Nicht nur in der Geschäftswelt, auch im privaten Bereich löste die E-Mail als elektronischer Brief die traditionelle Briefpost seit langem ab. Neben SMS, WhatsApp und dergleichen, hat sich die E-Mail zum berühmtesten Kommunikationsmittel durchgesetzt.
Begriff
- E-Mail-Vertrag = Vertrag über die Erbringung elektronischer Briefdienstleistung
Grundlage
- Die Zulässigkeit Innominatkontrakte abzuschliessen und neue zu kreieren, liegt in der Vertragsfreiheit
Abgrenzung
- Zum Host-Provider
- Der Host-Provider stellt auf seinem eigenen Server Speicherplatz zur Verfügung
- Vgl. Host-Provider-Vertrag
- zum Access-Provider
- Kern der vom Access-Provider angebotenen Leistung, liegt in der Zugangsvermittlung oder der Zurverfügungstellung der technischen Infrastruktur für die automatische Aufschaltung von Daten und nicht im Angebot von Informationen
- Vgl. Access-Provider-Vertrag
Rechtsnatur
- Innominatkontrakt (mixti generis) in der Art eines Kombinationsvertrages aus folgenden Elementen:
- Werkvertragliche Elemente
- Funktionierender E-Mail-Dienst (Erfolg) geschuldet
- Einrichtung des Accounts
- Entgegennahme und Abspeicherung von Nachrichten
- Versendung der E-Mails innerhalb des providereigenen Netzes
- Provider kann Erfolg versprechen
- Auftragsrechtliche Elemente
- Versand der E-Mails ausserhalb des providereigenen Netzes
- Erfolg von anderen Providern abhängig
- Provider kann Erfolg nicht versprechen, nur sorgfältiges Tätigwerden
- Versand der E-Mails ausserhalb des providereigenen Netzes
- Mietvertragliche Elemente (ähnlich dem Host-Provider-Vertrag)
- Zur Verfügung gestellte Speicherkapazität auf dem Rechner des Providers zur Lagerung der E-Mails
- Werkvertragliche Elemente
- Dauerschuldverhältnis
Technische Voraussetzungen
- E-Mail Kommunikation setzt folgendes voraus:
- Individuellen E-Mail Account
- Speicherplatz auf dem Server des Providers
- Individuelle E-Mail Adresse
- Zur eindeutigen Identifizierung benötigt jeder E-Mail Empfänger eine individuelle E-Mail Adresse
- Individuellen E-Mail Account
Erscheinungsformen
- Web oder Klient-Server basiert
- Web basierter E-Mail Dienst (WebMail)
- Zugriff auf E-Mail-Account von jedem Rechner aus über das Internet möglich
- Zugriff auf E-Mail-Account erfolgt durch Login über die Webseite des jeweiligen Anbieters
- Bekannteste Anbieter sind die folgenden
- Yahoo Mail
- Microsoft Hotmail
- GMail
- GMX
- Klient-Server basierter E-Mail Dienst
- E-Mail-Account wird vom Service Provider (meistens Host-Provider oder Access-Provider) zur Verfügung gestellt
- Setzt Installation eines Programmes auf dem Rechner des Kunden voraus
- E-Mail-Client oder Mail-User-Agent
- Zugriff auf E-Mail-Account in der Regel nur vom Rechner des Kunden aus möglich
- Bekannteste Anbieter
- Microsoft Outlook Express
- Thunderbird
- MailBird
- Web basierter E-Mail Dienst (WebMail)
- Entgeltlich oder unentgeltlich
- Der E-Mail-Dienst kann entgeltlich oder unentgeltlich sein
- Die meisten E-Mail-Dienst-Anbieter haben eine Gratisversion und kostenpflichtige Versionen im Angebot
- Die Unterschiede des kostenpflichtigen Angebots zur Gratisversion liegen oft in folgenden Punkten:
- Mehr Speicherplatz
- Werbefreie Postfachoberfläche
- Grosse-Anhänge bei E-Mail Versand und Empfang möglich
- Gratis SMS
- Faxempfang
- Weitere Tools
- Kombination von Leistungen
- Oft werden E-Mail-Dienst-Verträge zusammen mit Access-Provider-Verträgen oder Host-Provider-Verträgen abgeschlossen, bzw. der E-Mail-Dienst wird direkt auch vom Access-Provider oder dem Host-Provider angeboten
- Vgl. Access-Provider-Vertrag bzw. Host-Provider-Vertrag
