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Vertrag / Vertragsrecht

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Automatische Vertragsverlängerung

Rechtsgebiet:
Vertrag / Vertragsrecht
Stichworte:
Abonnementsverträge, Automatische Vertragsverlängerung, Vertragsrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Die automatische Vertragsverlängerung ist ein im B2C-Dienstleistungssektor verbreitetes Mittel von Anbietern, in bestehenden Kundenbeziehungen eine befristete Dienstleistungsabrede um eine weitere Vertragsperiode zu verlängern:

Begriff

  • Automatische Vertragsverlängerungsklausel   =  (in der Regel) AGB-Vereinbarung zwischen Parteien, wonach sich ein bestimmter (befristeter) Dienstleistungsvertrag bei Nichtkündigung automatisch auf eine bestimmte, vorausverabredete Dauer verlängert

Rechtsgrund

  • Parteivereinbarung / „Individualabrede“, falls die AGB-Gültigkeitsvoraussetzungen gegeben sind

Verbreitung/Bedeutung

  • Starke Verbreitung bei Abonnementsverträgen im B2C-Dienstleistungssektor
    • Anwendungsbeispiele:
      • Fitnessverträge
      • Online-Dating-Abonnemente
      • Abonnemente für den öffentlichen Verkehr
      • Zeitschriften-Abonnemente
      • Software-Abonnemente (Antivirus-Programme/Apps)
      • Reiseversicherungen
      • Kostenlose Probeabonnements, die ohne Kündigung automatisch in kostenpflichtige Dauerabonnemente wechseln
    • Umstrittene Klausel
      • Grundsatzfrage: Vertragsfreiheit vs. Konsumentenschutz (Schutz des Konsumenten vor der eigenen Unkenntnis der geschlossenen Verträge (mit Klauseln für eine automatische Vertragsverlängerung))
      • Vorteil: Automatische Verlängerung vermeidet für Konsumenten ein unerwartetes Stoppen bzw. Abschalten von Dienstleistungen und u.U. kostenpflichtiges Wiederaufschalten und dem Anbieter die (automatische) Verlängerung bestehender Kundenbeziehungen
      • Nachteil für den Konsumenten: Entdeckung der Vertragsverlängerung erst im Nachhinein
      • Problem-Akzentuierung: Vielzahl der Abonnemente, durch Änderung der Vertriebspraxis v.a. im digitalen Bereich von Dauerlizenzen zum Abonnemente-System
      • Konsumentenschutz: Flut von Abos / Konsument erneuert automatisch und bezahlt so für nicht mehr genutzte bzw. daher vergessene Abonnemente von neuem
      • Gesetzgebung: Parlamentarischen Initiative 13.426 «Stillschweigende Verlängerung von Dienstleistungsverträgen» hängig
      • Anbieter-Selbstbeschränkung: Die grossen Schweizer Mobilfunkanbieter verzichten seit Frühjahr 2014 auf die Aufnahme automatischer Vertragsverlängerungsklauseln in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)

Gültigkeitsvoraussetzung

  • Die Gültigkeit der Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung wird angenommen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
    • Ausdrücklicher Hinweis auf die automatische Vertragsverlängerung bei Vertragsabschluss
    • Ausdrücklicher Hinweis auf die Kündigungsfrist bei Vertragsabschluss
    • Rechtzeitige ausdrückliche Mitteilung auf die bevorstehende Vertragsverlängerung, damit dem Abonnenten genügend Zeit für eine Vertragskündigung bleibt
    • Keine hohen Kündigungshürden, zB lange Kündigungsfrist oder Akzept einer Kündigung per Fax oder e-mail etc.
    • Wirkung

Wirkung

  • Automatische Vertragsverlängerung

Detail-Analyse der automatischen Vertragsverlängerung

AGB-Verwendung

  • Die Unlauterkeit einseitig vorformulierter Vertragsbestimmungen setzt voraus, dass die AGB beim konkreten Vertragsabschluss Anwendung finden.

Erfordernis des erheblichen + ungerechtfertigten Missverhältnisses von vertraglichen Rechten und Pflichten

  • UWG 8 (2011) enthält als Voraussetzung ein «erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten».
  • Die Detail-Kriterien sind, wie eingangs erwähnt:
    • Vorgesehenes Missverhältnis
    • „Feststellung“ des Missverhältnisses
    • „Erheblichkeit“ des Missverhältnisses
    • „Ungerechtfertigtheit“ des Missverhältnisses
    • „Kompensation“ nachteiliger AGB mit vorteilhaften Bestimmungen
    • „Treuwidrigkeit“
    • „Missverhältnis“ zum Nachteil des Konsumenten

Vorgesehenes Missverhältnis

  • Bei der UWG-Revision entstand in den parlamentarischen Beratungen ein Begriffsstreit zum Verb „vorsehen“ (siehe Auszug Gesetzesbestimmungen unten), auf den an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden kann.
  • Jedenfalls wird als Ausgangslage vorausgesetzt, dass die AGB-Bestimmungen enthalten, die ein Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten beinhalten bzw. mit sich bringen.

