Bei Kooperationen wirken mehrere Personen zusammen, um gemeinsam Aufgaben oder Probleme zu lösen, die alleine nicht oder nur schwierig zu bewältigen wären. Kooperationen haben meistens eine forschungsintensive oder produktive Ausrichtung.
Begriffe
Kooperation = Zweckgerichtetes, gemeinsames Zusammenwirken von zwei oder mehreren Parteien
Kooperationsvertrag = Verpflichtung der Parteien zur gegenseitigen Vornahme bestimmter Handlungen im Hinblick auf einen von allen Parteien verfolgten und gemeinsamen Zweck, durch Tun, Dulden oder Unterlassen
Grundlage
Die Zulässigkeit Innominatkontrakte abzuschliessen und neue Vertragstypen zu kreieren, liegt in der Vertragsfreiheit
Je nach Kooperationsziel, Kooperationsgegenstand und Vereinbarung können auch vorliegen
- Gemischte Verträge (zusammengesetzte gesetzliche Verträge)
- Gesellschaft (einfache Gesellschaft)
Abgrenzungen
Zur General Partnership
Grundform der gewinnorientierten Gesellschaften im britischen und US-amerikanischen Recht, mit den Begriffsmerkmalen
- Personenverbindung
- Gemeinsames Geschäft
- Gewinnorientierung
Zum Sonderfall des Joint Venture vgl. THOUVENIN FLORENT, a.a.O., Rz 343 ff., S. 212 f.
Zur Einfachen Gesellschaft
Bei der einfachen Gesellschaft verfolgen die Vertragsparteien einen gemeinsamen Zweck, welchen sie mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln erzielen möchten
Beim Kooperations-Vertrag verfolgen die Parteien gemeinsame Ziele auf vertraglicher Basis; jede Partei handelt auf eigenen Gewinn oder Verlust
Rechtsnatur
Vertrag
Schuldvertrag bzw. Synallagmatischer Vertrag
Innominatkontrakt sui generis, zB mit Elementen bzw. Ähnlichkeiten gesetzlicher Verträge
Der Kooperationsvertrag enthält in folgenden Fällen Elemente entsprechender Nominatverträge (gesetzlich geregelte Verträge):
Einfache Gesellschaft
Personenbezogene Rechtsgemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit, d.h.
- ohne Rechtsfähigkeit
- ohne Parteifähigkeit
- ohne Handlungsfähigkeit
- ohne Prozessfähigkeit
- ohne Betreibungsfähigkeit
Voraussetzungen
- Personenverbindung
- Gemeinsamer Zweck und gemeinsame Zweckverfolgung
- Gemeinsame Kräfte und Mittel
Erscheinungsformen
Organisationform
- Regelung als Kooperationsvertrag oder
- Regelung als Gesellschaft (zB Einfache Gesellschaft)
Gegenstände
- Handlungen im Hinblick auf den gemeinsamen Zweck
- Individuelle Leistungserbringung
- Komplementäre Leistungserbringung
Inhalt und Umfang des Kooperationsvertrages können Kenntnisse und Erfahrungen folgender Art sein:
- Grundsätzliches
- Kooperationen bei Tathandlungen
- Aktive Kooperationen
- Passive Kooperationen
- Kooperationen bei Rechtsgeschäften
- Koordinierte Vertragsabschlüsse mit Dritten
- Gemeinsamer Erwerb und Veräusserung von Kooperationsgegenständen
- Koordination bei Gestaltungsrechten
- Kooperationen als Grundvertrag
