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Architektenrecht

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Exkurs: Kostenüberschreitungs-Haftung

Rechtsgebiet:
Architektenrecht
Stichworte:
Architektenrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Der Architekt (Planer) haftet dem Bauherrn für die Kostenüberschreitungsfolgen:

Ausgangslage

Definition

  • Ungenauer oder zu ungenauer Kostenvoranschlag   =         Haftung für falsche Auskunft

Haftungsprinzip > Vertrauensschadenhaftung

Grundsatz

  • Architektenhaftung für Ersatz des Vertrauensschutz

Ersatzfokus

  • Schaden, welcher der Bauherr dadurch erleidet, weil er auf die relative Genauigkeit des Kostenvoranschlags vertraut und im Vertrauen darauf Dispositionen vorgenommen hat
    • Vornahme nachteiliger Dispositionen
    • Unterlassung vorteilhafter Dispositionen

Schadenersatz-Voraussetzungen

Informations- und Begründungspflicht des Architekten

Informationspflicht

  • Der Architekt (Planer) hat die Kostenüberschreitung von sich aus dem Bauherrn mitzuteilen

Begründungspflicht

  • Der Architekt (Planer) ist gehalten, die Abweichungen vom Kostenvoranschlag zu begründen

Folge einer fehlenden oder nicht plausiblen Begründung

  • Tatsächliche Vermutung
    • Wahrscheinlichkeit, dass der Kostenvoranschlag des Architekten (Planer) ungenau oder zu ungenau war
  • Gegenbeweis des Architekten (Planers)
    • Widerlegung, dass der Kostenvoranschlag

Vertrauen in die relative Kostenvorschlags-Richtigkeit

Vertrauensschutz

  • Schützenswert ist nur das Vertrauen des Bauherrn in die relative Richtigkeit des Kostenvoranschlags
  • Keine Überschreitung der Toleranzgrenze = kein Vertrauensschaden

Grenze des Vertrauensschutzes

  • Berücksichtigung von Bauherrendispositionen als zu ersetzenden Schaden, mit denen der Architekt rechnen musste, d.h. alle Dispositionen mit der Bauausführung und ggf. die geschäftlichen oder beruflichen Veränderungen
  • Vertrauensschutz des Bauherrn daher in der Regel nur darauf, dass sich der Kostenvoranschlag innerhalb der Toleranzgrenze hält

Kein Vertrauensschaden = keine Ersatzpflicht

  • Kein Vertrauensschaden = keine Architektenhaftung

Mehrkosten

  • Mehrkosten im Sinne der Kostenüberschreitungshaftung   =         Toleranzgrenze übersteigende Baukosten

Dispositionen des Bauherrn

Dispositionen des Bauherrn

  • Vornahme nachteiliger Dispositionen
    • Bau-Erstellung auf Basis des Kostenvoranschlages
      • nicht auf eine andere Weise
      • nicht auf eine billigere Weise
      • Baukredit-Beschaffung auf Basis des Kostenvoranschlages
      • Refinanzierung der effektiven Gesamtkosten mittels Zusatzkredit, wenn die Baute – trotz Mehrkosten – hiefür Sicherheit bietet
  • Unterlassung vorteilhafter Dispositionen
    • Kostenvoranschlag kann den Bauherrn davon abhalten, eine andere, im Nachhinein – bei Beachtung des unrichtigen Kostenvoranschlags – bessere Alternative anzunehmen
      • Kauf eines andern Hauses oder eine StWE-Wohnung
      • Aufgabe seiner günstigeren Mietwohnung
      • Wechsel von Wohnsitz bzw. Geschäftsdomizil oder Arbeitsstelle
      • uam

Schadenersatz

Grundsatz

  • Vertrauensschaden = Differenz zwischen dem aktuellen Vermögensstand und dem mutmasslichen Stand, welcher das Bauherren-Vermögen hätte, wenn er anders disponiert hätte, als er es im Vertrauen auf den Kostenvoranschlag tat

(unhaltbare, aber gängige) Praxis

  • Über die Toleranzgrenze hinaus entstandene Mehrkosten werden halbiert, um die Wertsteigerung durch die verbaute Mehrleistung zu berücksichtigen
  • Kritik
    • Vernachlässigung der effektiven Vermögensnachteile für den Bauherrn und des Umstandes, dass die Mehrkosten nicht zu einem Mehrwert führen müssen
    • Siehe ferner in der Box

