Händler und Lieferant können vereinbaren, dass der Lieferant dem Händler ein exklusives Bezugsrecht für bestimme Waren einräumt. Dieses Bezugsrecht wird in der Regel örtlich, zeitlich und sachlich eingegrenzt.
Begriff
- Alleinvertriebsvertrag = Vereinbarung über ein örtlich, zeitlich und sachlich begrenztes, oft exklusives Bezugsrechts des Händlers auf bestimmte Waren eines Lieferanten
Grundlage
- Die Zulässigkeit Innominatkontrakte zu kreieren und abzuschliessen, liegt in der Vertragsfreiheit
Abgrenzungen
- Zum Vorvertrag
- Der Alleinvertriebsvertrag ist ein Rahmenvertrag und damit nicht wie der Vorvertrag ein Dauerschuldverhältnis
- Zum Kaufvertrag
- Die einzelnen Warenbezüge des Händlers beruhen in aller Regel auf einzelnen Kaufverträgen
- Der Alleinvertriebsvertrag erledigt sich jedoch nicht mit einen einzelnen Geschäft, sondern ist auf Dauer abgeschlossen. Damit ähnelt er dem Sukzessivlieferungsvertrag
- vgl. Kaufvertrag
- Zum Arbeitsvertrag
- Entscheidend ist bei dieser Abgrenzung die Unterordnung (Subordinationsverhältnis)
- Entgegen dem Arbeitnehmer bleibt der Händler im Alleinvertriebsvertrag selbständiger Unternehmer, es existiert kein Subordinationsverhältnis
- vgl. Arbeitsvertrag
- Zum Auftrag und Agenturvertrag
- Der Händler handelt im Alleinvertriebsvertrag in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, im Gegensatz zum Beauftragten also weder in direkter noch indirekter Stellvertretung
- vgl. Auftragsrecht
- Der Händler handelt im Alleinvertriebsvertrag in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, im Gegensatz zum Beauftragten also weder in direkter noch indirekter Stellvertretung
- Zum Franchisingvertrag
- Stärkere Einbindung des Abnehmers ins Absatzförderungssystem und höhere Kooperationsintensität beim Franchising
- Beim vertraglichen Absatz von Dienstleistungen gelangt meistens eher der Vertragstyp des Franchisingvertrages zur Anwendung.
- vgl. Franchising Law
Rechtsnatur
- Beim Alleinvertriebsvertrag handelt es sich um einen Innominatkontrakt sui generis
- Vgl. BGer 4A_61/2007 E.2
- Der Alleinvertriebsvertrag enthält Elemente des Sukzessivliefervertrages
- Kaufvertrag mit Pflicht zur sukzessiven Lieferung durch den Verkäufer und (sukzessiver) Abnahme- und Zahlungspflicht des Käufers
- Für die Gewährleistung und die Gefahrtragung können kaufrechtliche oder werkvertragliche Bestimmungen herangezogen werden
- Weiter können je nach Rechtsfrage, Bestimmungen zum Agenturvertrag (OR 418 ff.) oder zur einfachen Gesellschaft (OR 530 ff.) analog Anwendung finden
Erscheinungsformen
- Alleinvertriebsvertrag ohne Integration des Abnehmers in die Vertriebsorganisation des Lieferanten
- Ausschliessliche Lieferpflicht des Lieferanten und Mindestbezugspflicht des Abnehmers
- Alleinvertriebsvertrag mit Integration des Abnehmers in die Vertriebsorganisation des Lieferanten
- Lieferpflicht des Lieferanten, Mindestbezugspflicht des Abnehmers und Vertriebsbindungsklausel
Zustandekommen
- Händler und Lieferant müssen sich darüber einig sein, welche Ware, wie lange und unter welchen Bedingungen sowie zu welchem Preis exklusiv geliefert und vertrieben werden
- Der Vertrag ist an keine Form gebunden
- In gewissen Fällen kann der Alleinvertriebsvertrag gegen das Kartellrecht verstossen
