Die Zwangsverwertung eines Grundstücks kann auf Grundlage verschiedenen Ursprungs erfolgen:
- Betreibung auf Pfändung
- Betreibung auf Pfandverwertung (i.d.R. ein pfandbelastetes Grundstück)
- Betreibung auf Konkurs
Bei der Grundstückverwertung sind verschiedene Prinzipien zu beachten, die zumindest teilweise Bezüge zu den Dienstbarkeiten haben:
Rangstelle von Dienstbarkeiten
- Dienstbarkeiten haben im Verhältnis zu den Grundpfandrechten und den Vormerkungen eine Rangstelle, entweder zeitlich bestimmt oder gewillkürt (rangliche Vor- oder Nachstellung aufgrund des Verlangens eines Grundpfandgläubigers oder Dienstbarkeitsberechtigten
Überbindungsprinzip
- Unterscheidung nach fälligen und nicht fälligen Krediten
- In der Grundstückverwertung wird bei den Grundpfandschulden unterschieden in:
- Fällige, nicht (an den Ersteigerer) zu überbindende Grundpfandschulden
- Nicht fällige, (an den Ersteigerer) zu überbindende Grundpfandschulden
- Sind die grundpfandversicherten Schulden eben nicht fällig gestellt, werden sie dem Ersteigerer überbunden (sog. Überbindungsprinzip)
- In der Grundstückverwertung wird bei den Grundpfandschulden unterschieden in:
- Bankpraxis
- Heute kündigen die Banken im Verwertungsfalle dem Schuldner alle Grundpfand- und Faustpfandkredite, damit die Schulden nicht an den Erwerber/Eigentümer überbunden werden und die Bank möglicherweise mit dem nächsten zahlungsunfähigen Schuldner konfrontiert wird; bei fällig gestellten Krediten hat der Ersteigerer den Steigerungspreis dem Betreibungsamt zu bezahlen und dieses leitet den Betrag nach Eintritt der Rechtskraft der Verteilungsliste an die Bank weiter
Deckungsprinzip
- Betreibung auf Pfändung und Betreibung auf Pfandverwertung
- Bei der Betreibung auf Pfändung und Pfandverwertung werden die im Range der dinglichen Sicherheit vorgehenden Pfandgläubiger insofern geschützt, als wenn ein nachgehender Gläubiger die Verwertung verlangt und das Gebot des Meistbietenden nach dreimaligem Aufruf den Totalbetrag der im Range der dinglichen Sicherheit vorgehenden pfandgesicherten Forderungen nicht übersteigt, ein Steigerungs-Zuschlag nicht erfolgt (vgl. SchKG 126 und SchKG 156 Abs. 1)
- Konkurs
- Das Deckungsprinzip ist nicht anwendbar (vgl. SchKG 258 Abs. 1)
Doppelaufruf
- Grundlage
- SchKG 142 Abs. 1 und 2 i.V.m. VZG 56 und VZG 104
- Basis des Doppelaufrufs ist der Grundsatz der Alterspriorität (vgl. ZGB 812)
- Die Grundpfandrechte haben nicht nur unter sich eine sog. Rangstelle (Pfandstelle), sondern auch im Verhältnis zu v.a. den Dienstbarkeiten und Grundlasten (je als Lasten), aber auch zu den Vormerkungen
- Doppelaufruf-Fälle
- Ein Doppelaufruf nach Massgabe von SchKG 142 und VZG 104 kommt zum Beispiel in folgenden Fällen in Frage
- Vorrang der älteren Dienstbarkeits-Last
- Vorrang des älteren Pfandrechts
- Ein Doppelaufruf nach Massgabe von SchKG 142 und VZG 104 kommt zum Beispiel in folgenden Fällen in Frage
- Ausnahmen
- Das Prinzip der Alterspriorität ist dispositives Recht
- Der Grundeigentümer kann mit den Berechtigten eine andere Reihenfolge vereinbaren, die im Grundbuch in den Bemerkungen berücksichtigt wird
- Von Gesetzes wegen kann das Altersprioritätsprinzip Abweichungen beinhalten, zB wegen
- System der festen Pfandstellen nach ZGB 813 ff.
