaub (OR 329f). 

Vermögensschutz

Der Arbeitgeber hat auch Pflichten, die dem Schutz des Vermögens des Arbeitnehmers dienen.

  • Arbeitsgeräte und Material
  • Auslagen (Spesen)

Arbeitsgeräte und Material

Der Arbeitgeber hat gemäss OR 327 Abs. 1 den Arbeitnehmer mit den Geräten und dem Material auszurüsten, die dieser zur Arbeit benötigt, sofern nichts anderes vereinbart ist.

Im Arbeitsvertrag kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer eigene Geräte (Mobiltelefon, Computer/Laptop etc.) verwendet (Bring Your Own Device; BYOD). BYOD-Lösungen haben den Vorteil, dass der Arbeitnehmer mit ihm vertraute Geräten und Software arbeiten kann. Sie bergen aber auch Risiken, insbesondere im Bereich der Datensicherheit (Verlust oder Diebstahl des Gerätes, Hackerangriffe etc.). Im Arbeitsvertrag ist die Abgeltung der Verwendung der Geräte des Arbeitnehmers zu regeln. Die Software auf privaten Computern und Laptops ist oft nur für den privaten nicht aber den geschäftlichen Gebrauch lizenziert. Die Verwendung solcher Software für geschäftliche Zwecke des Arbeitgebers verletzt diese Softwarelizenzen. Der Arbeitgeber sollte deshalb für die Kosten für Softwarelizenzen für den Geschäftsgebrauch aufkommen.

Auslagen (Spesen)

Gemäss OR 327a Abs. 1 hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstandenen Auslagen zu ersetzen. Dazu gehören z.B.:

  • Aufwendungen für Dienstfahrten
  • Unterkunft an einem auswärtigen Arbeitsort
  • Auswärtige Verpflegung
  • Weiterbildungen sind nur zu ersetzen, wenn diese vom Arbeitgeber angeordnet wurden.

Nicht darunter fallen hingegen die Fahrkosten zum üblichen Arbeitsort und die Kosten eines allfälligen Umzugs.

Datenschutz

Die Pflichten des Arbeitgebers, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen, beinhalten auch eine Datenschutzpflicht.

Gleichstellung der Geschlechter

Gemäss GlG 3 dürfen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt (Diskriminierung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit) noch indirekt (Diskriminierung aufgrund einer neutralen Massnahme, welche faktisch ein Geschlecht schlechter stellt) benachteiligt werden.

Zeugnisausstellung und Referenz

Zeugnisausstellung

Laut OR 330a Abs. 1 hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein (schriftliches) Zeugnis, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Grundsätzlich kann jeder Zeit ein Zeugnis verlangt werden. Für ein Zeugnis vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (sog. Zwischenzeugnis) muss jedoch ein berechtigtes Interesse bestehen, so z.B. bei einem neuen Vorgesetzten.

Auf besonderes Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber, zusätzlich oder anstelle eines Zeugnisses, nur eine Arbeitsbestätigung auszustellen (vgl. OR 330a Abs. 2). Es liegt auf der Hand, dass das Zeugnis vollständig, klar und wahr sein muss.

Referenzauskünfte

Der Arbeitgeber ist verpflichtet Dritten auf ihre Anfrage hin Auskünfte über den Arbeitnehmer zu erteilen, sofern dieser seine Einwilligung gegeben hat.

Informationspflicht

Gemäss (neuem) OR 330b hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Namen der Vertragsparteien, das Datum des Arbeitsbeginns, die Funktion des Arbeitnehmers, den Lohn sowie die wöchentliche Arbeitszeit schriftlich zu informieren, wenn das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit oder für mehr als einen Monat eingegangen wurde. Auch allfällige spätere Änderungen oder Ergänzungen sind schriftlich mitzuteilen.

Sanktionen

Bei einer Verletzung der Fürsorgepflicht stehen folgende Mittel zu Verfügung:

  • Kündigung (fristlos nur bei schweren Verletzungen)
  • Verweigerung der Arbeitsleistung (die Arbeitsleistung muss aufgrund der Verletzung unzumutbar werden)
  • Schadenersatz- und Genugtuungspflicht
  • Erfüllungszwang durch Klage.

Eine fristlose Kündigung oder eine Verweigerung der Arbeitsleistung kommen nur in Frage, wenn der Arbeitnehmer die Fürsorgepflichtverletzung des Arbeitgebers klar nachweisen kann. Kann er dies nicht, läuft er Gefahr, dass seine fristlose Kündigung als unberechtigt angesehen wird oder, dass die Verweigerung der Arbeitsleistung als unerlaubtes Fernbleiben von der Arbeit angesehen wird. Beide Situationen bergen für den Arbeitnehmer Schadenersatzrisiken (vgl. OR 337d).

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