- als Rahmenvertrag
- als Grundvertrag mit Satellitenverträgen
- Kooperationen bei Tathandlungen
- Gegenständliches
- Gemeinsame Geschäfte
- Gemeinsame Projekte
- Anwendungsfälle
- Joint Venture
- zB Equity Joint Venture
- zB Einheitsgesellschaft
- zB Contractual Joint Venture
- Joint Ventures
- Gründungs- und Vorgesellschaften
- Aktionärbindungsverträge
- zB ABV mit materieller Stimmbindung
- zB ABV mit formeller Stimmbindung
- Aktionärbindungsvertrag
- Joint Venture
Zustandekommen/Entstehung/Form
Formfreiheit
Der Kooperationsvertrag kann formfrei geschlossen werden (OR 11)
Schriftform von Vorteil
Die Schriftform wird empfohlen (Schriftformvorbehalt: Schriftform als Gültigkeitsvoraussetzung)
Keine Klärung der Kooperationsnatur
Es frägt sich, was die Parteien vereinbart haben:
- Ein Kooperationsvertrag oder
- die Errichtung einer Gesellschaft
Empfehlung: Ausdrückliche Klärung der gewählten Organisationsform (Vertrag (Kooperationsvertrag) oder Gesellschaft (zB Einfache Gesellschaft)
Wichtig ist es im Kooperationsabkommen zu klären, welche Organisationsform die Parteien wählen:
- Vertrag
- Gesellschaft
Die Rechte und Pflichten sowie Beendigung sind bei Vertrag (zB Kündigung) und Gesellschaftsform (zB Liquidation) völlig unterschiedlich
Klären die Parteien die Organisationsform nicht und enthält das Regelwerk Abreden bzw. Klauseln, die Elemente beider Organisationstypen enthalten, kann strittig werden, ob ein Kooperationsvertrag oder eine einfache Gesellschaft vorliegt, zumal die Gesellschaftsform der einfachen Gesellschaft als Subsidiärform für die stillschweigende Einigung über jede Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks mit gemeinsamen Kräften und Mitteln angenommen werden kann
Zweck
Gemeinsame Aufgaben- und / oder Problemlösung
Rechte/Pflichten
Die für die Rechte und Pflichten der Kooperation massgebenden Normen ergeben sich aus:
- Vorrang der Parteivereinbarung
- Innominatsvertrag sui generis
- OR Allgemeiner Teil (AT)
- Normen des Nominatvertragsrechts, sofern und soweit die Regeln im Vertrag postuliert sind
- Innominatsvertrag sui generis
- Absenz einer passenden Regel
- Schaffung einer passenden Regel modo legislatoris
Abweichungen von den Regeln des Allgemeinen Teils des OR können sich ergeben bei:
- Persönlicher Erfüllung
- Sorgfalts- und Treuepflicht (zB analoge Anwendung der Bestimmungen des Auftrags- und Werkvertragsrechts)
- Geschäftsbesorgungsvertrag als Analogienspender
- Jede Partei erbringt ihre Leistungen nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse des Vertragspartners, v.a. wenn es auf die persönliche Erfüllung der Leistungspflichten ankommt
Zu den Pflichten ist zu bemerken:
- Hauptpflichten
- Die dem Vertragsverhältnis zu Grunde liegende charakteristische Leistung
- Verschaffungspflicht
- Persönliche Erfüllung?
