Der Reiseveranstaltungsvertrag (i.e.S.) als Innominatkontrakt hat in der Praxis heute nicht mehr eine allzu hohe Bedeutung, da die meisten Reisveranstaltungsverträge unter das Pauschalreisegesetz fallen. Beim hier behandelten Reiseveranstaltungsvertrag handelt es sich aber um genau diesen Innominatkontrakt und nicht um den Paulschalreisevertrag nach PRG. Informationen zu Pauschalreisevertrag finden sie hier: Pauschalreisevertrag.
Unter den Reiseveranstaltungsvertrag (i.e.S.) fallen somit Verträge, bei denen die Voraussetzungen des PauRG nicht erfüllt sind z.B. Reisedauer unter 24 Stunden, keine Übernachtung, Reise wird vom Veranstalter nur gelegentlich angeboten. Informationen zu diesem Innominatkontrakt liefern wir ihnen nachfolgend:
Begriff
- Reisevermittlungsvertrag = Reiseveranstaltungsvertrag betrifft das Verhältnis zwischen der Veranstalterin und dem Reisenden
Grundlage
- Die Zulässigkeit Innominatkontrakte abzuschliessen und neue Verträge zu kreieren, liegt in der Vertragsfreiheit
Abgrenzungen
- Zum Reisevermittlungsvertrag
- Verpflichtung, den Konsumenten zu einem Reisevorhaben zu informieren, zu beraten und zu buchen
- Wird als Auftrag qualifiziert (BGE 115 II 474, E. 2.a)
- Vermittler erbringt selbst keine Reiseleistungen
- Zum Individualreisevertrag
- Buchung einzelner Reiseleitungen wie Flug, Unterbringung etc. beim Reisebüro
- Zum Pauschalreisevertrag
- Pauschalreise setzt folgende Elemente voraus:
- Angebot von (zwingend) mindestens zwei touristische Hauptleistungen
- Beförderung
- Unterbringung
- andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung oder Unterbringung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen
- Im Voraus miteinander zu einer Gesamtleistung verbundene Hauptleistungen
- Gesamtpreis
- Reise dauert länger als 24 Stunden oder schliesst Übernachtung mit ein
- Veranstalter muss die Pauschalreisen nicht nur gelegentlich organisieren
- Angebot von (zwingend) mindestens zwei touristische Hauptleistungen
- Pauschalreise setzt folgende Elemente voraus:
Rechtsnatur
- Innominatkontrakt mixti iuris
- Gemischter Vertrag aus folgenden Elementen
- Werkvertrag (Erfolgsbezogenheit)
- Auftragsrecht
- Allenfalls weitere Aspekte, je nach Leistung (z.B. Kauf, Miete)
- BGE 115 II 474, E. 2.a
Erscheinungsformen
- Der Reiseveranstaltungsvertrag ist in der Regel im Zusammenhang mit folgenden Leistungen anzutreffen:
- Beförderung
- Unterbringung
- Verpflegung
Zustandekommen
- Keine Formvorschrift (OR 11)
- Meist schriftlich unter Einbezug von AGB des Reiseveranstalters
Rechte/Pflichten
- Reiseveranstalter
- Erbringen einer Kombination von Leistungen, die im Zusammenhang mit der gebuchten Reise stehen
- Beratung
- Beförderung
- Unterkunft
- Verpflegung
- Erbringen einer Kombination von Leistungen, die im Zusammenhang mit der gebuchten Reise stehen
- Reisender
- Bezahlung des Preises
- Berücksichtigung weiterer vertraglich vereinbarter Sonderpunkte
Leistungsstörung
- Gewährleistung bei Reisemängeln oder fehlenden zugesicherten Eigenschaften
- U.U. Nachbesserungsrecht (Ersatzmassnahmen) des Veranstalters
- Minderung des bezahlten Preises
- Oder Rücktritt vom Vertrag und evtl. Schadenersatz
- Spätleistung
- Reiseveranstaltungsvertrag als relatives Fixgeschäft im Sinne von OR 108 Ziffer 3
- Leistungen sind zu einem genau bestimmten Zeitpunkt zu erbringen