Höhe der Schadenersatzpflicht

  • Anwendung der Regeln des Deliktsrechts (OR 99 Abs. 3 i.V.m. OR 42)
    • Ersatz des effektiv erlittenen Schadens
    • Bemessung des Schadenersatzes
      • In Würdigung der Umstände und der Grösse des Verschuldens (OR 43 Abs. 1)
      • Leichtes Architekten-Verschulden ist kein Reduktionsgrund
  • Schadenersatzherabsetzung
    • Grundlage
      • OR 99 Abs. 3 i.V.m. OR 44 Abs. 1)
    • Selbstverschulden des Bauherrn
      • Eigene Fachkunde
      • Unterlassung möglicher Einsparmassnahmen, die die Überschreitungssumme reduziert hätten, alles trotz Überschreitungsinformation des Architekten
    • Kein Selbstverschulden des Bauherrn
      • Unterlassene Beaufsichtigung des Architekten infolge Nichtanforderung der Kostenrapporte
      • Unterlassung des Grundstückverkaufs, der den Schaden für den Architekten gering halten würde
  • Vorteilsausgleichung
    • Wenn eine Vorteilsausgleichung gerechtfertigt ist, sollte diese im effektiven Wert und nicht mit der „Faustregel der Halbierung“ berücksichtigt werden
    • Individualbeurteilung erforderlich

Behauptungs- und Beweislast

Behauptungslast (in der Rechtsschrift)

  • Der Bauherr hat seinen Anspruch aus Vertragsverletzung infolge unsorgfältigen Kostenvoranschlages zu behaupten, sowohl im Falle seiner Klage als auch im Falle seiner Abwehr der Honorar-Klage des Architekten

Beweislast (Anspruchsnachweis im Fall der Bestreitung durch den Architekten)

  • Der Bauherr hat seinen Anspruch aus Vertragsverletzung infolge unsorgfältigen Kostenvorschusses nachzuweisen

Direkter Beweis

  • Nachweis fehlender oder falscher Positionen
  • Vom Architekten stillschweigend akzeptierte Bestellungsänderung des Bauherrn
  • Auslegung der Toleranzgrenze von +/- 10 % nicht als Haftungsbeschränkungsklausel

Wahrscheinlichkeitsbeweis

  • Wenn der Bauherr nur das Ausmass der Kostenüberschreitung kennt, nicht aber deren Ursache, steht ihm in der sog. Toleranzgrenze der Wahrscheinlichkeitsbeweis offen
  • Möglichkeit, von der Folge auf die Ursache zu schliessen
    • Aus einer massiven Kostenüberschreitung auf zumindest teilweise unsorgfältige Erfassung und Überwachung der Kosten zu schliessen
  • Zulässigkeit des Wahrscheinlichkeitsbeweises, wenn der direkte Beweis nicht möglich oder unzumutbar ist

Doppelter Anscheinsbeweis der Toleranzgrenze von +/- 10

  • Zugunsten des Architekten und zugunsten des Bauherrn, dass einerseits Kostenprognosen wesensbedingt ungenau sind und andererseits Kostenüberschreitungen den Anschein einer unsorgfältigen Kostenerfassung bzw. Kostenüberwachung erwecken

Folgen der Beweislosigkeit

  • Der Bauherr trägt die Folgen der Beweislosigkeit, d.h. er wird mit seinem Prozess (im Kostenüberschreitungspunkt) unterliegen

Verjährung

Anwendung Werkvertragsrecht (OR 371 Abs. 2)

  • Verpflichtung zum Arbeitserfolg
  • Anwendungsfall
    • Kostenkontrolle ist einziger Vertragsgegenstand

Anwendung Auftragsrecht (OR 394 ff.)

  • Verpflichtung zur gehörigen Sorgfalt
  • Anwendungsfälle
    • Vorschlag des Gesamtarchitekten
    • Gesamtvertrag
  • Verjährungsbeginn
    • Am Tage, an dem der Architekt den Fehler begeht (nicht erst mit Eintritt des Schadensereignisses oder der Kenntnisnahme des Schadens
  • Verjährung

Honorarkürzung

Literatur

Allgemein
  • ZEHNDER HANNES, Die Haftung des Architekten für die Überschreitung seines Kostenvoranschlages, Freiburg 1993
  • GAUCH PETER, Überschreitung des Kostenvoranschlages – Notizen zur Vertragshaftung des Architekten (oder Ingenieurs), in: BR 1989, S. 79 ff.
Kritik an der Praxis, der Halbierung der über die Toleranzgrenze hinaus entstandenen Mehrkosten
      • GAUCH PETER, Überschreitung des Kostenvoranschlages – Notizen zur Vertragshaftung des Architekten (oder Ingenieurs), in: BR 1989, S. 82
      • ZEHNDER HANNES, Die Haftung des Architekten für die Überschreitung seines Kostenvoranschlages, Freiburg 1993, S. 96
Schadenersatzherabsetzung (Umstände, für die der Bauherr einstehen muss)
  • ZEHNDER HANNES, Die Haftung des Architekten für die Überschreitung seines Kostenvoranschlages, Freiburg 1993, S. 110

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