- Nebenpflichten
- Koordinationspflicht (Koordination zur Erreichung des Kooperationsziels)
- Mitwirkungspflicht
- Sorgfalts- und Treuepflicht
- Informations- und Aufklärungspflicht
Nachvertragliche Rechte und Pflichten
Gemäss Kooperationsertrag sehr unterschiedlich
- zB Geheimhaltung der gemeinsamen erledigten Aufgaben und Projekte
- zB künftige Verwendung der Kooperationsergebnisse
Bei Kooperation in Gesellschaftsform, gemäss Kooperations-Gründungsabkommen, Aktionärbindungsvertrag und Liquidationsergebnis
- zB Realzuweisung des Ergebnisses bei Liquidation einer einfachen Gesellschaft
Leistungsstörung
Keine Leistungsstörung bildet das Nichterreichen des Zwecks
- Der von den Parteien verfolgte gemeinsame Zweck ist das Motiv für den Abschluss des Kooperationsvertrages, aber eben nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung
- Kann das vertragliche Ziel nicht erreicht werden, liegt der Fehler nicht auf der Erfüllungsebene, sondern bei der Gestaltung der vertraglich vereinbarten Leistungen
Nicht erfüllbare Gestaltung der vertraglich vereinbarten Leistungen
- Konsequenzen daraus sind:
- Anpassung des Kooperationsvertrages
- Aufhebung des Kooperationsvertrages
- Anfechtung infolge Grundlagenirrtums
- Grundlagenirrtum als qualifizierter Motivirrtum | vertragsrecht.ch
Unmöglichkeit der Leistung
- Verschuldete anfängliche Unmöglichkeit
- Schadenersatz aus Culpa in Contrahendo
- Verschuldete nachträgliche Unmöglichkeit
- Rücktrittsrecht nach OR 107 Abs. 2 oder
- Schadenersatz anstelle Erfüllungsanspruch nach OR 97
Positive Vertragsverletzung
- Hiezu gehören die Fälle der nicht gehörigen Erfüllung, wie:
- Schlechterfüllung
- Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten
Rechtsfolgen der Leistungsstörung
Sofern und soweit die Parteien im Kooperationsvertrag nichts anderes bestimmt haben, gelten:
- Allgemeine Bestimmungen des OR (AT)
Anwendung der Grundzüge der Anwendung des allgmeinen Leistungsstörungsrechts
- Abweichungen und Besonderheiten, die darauf zurückzuführen sind, dass das gesetzliche Leistungsstörungsrecht auf Austauschverträge ausgerichtet ist
In der Rechtspraxis sind folgende Abweichungen konstatiert worden
- Abgrenzung von Nichtleistung und Spätleistung
- Keine Strukturierung nach Nichtleistung und Spätleistung
- > Orientierung an den Rechtsfolgen
- > Die Leistung ist zwar möglich, erfolgt verspätet
- Die Folgen einer Spätleistung können sein
- Schuldnerverzug
- Leistungsverweigerung
- Geltendmachung des Anspruchs auf Erfüllung
- Ersatzvornahme
- Rücktritt oder Kündigung des Vertrags
- Schadenersatz
- Keine Strukturierung nach Nichtleistung und Spätleistung
- Gläubigerverzug
- Für die Gläubigerverzugsregeln bei kein Anwendungsbereich, weil die auf Austausch ausgerichteten Regeln nicht greifen:
- Kein Leistungsaustausch
- Erfordernis des Zusammenwirkens
- Aktive Kooperation
- Kooperation bei Rechtsgeschäften
- Kooperation im Rahmen eines Grundvertrages
- Vornahme bestimmter Handlungen als Vertragsgegenstand
- Nichterfüllung von Koordinationspflichten
- Anwendung der Regeln betreffend Verletzung von Nebenpflichten
- Für die Gläubigerverzugsregeln bei kein Anwendungsbereich, weil die auf Austausch ausgerichteten Regeln nicht greifen:
Beendigung
Durch Erfüllung
- Leistung der Beiträge der Beteiligten zur Lösung der gemeinsamen Aufgaben oder Probleme und die gemeinsame Zielerreichung, sei es gestützt auf den Kooperationsvertrag, sei aufgrund der Personenverbindung in der Gesellschaftsform
- Arten
- Kooperationsvertrag als Einmalschuldverhältnis
- Kooperationsvertrag als Dauerschuldverhältnis
Durch Ablauf der Vertragsdauer
- Bei Verträgen mit fester Vertragsdauer (sog. befristete Verträge)
Durch Kündigung
- Bei Verträgen auf unbestimmte Zeit
- Ordentliche Beendigung / Kündigung
