Obwohl die Mitteilung des Preisentscheids durch den Veranstalter an die Teilnehmer verbindlich wird, schliesst dies eine Anfechtung des Preisentscheids durch die Teilnehmer nicht aus:
Anfechtung Fehlentscheid
- Anfechtung des Preisentscheids durch einen oder mehrere Teilnehmer
- Korrelat zum Anspruch auf Einhaltung der Wettbewerbsbestimmungen
- Anfechtungsanspruch beinhaltet auch Anspruch auf Behebung des Preisentscheid-Fehlers
Fehlertatbestände
Fehler
- Unberechtigter Teilnahmeausschluss
- Prämierung eines Projekts, welches nicht hätte zur Preisentscheidung zugelassen werden dürfen
- Preisgericht stellt für die Projektbeurteilung auf nach der Wettbewerbsordnung unmassgebliche Kriterien ab
- Preisgericht wendet zwar die richtigen Kriterien an, gewichtet dies aber zutreffend
- Preisgericht wendet zwar die richtigen Kriterien an und misst ihnen die richtige Bedeutung zu, beurteilt aber die Aufgabenerfüllung durch die eingereichten Projekte falsch (anders formuliert: bei richtiger Beurteilung hätten andere Projekte gewonnen)
- Preisgericht spricht weniger Preise zu als vorgesehen
- Preisgericht schöpft die vorgesehene Preissumme nicht aus
Fehlerfeststellung
- Formfehler
- Abstrakt feststellbare Fehler
- Ermessensfehler
- Feststellungsschwierigkeiten
- Ermessen bedeutet Entscheidungsfreiheit (Ermessensspielraum)
- Ermessensspielraum in fachlicher Hinsicht
- Ermessensspielraum in ästhetischer Hinsicht
- Ermessen nur da, wo man in guten Treuen verschiedener Auffassung sein kann
- Ermessen bedeutet Entscheidungsfreiheit (Ermessensspielraum)
- Rüge von Ermessensfehlern / Chancen und Risiken
- positiv
- bei offensichtlichem Ermessensmissbrauch
- bei Ermessensüberschreitung
- wenn sich fachliche oder ästhetische Gesichtspunkte als offensichtlich unrichtig und unhaltbar erweisen
- ausreichend
- blosser Missbrauch
- negativ
- (offensichtliches) Abweichen vom durchschnittlichen Empfinden genügt nicht für eine Entscheidanfechtung
- positiv
- Zurückhaltung der Zivilgerichte oder SIA-Instanzen bei Ermessensfragen
- Feststellungsschwierigkeiten
Preisgerichtfehler sind Veranstalterfehler
- Die Fehler des Preisgerichts gelten als Fehler des Wettbewerbsveranstalters
- Der Veranstalter einzustehen für
- Unterlassung einer Programmabweichung
- Keine Abweichung durch die Fragenbeantwortung angebrachten Präzisierungen
- Grundsatz
- Bei Fehlern haben die betroffenen Teilnehmer Anspruch auf Fehlerkorrektur
- Ausnahme / Vorbehalt
- Wo eine Fehlerkorrektur unmöglich ist, kommt nur Schadenersatz in Frage
- Prüfung, ob das Fehlverhalten des Preisgerichts dem Veranstalter zurechenbar ist (OR 101)
Anspruch auf Fehlerbeseitigung
Korrekturzuständigkeit
- Grundsatz
- Zivilrichter oder ggf. SIA-Instanzen
- Vorbehalt
- Zivilrichter oder ggf. SIA-Instanz wird nicht an die Stelle des Preisgerichts treten wollen
- Keine richterliche Fehlerkorrektur
- überall da, wo eine Ermessensausübung Gegenstand des Streits ist
- Ausnahme
- Eine richterliche Fehlerkorrektur ist hingegen dort verantwortbar, wo sich eine richterliche Ersatzhandlung klar und eindeutig umschreiben lässt
- In solchen Fällen dürfte eine Richterkorrektur auch nicht zu einer Vertrauenstäuschung der übrigen Wettbewerbsteilnehmer führen
Korrekturart
- Primär Fehlermassgeblichkeit
- Prüfung des individuell konkreten Einzelfalls erforderlich
- Fehlende Teilnahmeberechtigung
- Ob und inwieweit eine Preisaberkennung und eine neue Rangordnung (Neu-Klassifizierung) oder bloss eine „Nachrücken“ des nächstbest qualifizierten Projektes stattfinden kann, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen
- Unberechtigte Nichtzulassung
- Ob und inwieweit eine Preisaberkennung und eine neue Rangordnung (Neu-Klassifizierung) oder bloss eine „Nachrücken“ des nächstbest qualifizierten Projektes stattfinden kann, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen
- Falsche Preisgerichtszusammensetzung
- Ungültiger Preisentscheid
- Zu wenig Preise zugesprochen
- Nachholung des Entscheids bezüglich weiterer Preisträger
Schadenersatz statt Fehlerbeseitigung
Korrekturunmöglichkeit
- Umwandlung des Fehlerbehebungsanspruches in eine Schadenersatzforderung (OR 97 ff.)
