Beim Factoringvertrag werden ausstehende Debitorenforderungen an ein spezialisiertes Unternehmen (Factor oder Factoringgesellschaft) abgetreten. Der Factor übernimmt dann Leistungen wie die Bevorschussung des Debitorenbestandes, Führung der Debitorenbuchhaltung, Mahnwesen und Inkasso.
Begriff
- Factoringvertrag = Verpflichtung des Zedenten, gegenwärtige und künftige Forderungen dem Factor (Zessionar) abzutreten, damit dieser Leistungen wie die Bevorschussung des Debitorenbestandes, Führung der Debitorenbuchhaltung, Mahnwesen und Inkasso übernimmt
Grundlage
- Die Grundlage, Factoringverträge abzuschliessen, liegt in der Vertragsfreiheit
Abgrenzungen
- Zum Inkasso-Auftrag
- Mandat des Auftraggebers an den Inkassobeauftragten, bestimmte Forderungen gegenüber Schuldnern des Auftraggebers einzuziehen
- Es finden die Bestimmungen des Auftragsrechts (OR 394 ff.) Anwendung
- Vgl. Inkassoauftrag
- Mandat des Auftraggebers an den Inkassobeauftragten, bestimmte Forderungen gegenüber Schuldnern des Auftraggebers einzuziehen
- Zum Zessionskredit
- Vereinbarung nur über die Finanzierung von Debitorenforderungen
- Vgl. Zessionskredit
- Zum Forderungskauf
- Nur Übernahme des Delkredererisikos
- Es finden die Bestimmungen zum Kaufvertrag Anwendung (OR 184 ff.)
- Vgl. Kaufvertrag
- Zur Fortfaitierung
- Finanzierung von Debitoren-Ausständen durch regresslosen Kauf noch nicht fälliger Ansprüche aus grenzüberschreitenden Lieferungen und Leistungen gegen sofortige Bezahlung des Kaufpreises
Rechtsnatur
- Es handelt sich um einen gemischten Innominatvertrag mit unterschiedlichen typenrechtlichen Elementen und den entsprechenden Anwendung gesetzlicher Bestimmungen
- Verwaltungsfunktion der Forderungen
- Auftragsrecht
- vgl. Auftrag
- Auftragsrecht
- Finanzierung
- Darlehensrecht
- vgl. Darlehen – Kredite
- Darlehensrecht
- Übernahme Delkredere-Risiko
- Bestimmungen des Forderungskaufs
- vgl. Zession
- Bestimmungen des Forderungskaufs
- Verwaltungsfunktion der Forderungen
Erscheinungsformen
Je nach Verwendung oder Nichtverwendung der einzelnen Factoring-Elemente (Factoring-Zession, Dienstleistungsfunktion, Finanzierungsfunktion, Delkrederefunktion und Buchhaltungsfunktion) entstehen unterschiedliche Factoring-Arten:
Zweck
- Forderungsverwaltungsfunktion
- Auslagerung von Debitorenbuchhaltung, Inkasso und Mahnwesen
- Finanzierungsfunktion
- (kurzfristige) Mobilisierung von (Debitoren-)Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und somit Vermeidung von Liquiditätsengpässen
- Delkrederefunktion
- Übernahme des Delkredererisikos durch den Factor
Zustandekommen
- Unterzeichnung standardisierter Vertragsdokumente
- Zession als vertragstypisches Element des Factoring, setzt einfache Schriftlichkeit des Factoring-Vertrags voraus
Rechte/Pflichten
- Factor
- Die Pflichten des Factors richten sich nach der Ausgestaltung des Factoringvertrages, sind aber insbesondere die Folgenden
- Pflicht zur Debitorenbuchhaltung
- Pflicht zum Inkasso
- Finanzierungspflicht
- Tragung des Delkredererisikos
- Die Pflichten des Factors richten sich nach der Ausgestaltung des Factoringvertrages, sind aber insbesondere die Folgenden
- Klient
- Den Klienten treffen insbesondere folgende Pflichten
- Abtretung der Debitorenforderungen
- Übernahme Factoringgebühren
- Tragung Zinskosten für Vorfinanzierung durch Factor
- Bezahlung Delkrederegebühr
- Den Klienten treffen insbesondere folgende Pflichten
Gewährleistung
- Macht ein Kunde aufgrund nicht vertragskonformer Lieferung Gewährleistungsansprüche geltend und bezahlt deshalb die offene Rechnung nicht, hat der Klient die bereits vom Factor erhaltene Vorauszahlung für diesen Rechnungsbetrag zurückzuerstatten
Leistungsstörungen
- Allgemein