- Ausserordentliche Beendigung / Kündigung aus wichtigen Gründen
International
Zuständiges Gericht
- Gerichtsstandsklausel
- Gerichtsstandsklausel
- Die Parteien können den Gerichtsstand grundsätzlich frei wählen; zu berücksichtigen ist, dass eine Anknüpfung zum Staat bzw. zum Ort bestehen sollte, damit das angerufene Gericht auf eine Klage eintritt
- Ohne Gerichtsstandsklausel
- Ohne Gerichtsstandsklausel richtet sich der Gerichtsstand nach den international einschlägigen Bestimmungen
- Gerichtsstandsklausel
- Internationale Bestimmungen
- LugÜ-Vertragspartner
- Bei Parteien mit Wohnsitz bzw. Sitz im Hoheitsgebiet eines LugÜ Vertragspartner, findet das Lugano-Übereinkommen Anwendung
- Klage am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Partei (LugÜ 2) oder
- Gerichtsstand am Erfüllungsort (LugÜ 5 Abs. 1)
- Bei Parteien mit Wohnsitz bzw. Sitz im Hoheitsgebiet eines LugÜ Vertragspartner, findet das Lugano-Übereinkommen Anwendung
- Nicht LugÜ-Vertragspartner
- Bei Parteien eines Nicht LugÜ-Vertragsstaates finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagen oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort (IPRG 112 Abs. 1) oder
- Gerichtsstand am Erfüllungsort (IPRG 113)
- Bei Parteien eines Nicht LugÜ-Vertragsstaates finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- LugÜ-Vertragspartner
Anwendbares Recht
- Rechtswahlklausel
- Die Parteien können das anwendbare Recht grundsätzlich frei wählen
- IPRG 116
- Die Parteien können das anwendbare Recht grundsätzlich frei wählen
- Ohne Rechtswahlklausel
- Bei Absenz einer Rechtswahlklausel folgt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt
- Engster Zusammenhang
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- IPRG 117 Abs. 1 und 2
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- Charakteristische Leistung
- Charakteristische Leistung liegt beim Kooperationsvertrag in den Beiträgen der Beteiligten zur Lösung gemeinsamen Aufgaben oder Probleme oder bei Vorliegen einer Gesellschaft in der Erbringung der Beiträge für den gemeinsamen Zweck
Literatur
- THOUVENIN FLORENT, Der Kooperationsvertrag – Kooperationen im Grenzbereich von Vertrags- und Gesellschaftsrecht, Bern 2017, 707 Seiten
- FORSTMOSER PETER / KÜCHLER PETER, Aktionärbindungsverträge, Rechtliche Grundlagen und Umsetzung in der Praxis, Zürich/Basel/Genf 2015
- FREI ALEXANDER, Societas leonina, Zwingende Ergebnisteilung und gemeinsamer Zweck in der einfachen Gesellschaft, Basel/Genf/München 2002
- HANDSCHIN LUKAS, Die Abgrenzung zwischen der losen Zusammenarbeit und der einfachen Gesellschaft, in: Amstutz (Hrsg.), Die vernetzte Wirtschaft, Netzwerke als Rechtsproblem, Zürich 2004, S. 107 – 120
- HEWITT IAN / PICOT GERHARD, Structuring the Joint Venture, in: Micheler / Prentice (Hrsg.), Joint Ventures in English and German Law, Oxford/Portland (OR), 2000, S. 13 – 42
- HINTZ-BÜHLER MONIKA, Aktionärbindungsverträge, Diss. Bern 2001
- HUBER LUCAS, Das Joint-Venture im Internationalen Privatrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1992
- HUBER LUCAS, Vertragsgestaltung: Grundstruktur, Gründung, Willensbildung und Auflösung, in: Meier-Schatz (Hrsg.), Kooperations- und Joint-Venture-Verträge, Bern/Stuttgart/Wien 1994, 9 -60
- KNOBLOCH STEFAN, Joint Ventures: Vertrags- und gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten, GesKR 2013, 551 – 569
- TEUBNER GÜNTHER, Netzwerk als Vertragsverbund, Virtuelle Unternehmen, Franchising, Just-in-time in sozialwissenschaftlicher und juristischer Sicht, Baden-Baden 2004
- TOMASELLO MICHAEL, Warum wir kooperieren, 2. Auflage, Berlin 2012
- VOGT NEDIM PETER / WATTER ROLF, Joint Ventures in Switzerland, Basel 1995
- WEBER ROLF H., Rahmenverträge als Mittel zur rechtlichen Ordnung langfristiger Geschäftsbeziehungen, in: ZSR 1987 I, 403 – 434