„Feststellung“ des Missverhältnisses

  • Allgemein
    • Bei dieser Voraussetzung von UWG 8 (2011) ist abzuklären:
      • Eine Abweichung von der anwendbaren gesetzlichen Ordnung.
      • Das Vorliegen eines Missverhältnisses zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten als Referenzmassstab.
    • Um „unlauter“ im Sinne von UWG 8 (2011) zu sein, müssen die AGB ein „Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten“ des Konsumenten zu dessen Nachteil „vorsehen“ bzw. enthalten.
  • Automatische Vertragsverlängerung
    • Für den Konsumenten steigt das unerwünschte und hinzunehmende Vertragsverlängerungs- und Zahlungspflicht-Risiko,
      • je länger die vor Ablauf der bestimmten Vertragsdauer einzuhaltende Kündigungsfrist ist (vgl. BGE 136 III 23) und
      • je länger die befristete Verlängerungsperiode ist (vgl. auch BGer 5P.115/2005).

„Erheblichkeit“ des Missverhältnisses

  • Allgemein
    • Das Erheblichkeitserfordernis soll sicherstellen, dass das Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten zulasten des AGB-Übernehmers (Konsumenten) ein bestimmtes Mass für eine lauterkeitsrechtliche Relevanz erreichen muss.
    • Nur geringfügige Nachteile sind nicht ausreichend für eine „Unlauterkeit“ der AGB.
  • Automatische Vertragsverlängerung
    • Bei einem erheblichen Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten zwischen Anbieter und Konsument kann bei einer einseitig vorformulierten Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung dazu führen, dass ohne anderslautende Abrede auf eine Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Zeitablauf geschlossen werden kann.

„Ungerechtfertigtheit“ des Missverhältnisses

  • In der Lehre wird das Erfordernis der diffusen Begrifflichkeit des „ungerechtfertigten“ (erheblichen) Missverhältnisses von Rechten und Pflichten als Grundlage für die Prüfung der weiteren Voraussetzung der „Kompensation von nachteiligen mit vorteilhaften AGB-Bestimmungen betrachtet.

„Kompensation“ nachteiliger AGB mit vorteilhaften Bestimmungen

  • Zulässigkeit der Kompensation
    • Ein „ungerechtfertigtes“ Missverhältnis zwischen vertraglichen Rechten und Pflichten bildet die „Grundlage“ für die „Kompensation“ von für den AGB-Übernehmer (Konsumenten) nachteiligen AGB mit vorteilhaften Vertragsbestimmungen.
  • Kompensationsumfang
    • Inwieweit können und müssen nachteilige mit vorteilhaften Vertragsbestimmungen ausgeglichen werden, bis im Endeffekt kein ungerechtfertigtes Missverhältnis der Rechte und Pflichten mehr besteht?
  • Kompensationsschranken
    • Nicht alle vorteilhaften Vertragsbestimmungen sind geeignet, nachteilige AGB zu kompensieren
      • Ausgleich von AGB-Nachteilen nur mit konkreten, nicht aber mit einzig abstrakten Vorteilen, die sich nicht auswirken.
      • Einzelfallanalyse notwendig.

„Treuwidrigkeit“

  • Allgemein
    • Das Erfordernis der «Treuwidrigkeit» eines „erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses“ zwischen vertraglichen Rechten und Pflichten beinhaltet ein gesetzgeberisches „Doppelerfordernis“ welche zu analysieren ist:
    • Hiezu ist zu prüfen, ob das sich aus den AGB ergebende Missverhältnis insofern „treuwidrig“ ist, als der AGB-Verwender (Anbieter) nach Treu und Glauben nicht annehmen durfte, der AGB-Übernehmer (Konsument) würde die nachteiligen AGB auch dann akzeptieren, wenn sie nicht einseitig vorgegeben, sondern einzeln verhandelt würden.
  • Automatische Vertragsverlängerung
    • Die Klausel zu einer automatischen Vertragsverlängerung ist als treuwidrig zu betrachten, wenn der AGB-Übernehmer (Konsument) deren Inhalt im Rahmen einer (verhandelten) Einzelabrede entweder nicht oder nicht ohne Gewährung anderweitiger kompensierender Vorteile akzeptiert hätte.

„Missverhältnis“ zum Nachteil des Konsumenten

  • Mit UWG 8 (2011) wurde der persönliche Schutzbereich dieser lauterkeitsrechtlichen Bestimmung von jeder Vertragspartei des AGB-Verwenders (B2B + B2C) auf Konsumenten (B2C) reduziert.
  • KMU als Käufer sind damit gegenüber mächtigen AGB-Verwendern (Anbietern) nicht mehr lauterkeitsrechtlich geschützt.

Verzicht auf Musterklausel

  • Angesichts der Kritik an und der Umstrittenheit von automatischen Vertragsverlängerungsklauseln – im B2C-(Konsumentenschutz-)Bereich – wird auf die Wiedergabe einer Muster-Vertragsklausel verzichtet.

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