Begriff und praktische Bedeutung
Neben der Trennung als Eheschutz-Massnahme und als Alternative zur Ehescheidung kennt das Gesetz die Möglichkeit der gerichtlichen Ehetrennung. Sie hat jedoch eine sehr geringe praktische Bedeutung, weil für die Regelung der Trennungszeit auch im Uneinigkeitsfall der Eheschutzrichter ausreicht und nach Gewissheit der Zerrüttung der Ehe die Eheleute in aller Regel eine definitive Lösung mittels Ehescheidung vorziehen. Dennoch soll hier das Rechtsinstitut der Ehetrennung kurz umrissen werden.
Gesetzliche Grundlagen
- ZGB 117 – 118
- ZPO 294
Zweck
Die gerichtliche Ehetrennung ist für Ehegatten gedacht, die sich aus persönlichen Gründen nicht scheiden lassen wollen. Das Recht, die Scheidung zu verlangen, wird durch das Ehetrennungsurteil allerdings nicht berührt.
Die häufigsten Gründe für eine Ehetrennung und damit gegen eine Scheidung sind:
- religiöse
- altersbedingte
- erbrechtliche
- sozialversicherungsrechtliche
Voraussetzungen
Bei Vorliegen eines Scheidungsgrundes kann auf Antrag der Ehegatten oder eines Ehegatten anstelle der Scheidung die Ehetrennung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit angeordnet werden (ZGB 117).
Die Bestimmungen über die Scheidungsvoraussetzungen (ZGB 111 ff.) sind analog anwendbar. Ehetrennungsvoraussetzungen sind somit:
- Ehetrennung auf gemeinsames Begehren mit umfassender Einigung
- Ehetrennung auf gemeinsames Begehren mit Teileinigung
- Ehetrennungsklage nach zwei Jahren faktischem Getrenntleben
- Vor Ablauf der zweijährigen Trennungsfrist: Ehetrennung infolge Unzumutbarkeit des Zusammenlebens
Dauer
Die Ehetrennung ist auf unbestimmte Zeit auszusprechen. Das Gesetz kennt keine Regelung über die Trennungsdauer. Eine Befristung ist nicht vorgesehen.
Verfahren
Für das Ehetrennungsverfahren verweist das Gesetz auf die Bestimmungen über das Scheidungsverfahren, welche sinngemäss anwendbar sind (ZPO 294 i. V. m. ZPO 274 – 293). Das Ehetrennungsverfahren ist ein ordentlicher Zivilprozess, sodass das Ehetrennungsurteil in formelle und materielle Rechtskraft erwächst.
Folgen
Die Folgen einer Ehetrennung sind:
- Eintritt der Gütertrennung von Gesetzes wegen (rückwirkend auf Zeitpunkt des Ehetrennungsbegehrens)
- Fortbestand der Ehe mit allen Rechten und Pflichten:
- Unterstützungs- und Beistandsflicht
- Elternrechte und -pflichten
- Fortbestand erbrechtlicher Ansprüche
- Fortbestand sozialversicherungsrechtliche Ansprüche
- Pensionskassenansprüche
- AHV-/IV-Witwen-/Witwerrente bei Vorversterben eines Rentner-Ehegatten
Verhältnis zur Scheidung
- Ehetrennungsurteil soll eine spätere Scheidung weder erleichtern noch erschweren
- Recht, die Scheidung zu verlangen, wird durch das Trennungsurteil nicht berührt
- keine Bindung des Scheidungsrichters an die richterlichen Feststellungen im Ehetrennungsurteil über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien
- Anrechnung der Trennungszeit für spätere Scheidung
Beispiel
Wenn die Ehegatten im Zeitpunkt des Ehetrennungsurteils ein Jahr lang getrennt gelebt haben, kann ein Jahr später die Scheidungsklage eingereicht werden (ZGB 114).