- Unmittelbaren gesetzlichen Pfandstellen
- Das Prinzip der Alterspriorität ist dispositives Recht
- Im Range der dinglichen Sicherheit nachgehende Dienstbarkeit
- 1. Aufruf mit Last (Dienstbarkeit)
- Das Grundstück wird zuerst mit der Dienstbarkeit ausgerufen
- Angebot deckt Pfandrecht ab
- Erfolgt ein Angebot, das die Pfandrechte deckt, wird das Grundstück mit der Dienstbarkeit zugeschlagen (vgl. VZG 56 lit. a)
- Angebot deckt Pfandrecht nicht ab
- 2. Aufruf ohne Last (Dienstbarkeit)
- Wird kein Angebot aus der Runde der Gantteilnehmer gestellt, können die Pfandgläubiger ein zweites Ausgebot verlangen, dieses Mal ohne die Dienstbarkeit (vgl. VZG 56 lit. b)
- Höheres Angebot
- Last (Dienstbarkeit) wird im Grundbuch gelöscht + ein allfälliger Überschuss an den Dienstbarkeitsberechtigten ausbezahlt (vgl. SchKG 142 Abs. 3; VZG 56 lit. b)
- Kein höheres Angebot
- Zuschlag an den Meistbietenden des 1. Aufrufs mit der Last (vgl. VZG 56 lit. c)
- Höheres Angebot
- Wird kein Angebot aus der Runde der Gantteilnehmer gestellt, können die Pfandgläubiger ein zweites Ausgebot verlangen, dieses Mal ohne die Dienstbarkeit (vgl. VZG 56 lit. b)
- 2. Aufruf ohne Last (Dienstbarkeit)
- Angebot deckt Pfandrecht ab
- Das Grundstück wird zuerst mit der Dienstbarkeit ausgerufen
- 1. Aufruf mit Last (Dienstbarkeit)
- Weitere Detailinformationen
Literatur
- SCHMID JÖRG / HÜRLIMANN-KAUP BETTINA, Sachenrecht, 5. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2017, S. 488, Rz 1626 ff. + S. 337 ff., Rz 1173
- FRIEDRICH HANS-PETER, Der Rang der Grundstücksrechte, in: ZBGR 58 (1977) S. 321 ff.
- LOOSER MARTIN, Beschränkte dingliche Rechte in der Zwangsvollstreckung, in: AJP 2004, S. 445 ff.
- FEHLMANN ULRICH K., Die Einflüsse des Sachenrechts auf Pfändung und Verwertung, Zürcher Diss., Diessenhofen 1976, S. 79 ff.
- MÖCKLI URS PETER, Das Eigentümergrundpfandrecht, Diss. Bern 2001
Judikatur
- Deckungsprinzip
- BGE 107 III 122 ff., Erw. 1
- Überbindungsprinzip
- —
- Doppelaufruf
- Allgemein / Prinzip des Doppelaufrufs
- BGE 81 III 61 ff.
- BGE 121 III 242 ff.
- Durchführung
- BGE 85 II 474 ff.
- Altersprioritätsprinzip + Vorrang der älteren Dienstbarkeit
- BGE 119 III 32 ff.
- Altersprioritätsprinzip + Vorrang des älteren Pfandrechts
- —
- Alterspriorität als dispositives Recht
- BGE 119 III 32 ff.
- Doppelaufruf-Prinzips auch in Bezug auf die im Grundbuch vorgemerkten persönlichen Rechte
- BGE 43 III 140 ff.
- Allgemein / Prinzip des Doppelaufrufs
- Betreibung auf Konkurs (ohne Deckungsprinzip)
- BGE 118 III 52 ff.
- BGE 72 III 27 ff.