- Veranstalter gerät ohne Mahnung in Verzug
- Gläubiger kann Wahlrecht gemäss OR 107
- Nachfrist setzten (für Reisenden grundsätzlich nicht zumutbar, Reise zu verschieben)
- Trotzdem kein absolutes Fixgeschäft, da Leistung nicht nachträglich objektiv unmöglich
- Rücktritt vom Vertrag und negatives Vertragsinteresse
- Am Vertrag festhalten / Schadenersatz / positives Vertragsinteresse
- Nachfrist setzten (für Reisenden grundsätzlich nicht zumutbar, Reise zu verschieben)
Beendigung
- Annullierung der gebuchten Reiseveranstaltung je nach vertraglich vereinbarten Annullationsbedingungen möglich
- In der Regel unterschiedlich strenge Stornierungsbedingungen
- zB Volle Rückerstattung des Gesamtbetrages einer Buchung bis 1 Tag vor Check-In
- zB 50 % Rückerstattung des bezahlen Preises bis eine Woche vor Veranstaltung
International
- Allgemeine Hinweise bei Verträgen mit Konsumenten
- Access Provider Verträge werden oft mit Konsumenten abgeschlossen (B2C)
- Die Wahl des Gerichtsstandes ist bei Verträgen mit Konsumenten sowohl nach LugÜ 17 als auch nach IPRG 114 eingeschränkt
- Eine Rechtswahl ist bei Verträgen mit Konsumenten gemäss IPRG 120 Abs. 2 ausgeschlossen
- Internationale Bestimmungen
- LugÜ-Vertragspartner
- Bei Parteien mit Wohnsitz bzw. Sitz im Hoheitsgebiet eines LugÜ Vertragspartner, findet das Lugano-Übereinkommen Anwendung
- Klage am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Partei (LugÜ 2) oder
- Gerichtsstand am Erfüllungsort (LugÜ 5 Abs. 1)
- Bei Parteien mit Wohnsitz bzw. Sitz im Hoheitsgebiet eines LugÜ Vertragspartner, findet das Lugano-Übereinkommen Anwendung
- Nicht LugÜ-Vertragspartner
- Bei Parteien eines Nicht LugÜ-Vertragsstaates finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- Bei Verträge mit Konsumenten ist IPRG 114 zu beachten
- Bei Parteien eines Nicht LugÜ-Vertragsstaates finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- LugÜ-Vertragspartner
- Anwendbares Recht
- Rechtswahlklausel
- Bei Verträgen mit Konsumenten ist eine Rechtswahl ausgeschlossen und der Vertrag ist dem Recht unterstellt, in dem der Konsument seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat
- IPRG 120 Abs. 1 und 2
- Bei Verträgen mit Konsumenten ist eine Rechtswahl ausgeschlossen und der Vertrag ist dem Recht unterstellt, in dem der Konsument seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat
- Ohne Rechtswahlklausel
- Bei Fehlen einer Rechtswahlklausel folgt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt
- Engster Zusammenhang
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- IPRG 117 Abs. 1 und 2
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- Charakteristische Leistung
- Erbringer der charakteristischen Leistung ist der Reiseveranstalter
- In der Regel handelt es sich aber um Konsumentenverträge
- Vertrag ist dem Recht unterstellt, in dem der Konsument seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (IPRG 120 Abs. 1)
- Rechtswahlklausel
Literatur
- HUGUENIN CLAIRE/WEISS RAPHAEL, Innominatkontrakte, OR Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2009, S. 1143 f.
- WIEDE ANDREAS, Reiserecht, Schweizer Handbuch zu den Verträgen über Reiseleistungen, Zürich 2014, N. 549 ff. und N 1365 ff.
Weiterführende Informationen
- Zum Reiserecht
- Zum Werkvertrag
- Zum Auftragsrecht