- Oft werden E-Mail-Dienst-Verträge zusammen mit Access-Provider-Verträgen oder Host-Provider-Verträgen abgeschlossen, bzw. der E-Mail-Dienst wird direkt auch vom Access-Provider oder dem Host-Provider angeboten
Zweck
- Klassische Nutzungsmöglichkeiten
- Versenden / Empfangen / Speicherung von elektronischer Post
- Schneller und günstiger als auf dem herkömmlichen Postweg
- E-Mail Dienst oft mit weiteren Funktionen verbunden
- Adressverwaltung
- Archivierungsfunktion
- Ev. Kalenderfunktion
- Ev. Schnelllesefunktion
- Weitere Nutzungsmöglichkeiten
- Versendung von elektronischen Dokumenten, wie Word.doc oder PDF Dateien möglich
- Versendung von Grafik, Musik oder Bilddateien möglich
- Versendung gleicher Nachrichten an viele Empfänger
- CC (carbon copy)
- Jeder Empfänger kann die Mailadressen aller weiteren Empfänger sehen
- BCC (blinde carbon copy)
- Jedem Empfänger wird nur die eigene E-Mail Adresse als Empfänger angezeigt
- CC (carbon copy)
Zustandekommen
- Der E-Mail-Dienst-Vertrag ist an keine besondere Form gebunden, wird aber in der Regel schriftlich (oft durch vorgefertigte online Vertragsformulare) abgeschlossen
- Meistens unter Einbezug standardisierter AGB des Anbieters
- Der Vertrag kommt durch Annahme des Kundenantrages durch den Anbieter zustande
Rechte/Pflichten
- Provider
- Provider stellt Kunde einen E-Mail Account zur Verfügung
- Muss diesen E-Mail Account betreiben, d.h. eingehende/ausgehende E-Mails speichern und diese für den Kunden zum Herunterladen jederzeit bereithalten
- Geheimhaltung von Passwörtern und Zugangsdaten
- Schutz vor Spam, Viren und Hacker-Angriffen
- Kunde
- Leistung des vertraglich vereinbarten Entgelts (falls entgeltlich)
- Regelmässiges Login bei unentgeltlichen Dienst
- Bei Inaktivität (meist 6 Monate) wird der Account i.d.R. ohne Rücksprache mit dem Kunden vom Anbieter gelöscht
- Vertragskonforme Nutzung der Dienste
- Geeignete Wahl der Passwörter und regelmässige Änderung der Passwörter
- Sorgfältige Aufbewahrung von Passwörtern
- Grundsätzliches Verbot Massenwerbungen zu versenden
Leistungsstörungen
- Leistungsunmöglichkeit
- Mögliche Arten der Unmöglichkeit
- zB Datenverlust durch Löschung von gespeicherten E-Mails durch den Account-Betreiber aufgrund von Hackerangriffen oder Viren
- Wirkung
- Hat der Schuldner die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit zu vertreten, richtet sich die Rechtsfolgen nach OR 97 Abs. 1
- Schadenersatz
- Der Gläubiger kann auch analog zu OR 107 Abs. 2 und 109 vom Vertrag zurücktreten
- Ist die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit vom Schuldner nicht zu vertreten, kommt OR 119 zu Anwendung
- Schuld gilt als erloschen
- Hat der Schuldner die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit zu vertreten, richtet sich die Rechtsfolgen nach OR 97 Abs. 1
- Haftungsausschluss
- Haftung für Datenverlust insbesondere bei gratis E-Mail-Dienstleistung in der Regel durch AGB ausgeschlossen
- Mögliche Arten der Unmöglichkeit
- Schlechterfüllung
- Mögliche Arten der Schlechterfüllung
- Längere Ausfallstörungen des E-Mail-Accounts
- Unzureichender Schutz von Daten und Rechner vor Hackerangriffen oder Viren
- Mangelhafter Spamfilter / Anti-Spam Funktionen
- Fehlende Unterstützung des Kunden durch Hotline oder Störungsdienst
- Fehlerhafte Updates für Client-Server
- Wirkung der Schlechterfüllung
- Schadenersatz durch E-Mail-Dienst-Anbieter nach den allgemeinen vertraglichen Regeln (OR 97 ff.)
- Schadenersatzpflicht
- Der Gläubiger kann auch analog zu OR 107 Abs. 2 und 109 vom Vertrag (ex nunc d.h. ab jetzt) zurücktreten (kommt einem ausserordentlichen Kündigungsrecht gleich)
- Schadenersatz durch E-Mail-Dienst-Anbieter nach den allgemeinen vertraglichen Regeln (OR 97 ff.)