- Sofern nicht die analoge Anwendung von speziellem Typenrecht notwendig ist, sind bei Leistungsstörungen die allgemeinen Regeln des OR anwendbar
- Zahlungsunfähigkeit
- Wird der Kunde zahlungsunfähig, haftet der Abtretende nur, wenn er sich dazu verpflichtet hat (vgl. OR 171 Abs. 2)
Konkurs
- Konkurs des Zedenten
- Vor dem Konkurs entstandene Debitorenforderungen
- stehen dem Factor (Zessionar) zu
- fallen nicht in Konkursmasse
- Nach dem Konkurs entstandene Debitorenforderungen
- Gemäss Durchgangstheorie:
- Forderung ist für eine logische Sekunde beim Zedenten entstanden und kann nicht mehr aus der Konkursmasse an Factor übergehen
- BGE 130 III 248 E. 4.1
- Forderung ist für eine logische Sekunde beim Zedenten entstanden und kann nicht mehr aus der Konkursmasse an Factor übergehen
- Gemäss Unmittelbarkeitstheorie:
- Forderung entsteht unmittelbar beim Factor (Zessionar)
- Forderung fällt nicht in Konkursmass
- Gemäss Durchgangstheorie:
- Vor dem Konkurs entstandene Debitorenforderungen
- Konkurs des Factors (Zessionar)
- Dem Klient steht eine zu kollozierende Konkursforderung in der 3. Klasse zu
- Allenfalls Aussonderungsanspruch analog zu OR 401
Beendigung
- Ordentliche Beendigung
- Frist- und formgerechte Kündigung
- Grundsätzlich zwischen 6 – 12 Monaten auf Ende des Kalender- oder allenfalls Vertragsjahres
- Ohne Regelung, Kündigung innert angemessener Frist (zB 3-6 Monate)
- Frist- und formgerechte Kündigung
- Jederzeitige Auflösung aus wichtigem Grund
- Bei Umständen, die die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Kündigenden nach Treu und Glauben unzumutbar machen
International
- Kollisionsrecht
- Sind weder Gerichtsstandsklausel noch Rechtswahlklausel vorhanden, bestimmt sich sie Zuständigkeit des Gerichts bzw. das anwendbare Recht nach den für die Schweiz geltenden Kollisionsnormen (Lugano-Übereinkommen und IPRG)
- Zuständiges Gericht
- Bei LugÜ-Vertragspartner
- Bei Parteien mit Wohnsitz bzw. Sitz im Hoheitsgebiet eines LugÜ Vertragspartner, findet das Lugano-Übereinkommen Anwendung
- Bei nicht LügÜ-Vertragspartner
- Bei Parteien eines Nicht LugÜ-Vertragsstaates finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagen oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort (IPRG 112 Abs. 1) oder
- Gerichtsstand am Erfüllungsort (IPRG 113)
- Bei Parteien eines Nicht LugÜ-Vertragsstaates finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
- Bei LugÜ-Vertragspartner
- Anwendbares Recht
- Fehlende Rechtswahl
- Bei Fehlen einer Rechtswahlklausel folgt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt
- Engster Zusammenhang
- Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
- IPRG 117 Abs. 1 und 2
- Charakteristische Leistung
- Die charakteristische Leistung des Factoringvertrages wird vom Factor erbracht
- Sondernorm
- Auf Fragen, welche nur das Verhältnis zwischen Zessionar und Zedent betreffen, kommt das Recht der abgetretenen Forderung zur Anwendung
- vgl. IPRG 145 Abs. 1
- Auf Fragen, welche nur das Verhältnis zwischen Zessionar und Zedent betreffen, kommt das Recht der abgetretenen Forderung zur Anwendung
- Fehlende Rechtswahl
Literatur
- FÄSSLER BENEDIKT, Der Factoringvertrag im schweizerischen Recht, St. Gallen 2010, S. 15 ff.
- MARTINEK MICHAEL / OECHSLER JÜRGEN, § 102. Das Factoringgeschäft und § 103. Das Forfaitierungsgeschäft, in: Schimansky Herbert / Bunte Hermann-Josef / Lwowski Hans-Jürgen (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Band II, 3. A. München 2007
- MÜLLER-CHEN MARKUS, Internationales Factoring, BJM 1999, S. 177 ff.
Judikatur
- Zur Durchgangstheorie
- BGE 130 III 248 4.1
Weiterführende Informationen
- Literaturverzeichnis
- Factoringvertrag
- UNIDROIT-Übereinkommen über das internationale Factoring vom 28.05.1988 (sog. Ottawa-Konvention | unidroit.org)