- Da auch der Alleinvertriebsvertrag Preis-, Mengen- und Gebietsabreden enthält, haben die Parteien – um Sanktionen zu vermeiden – den Alleinvertriebsvertrag auf seine kartellrechtliche Verträglichkeit hin zu überprüfen
Zweck
- Einräumen eines exklusiven Bezugsrechts für bestimmte Waren
- Absatzförderung
- Gebietsschutz
- Wettbewerbsvorteile
- Preisbestimmung
- Umsatzsteigerung
Rechte/Pflichten
- Lieferant
- Pflicht zur exklusiven Belieferung des Händlers
- Beachtung des Konkurrenzverbots
- Zurverfügungstellung bzw. Nutzungsduldung von Immaterialgüterrechten
- Marken
- anderer Kennzeichen
- besondere bzw. technische Ausstattungen
- Schutz des Abnehmer-Kundenstammes
- Händler
- Pflicht, Waren beim Lieferanten zu beziehen und diese in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben
- Pflicht zur Absatzförderung im Vertragsgebiet
- Kundendienst
- Lagerhaltung
- Ersatzteildienst
- Weitere Pflichten möglich:
- zB Direktlieferverbot
- zB Querlieferverbot
- zB Selektiver Vertrieb
- zB Preisbindung
- zB Marktforschung
Leistungsstörungen
- Allgemein
- Im Falle von Leistungsstörungen kommen – sofern die Folgen der Leistungsstörungen nicht vertraglich geregelt wurden – im Grundsatz die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts zur Anwendung
- Je nach Leistungsstörung kann sich aber im konkreten Einzelfall auch eine analoge Anwendung einer Bestimmung anbieten, die im besonderen Teil des Obligationenrechts verankert ist
- Leistungsunmöglichkeit
- Hat der Schuldner die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit zu vertreten, richten sich die Rechtsfolgen nach OR 97 Abs. 1
- Schadenersatz
- Der Gläubiger kann auch analog zu OR 107 Abs. 2 und 109 vom Vertrag zurücktreten
- Ist die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit vom Schuldner nicht zu vertreten, kommt OR 119 zu Anwendung
- Schuld gilt als erloschen
- Bereits erhaltene Gegenleistungen müssen zurückerstattet werden
- Hat der Schuldner die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit zu vertreten, richten sich die Rechtsfolgen nach OR 97 Abs. 1
- Schlechterfüllung
- Mögliche Arten der Schlechterfüllung
- zB Verletzung der Absatzförderungspflicht
- zB Verletzung der Lieferpflicht
- zB Verletzung der Exklusivabrede
- Folgen der Schlechterfüllung
- Schadenersatz durch Vertragspartei nach den allgemeinen vertraglichen Regeln (OR 97 ff.)
- Schadenersatzpflicht
- Der Gläubiger kann auch analog zu OR 107 Abs. 2 und 109 vom Vertrag zurücktreten
- Schadenersatz durch Vertragspartei nach den allgemeinen vertraglichen Regeln (OR 97 ff.)
- Mögliche Arten der Schlechterfüllung
- Gewährleistung
- Es finden in der Regel die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln Anwendung, wenn die einzelnen Lieferungen grundsätzlich auf einzelnen Kaufverträgen basieren
- für die Rechtsgewährleistung
- OR 192 ff. (vgl. Rechtsmängelhaftung)
- für die Sachgewährleistung
- OR 197 ff. (vgl. Sachmängelhaftung)
- für die Rechtsgewährleistung
- Bei der Lieferung von noch nicht hergestellten Sachen finden die Bestimmungen der werkvertraglichen Gewährleistung Anwendung
- für die Rechtsgewährleistung
- OR 365 i.V.m. 192 ff.
- für die Sachgewährleistung
- OR 367 ff.
