Bei der Formfreiheit stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Vertragsparteien die Vertragsform selber bestimmen können.
Begriff
- Formfreiheit = Freiheit, Verträge in freier Form abzuschliessen, abzuändern oder aufzuheben
Grundlage
- OR 11
Grundsatz
- Das Obligationenrecht geht von dem allgemeinen Grundsatz der Formfreiheit aus
- Eine besondere Form ist nur notwendig, wenn es das Gesetz sie vorschreibt
Schranken der Formfreiheit
- Die Formfreiheit wird durch gesetzliche und gewillkürte (von den Parteien vereinbarte) Formvorschriften eingegrenzt
Gesetzliche Formvorschriften
Grundlagen
- im allgemeinen Teil des Obligationenrechts
- nur für die Zession
- im besonderen Teil des Obligationenrechts
- Anwendungsbeispiele
- Grundstückkauf (vgl. OR 216)
- Schenkungsversprechen (vgl. OR 243 Abs. 1 und 2)
- Handelsreisendenvertrag (vgl. OR 347a Abs. 1)
- Anwendungsbeispiele
- in Spezialgesetzen
- KKG 8 (Leasingverträge + Konti für Kredit- und Kundenkarten mit Kreditoption sowie Überziehungskredite auf laufendem Konto)
Zweck
- Warnfunktion
- Schutz der Parteien vor Übereilung
- Sicherungsfunktion
- Rechtssicherheit
Wirkung
- Gültigkeitsvoraussetzung
- Die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Formvorschrift ist Voraussetzung für die Gültigkeit des formbedürftigen Vertrags (vgl. OR 11 Abs. 2)
Umfang
- Alle objektiv wesentlichen Vertragspunkte müssen die Formvorschriften erfüllen
Nachträgliche Abänderungen
- Nachträgliche Abänderungen formbedürftiger Verträge unterliegen der Formvorschrift des betreffenden Vertrages
- Ausgenommen sind ergänzende Nebenbestimmungen, die mit der Urkunde nicht im Widerspruch stehen (vgl. OR 12)
- Ausnahme
- Forderungen können durch Übereinkunft auch dann formlos aufgehoben werden, wenn zur Eingehung der Verbindlichkeit eine Form erforderlich oder von den Vertragsschliessenden gewählt war (vgl. OR 115)
Vorverträge
- Vorverträge unterliegen ebenfalls der Formvorschrift des betreffenden Hauptvertrages (vgl. OR 22 Abs. 2)
Gewillkürte Formvorschriften
Bedeutung
- Parteien können untereinander Formvorbehalte vereinbaren (vgl. Form-Arten)
Grundlage
- OR 16
Zweck
- Warnfunktion
- Schutz der Parteien vor Übereilung
- Sicherungsfunktion
- Rechtssicherheit
Wirkung
- Die Parteien können für die Formvorschrift folgende Wirkungen vereinbaren
- Formvorschrift als Gültigkeitsvoraussetzung
- Vertrag ist bei Formungültigkeit nichtig
- Formvorschrift zu Beweiszwecken
- Formvorschrift als Gültigkeitsvoraussetzung
Vermutung des Gesetzes
- Ohne Bezeichnung der Form wird vermutet, dass die einfache Schriftlichkeit gewollt war
- Es wird vermutet, dass die Formvorschrift Gültigkeitsvoraussetzung für den Vertrag ist
Bei gesetzlichen Formvorschriften
- Gesetzliche Formvorschriften können durch Formvorbehalte ergänzt werden, sind aber zumindest einzuhalten
Aufhebung von Formvorbehalte
- Formvorbehalte können formfrei aufgehoben oder verändert werden
- OR 12 greift nicht
- Ausnahme
- Schriftformabrede für Aufhebung des Formvorbehalts
Gesetzestexte
Art. 11 B. Form der Verträge / I. Erfordernis und Bedeutung im Allgemeinen
B. Form der Verträge
I. Erfordernis und Bedeutung im Allgemeinen
1 Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt.
2 Ist über Bedeutung und Wirkung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht etwas anderes bestimmt, so hängt von deren Beobachtung die Gültigkeit des Vertrages ab.
Art. 12 B. Form der Verträge / II. Schriftlichkeit / 1. Gesetzlich vorgeschriebene Form / a. Bedeutung
II. Schriftlichkeit
1. Gesetzlich vorgeschriebene Form
a. Bedeutung
Ist für einen Vertrag die schriftliche Form gesetzlich vorgeschrieben, so gilt diese Vorschrift auch für jede Abänderung, mit Ausnahme von ergänzenden Nebenbestimmungen, die mit der Urkunde nicht im Widerspruche stehen.
Art. 16 B. Form der Verträge / II. Schriftlichkeit / 2. Vertraglich vorbehaltene Form
2. Vertraglich vorbehaltene Form
1 Ist für einen Vertrag, der vom Gesetze an keine Form gebunden ist, die Anwendung einer solchen vorbehalten worden, so wird vermutet, dass die Parteien vor Erfüllung der Form nicht verpflichtet sein wollen.
2 Geht eine solche Abrede auf schriftliche Form ohne nähere Bezeichnung, so gelten für deren Erfüllung die Erfordernisse der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftlichkeit.
Literatur
- Furrer Frank, Heilung des Formmangels im Vertrag (Diss. Zürich), Zürich 1992