- Mögliche Arten der Schlechterfüllung
- Verzug
- Hauptanwendungsfall ist der Gläubigerverzug (Nichtbezahlung der Rechnung)
- Bezahlt der Kunde seine Rechnung nicht rechtzeitig, wird er durch Mahnung in Verzug gesetzt
- Der Schuldner kann nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug vom Vertrag zurücktreten und die Rechte gemäss OR 107 Abs. 2 geltend machen
- Verzugsfolgen meistens durch AGB geregelt
- zB Mahngebühren
- zB Inkassogebühren
- zB Möglichkeit Barhinterlegung / Sicherstellung zu verlangen
- zB Möglichkeit Dienstleistungen zu sperren
- zB Kosten für Wiederaufschaltung des Dienstes
- Hauptanwendungsfall ist der Gläubigerverzug (Nichtbezahlung der Rechnung)
Beendigung
- Ablauf der Vertragsdauer
- Bei gratis E-Mail diensten behalten sich die Anbieter in der Regel vor, bei Inaktivität (zB kein Login innert 6 Monaten) den Account zu löschen und die E-Mailadresse wieder freizugeben
- Kündigung des Vertrages gemäss vereinbarter Kündigungsfrist
- Beendigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen immer möglich
- Tod
- digitaler Nachlass
- vgl. ICT-Law
International
- Allgemein
- Der E-Mail-Dienst-Vertrag wird in den meisten Fällen online, unter Einbezug standardisierter Verträge abgeschlossen
- In der Regel beinhalten solche Verträge sowohl eine Gerichtsstandsklausel als auch eine Rechtswahlklausel, durch die der Gerichtsstand bzw. das anwendbare Recht bestimmt werden
- Zu beachten ist, dass bei Verträgen mit Konsumenten für Gerichtsstandsklauseln IPRG 114 oder (bei Anwendung des Lugano-Übereinkommen) LugÜ 15 ff. und für die Rechtswahl IPRG 120 zu beachten ist
- Zuständiges Gericht
- Gerichtsstandsklausel
- Gerichtsstandsklausel
- Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, können die Parteien für einen künftigen Rechtsstreit über Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis einen Gerichtsstand vereinbaren
- Ohne Gerichtsstandsklausel
- Fehlt eine Gerichtsstandsklausel, richtet sich der Gerichtsstand nach den international einschlägigen Bestimmungen
- Gerichtsstandsklausel
- Internationale Bestimmungen
- Zuständigkeit nach LugÜ
- Anwendungsbereich
- Das LugÜ kommt dann zur Anwendung, wenn der Beklagte in einem LugÜ-Vertragsstaat wohnt
- Allgemeine Gerichtsstände
- Klage am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Person (LugÜ 2)
- Alternativ auch Klage am Erfüllungsort (LugÜ 5)
- Anwendungsbereich
- Zuständigkeit nach IPRG
- Anwendungsbereich
- Hat der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in einem LugÜ-Vertragsstaat, finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- Allgemeine Gerichtsstände
- Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagen oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort (IPRG 112 Abs. 1) oder
- alternativer Gerichtsstand am Erfüllungsort (IPRG 113)
- Anwendungsbereich
- Zuständigkeit nach LugÜ
- Gerichtsstandsklausel
- Anwendbares Recht
- Rechtswahlklausel
- Parteien haben die Möglichkeit, das anwendbare Recht frei zu wählen
- Bei Verträgen mit Konsumenten ist eine Rechtswahl ausgeschlossen
- IPRG 120 Abs. 2
- Ohne Rechtswahlklausel
- Bei Fehlen einer Rechtswahlklausel folgt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- IPRG 117 Abs. 1 und 2
- Charakteristische Leistung
- Die charakteristische Leistung liegt in der Erbringung elektronischer Briefdienstleistung und wird vom E-Mail-Dienst-Provider erbracht
- Rechtswahlklausel
Literatur
- BRINER ROBERT G., Verträge und Haftung im Internet, Zürich 2002, 223 f.
- WEBER ROLF H., E-Commerce und Recht, 2., vollständig überarbeitete Auflage, Zürich 2010, S. 369 ff.
- KOSMIDES TIMOLEON, Providing-Verträge, Dissertation, München 2009, S. 236 ff.