Schadenersatz
- Haftungsvoraussetzung für den Veranstalter
- Veranstalter muss ein Verschulden an der fehlerhaften Preisentscheidung treffen
- Bei Einsatz eines Preisgerichts dürfte Haftbarmachung des Veranstalters schwierig, aber nicht ausgeschlossen sein; es kommt auch hier auf die konkreten Verhältnisse an
- Weitere Schadenersatzvoraussetzungen wie üblich
- Schaden
- Pflichtwidrigkeit
- Kausalzusammenhang
Positives oder negatives Vertragsinteresse?
- Umstritten, auf welches Vertragsinteresse ein unkorrekt behandelter Teilnehmer hat
- Positives Vertragsinteresse
- Benachteiligter Teilnehmer kann verlangen, dass er finanziell so gestellt wird, wie wenn er den Wettbewerb gewonnen hätte
- Negatives Vertragsinteresse
- Benachteiligte Teilnehmer ist finanziell so zu stellen, wie wenn er am Wettbewerb nicht teilgenommen hätte
- Ersatz der mit der Projektierung verbundenen Aufwendungen
- Benachteiligte Teilnehmer ist finanziell so zu stellen, wie wenn er am Wettbewerb nicht teilgenommen hätte
Schadenersatzbemessung
- Richterliches Ermessen (OR 43 f.)
- Grundsatz
- Zusprechung des negativen Vertragsinteresses (siehe oben), bestenfalls des positiven Vertragsinteresses (siehe ebenfalls oben)
- Vorbehalt
- Keine Besserstellung als bei korrekter Erfüllung durch den Veranstalter
Prozessuales
Klageausschlussklausel in den Wettbewerbsbestimmungen
- Klauseln wie zB „Der Rechtsweg ist ausgeschlossen“ oder „Preisentscheid ist nicht anfechtbar“ sind in der Regel ungültig
Zuständigkeit
- Anwendbarkeit von OR 8
- Zivilgericht
- Anwendbarkeit von SIA-Norm 142
- siehe die dortigen Regeln
Aktivlegitimation
- nur Teilnehmer
- Teilnehmer mit verspäteter Eingabe sind nicht zur Anfechtungsklage des Preisentscheids legitimiert
Passivlegitimation
- nur der Veranstalter (Bauherr) und nicht das Preisgericht
- Anspruch auf Fehlerbeseitigung durch das Preisgericht muss in der Weise durchgesetzt werden, dass der Veranstalter verpflichtet wird, eine Neubeurteilung durch das Preisgericht zu veranlassen
Prozesschancen-Beurteilung
- Chancen und Risiken sowie Kosten und Nutzen einer Preisanfechtung etc. sind im individuell konkreten Fall zu beurteilen
Literatur
- KOLLER ALFRED, Der Architekturwettbewerb, in Gauch Peter / Tercier Pierre, Das Architektenrecht, 3. überarbeitete und ergänzte Auflage, Freiburg 1995, S. 85 ff., Nr. 266 ff
Judikatur
- BGE 43 II 202 f.
- BGE 35 II 301 ff.
- SJZ 45 (1949) S. 139