- für die Rechtsgewährleistung
- Es finden in der Regel die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln Anwendung, wenn die einzelnen Lieferungen grundsätzlich auf einzelnen Kaufverträgen basieren
- Verzug
- Schuldnerverzug des Lieferanten
- Mögliche Art des Verzuges
- zB Bestellte Ware wird nicht geliefert
- Folgen des Verzuges
- Händler kann beim Verzug des Schuldners gemäss OR 107 Abs. 1 und 109 vom Vertrag zurücktreten oder am Vertrag festhalten und das positive Interesse geltend machen
- Ersatz des Verspätungsschadens (OR 103)
- Mögliche Art des Verzuges
- Schuldnerverzug des Händlers
- Mögliche Art des Verzuges
- zB Bezahlt der Händler den Kaufpreis nicht rechtzeitig, wird er durch Mahnung in Verzug gesetzt
- Folgen des Verzuges
- Der Lieferant kann nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug vom Vertrag zurücktreten und die Rechte gemäss OR 107 Abs. 2 geltend machen
- Positives oder negatives Vertragsinteresse geltend machen
- Der Lieferant kann nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug vom Vertrag zurücktreten und die Rechte gemäss OR 107 Abs. 2 geltend machen
- Mögliche Art des Verzuges
- Gläubigerverzug des Händlers
- Mögliche Art des Verzuges
- Händler nimmt vom Lieferant gehörig angebotene Leistung nicht an
- Vernachlässigt seine Mitwirkungsobliegenheiten, wie zB Vorbereitungshandlungen zur Abnahme der Ware
- Wirkung des Verzuges
- Schuldnerverzug des Lieferanten wird dadurch ausgeschlossen
- Händler trägt Gefahr des zufälligen Untergangs der Ware (OR 103 Abs. 1)
- Lieferant kann Sachleistungen hinterlegen (OR 92 Abs. 1), nicht hinterlegungsfähige Sachen können versteigert werden (OR 93 Abs. 1)
- Mögliche Art des Verzuges
- Schuldnerverzug des Lieferanten
Gefahrtragung
- Übergang der Gefahrtragung und damit auch der Preisgefahr, bestimmt sich nach dem vertraglich vereinbarten Erfüllungsort
- Ohne besondere Bestimmungen finden die Regeln des Kaufvertrags Anwendung
- Übergang der Gefahrtragung bei Vertragsschluss (OR 185)
- Vgl. Kaufvertrag
- Übergang der Gefahrtragung bei Vertragsschluss (OR 185)
Beendigung
- Ablauf der vereinbarten Mindestdauer
- Durch Kündigung, gemäss vertraglich vereinbarter Frist
- Ohne Vereinbarung (analoge Anwendung der Bestimmungen zum Agenturvertrag und zur einfachen Gesellschaft; BGE 107 II 216 ff.)
- 1 Monat bei Vertragsverhältnissen unter einem Jahr
- Vgl. OR 418q
- 6 Monate bei Vertragsverhältnissen über einem Jahr
- Vgl. OR 546 Abs. 1
- 1 Monat bei Vertragsverhältnissen unter einem Jahr
- Ohne Vereinbarung (analoge Anwendung der Bestimmungen zum Agenturvertrag und zur einfachen Gesellschaft; BGE 107 II 216 ff.)
- Ausserordentliche Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen immer zulässig
International
- Allgemein
- Grenzüberschreitende Alleinvertriebsverträge beinhalten grundsätzlich immer eine Gerichts- wie auch eine Rechtswahlklausel
- Gerichtsstandsklausel und Rechtswahlklausel
- Sollten die Vertragsparteien ausnahmsweise keine Regelung in Bezug auf Zuständigkeit und anwendbares Recht getroffen haben, finden die Kollisionsnormen gemäss LugÜ und IPRG Anwendung
- Grenzüberschreitende Alleinvertriebsverträge beinhalten grundsätzlich immer eine Gerichts- wie auch eine Rechtswahlklausel
- Zuständigkeit
- Zuständigkeit nach LugÜ
- Anwendungsbereich
- Das LugÜ kommt dann zur Anwendung, wenn der Beklagte in einem LugÜ-Vertragsstaat wohnt
- Allgemeine Gerichtsstände
- Klage am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Person (LugÜ 2)
- Alternativ auch Klage am Erfüllungsort (LugÜ 5)
- Zuständigkeit nach IPRG
- Anwendungsbereich
- Hat die beklagte Partei keinen Wohnsitz in einem LugÜ-Vertragsstaat, finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- Allgemeine Gerichtsstände
- Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagen oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort (IPRG 112 Abs. 1)
- Alternativer Gerichtsstand
- am Erfüllungsort (IPRG 113)
- Anwendungsbereich
- Anwendungsbereich
- Zuständigkeit nach LugÜ
- Anwendbares Recht
- Ohne Rechtswahlklausel folgt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- IPRG 117 Abs. 1 und 2
- Charakteristische Leistung beim Vertriebsvertrag ist der Vertrieb durch den Abnehmer und nicht der Verkauf der Produkte durch den Verkäufer, weshalb das Recht am Sitz des Händlers Anwendung findet
- Vgl. BGE 100 II 450
- Vgl. BGE 124 III 192
Literatur
- Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, Der Alleinvertriebsvertrag: ein Praktikerleitfaden mit Checklisten für Alleinvertrieb in der Schweiz und im schweizerisch-internationalen (EU) Verhältnis, 2. Aufl., St. Gallen 1995, 190 S.
- Just Eva Druey, Repetitorium zum schweizerischen Obligationenrecht, Art. 184-529, 10. Aufl., Bern 2014, 259 S.
Judikatur
- zur Anwendung der Bestimmungen zur einfachen Gesellschaft
- zur charakteristischen Leistung des Alleinvertriebsvertrages