In den Immobilien-Annoncen sind Verkaufsinserate anzutreffen, in welchen zu lesen ist:
„Bauland mit Architektenverpflichtung zu verkaufen …“
Im Wesentlichen geht es darum, dass der Baulandverkäufer oder Immobilienmakler den Landverkauf von der Bedingung abhängig macht, einen bestimmten Architekten mit der Projektierung, Planung, Bauleistungsvergabe und Bauleitung zu einem im Voraus festgelegten Honorar zu beauftragen. Wie nachfolgend aufzuzeigen ist, entspricht eine Architektenbindungsklausel einem legitimem Bedürfnis.
Solche Architektenbindungen werfen folgende Fragen auf:
Definition
- Architektenverpflichtung = Verpflichtung eines Immobilienerwerbers (im Grundstückkaufvertrag), mit einem bestimmten Architekten einen Architekturvertrag betreffend Projektierung, Planung, Bauleistungsvergabe und Bauleitung zu einem vorgegebenen Honorar abzuschliessen
Grundlage
- OR 394 ff.
- „Architektenklausel“ im Grundstückkaufvertrag
Abgrenzung
- Unternehmerklausel = Verpflichtung des Grundstückkäufers zum Abschluss eines Werkvertrages
- Aber auch dieser Werkvertrag kann gegen Schadloshaltung jederzeit gekündigt werden (vgl. OR 377)
- Schadloshaltung Rücktritt OR 377
Zulässigkeit
- Grundsätzliche Zulässigkeit
- Schranken
- Unmöglichkeit, Widerrechtlichkeit oder Sittenwidrigkeit (OR 20)
- Die Architekturbindungsklausel wird bei bestimmten Gerichten als den guten Sitten zu wider laufend beurteilt
- ev. Persönlichkeitsschutz (ZGB 27 Abs. 2; relativiert durch zwingendes Widerrufsrecht von OR 404)
- Unmöglichkeit, Widerrechtlichkeit oder Sittenwidrigkeit (OR 20)
Rechtsnatur
- Vorvertrag (inter partes) oder
- „Vorvertrag zugunsten eines Dritten“ (OR 112; BGE 98 II 307), bei welchem auch der begünstigte Dritte die Erfüllung verlangen kann
Motive
- Sicherstellung einer einheitlichen Überbauung (Gesamtbild)
- Auftragssicherung durch Bauland verkaufenden Architekten
- Baulandsuche durch Architekt für Bauinteressenten gegen Architekturverpflichtung (anstelle Maklerhonorar)
Ziele
- Zuweisung von Architektenarbeit
- als Dank für Vermittlung des Grundstückgeschäftes
- als weitere Gegenleistung zum Grundstück-Kaufpreis
Voraussetzungen
- Klausel muss hinreichend bestimmt oder bestimmbar sein
- die zu übertragenden Arbeiten
- die Höhe der Vergütung (Honorar)
- In der Architektenklausel verpflichtet sich der Käufer meistens, die Arbeiten zu «üblichen» oder «mittleren» Konkurrenzansätzen zu übertragen
- Keine Unmöglichkeit, Widerrechtlichkeit oder Sittenwidrigkeit
- Vgl. OR 20
- Formgültigkeit
- Siehe nachfolgend „Form“
Form
- Eigenständige Abrede / Vorvertrag
- Formfreiheit
- Architektenklausel im Grundstückkaufvertrag
- Architektenklausel
- ohne Gegenleistungscharakter und nicht objektiv oder subjektiv wesentliche Bestimmung
- Formfreiheit
- mit Gegenleistungscharakter (sog. „weitere Gegenleistung“) oder für die objektiv und subjektiv wesentlicher Inhalt
- öffentliche Beurkundung (vgl. auch BGE 86 II 37 + BGE 86 II 260)
- Im Zweifelsfall
- die Form des Hauptgeschäftes bzw. öffentliche Beurkundung
- ohne Gegenleistungscharakter und nicht objektiv oder subjektiv wesentliche Bestimmung
- Architektenklausel
Einbezug der SIA-Normen, v.a. SIA-Norm 102
- Übernahme der betreffenden SIA-Norm zum Inhalt des geplanten oder vorvertraglich vereinbarten Architekturvertrages und Unterwerfung
Zwingendes Widerrufsrecht nach OR 404 bei der Architekturbindung
Grundlage
Kaufvertragsbedingung
- Widerruf der Architekturverpflichtung als Verletzung Grundstückkaufvertragsbedingung gegenüber dem Baulandverkäufer?
Keine Wegbedingung des Widerrufrechts nach OR 404
- Der Widerruf des Architekturmandates kann nicht wegbedungen oder auch nicht durch eine Konventionalstrafe erschwert werden (vgl. BGE 113 II 130)
Durchsetzung
Grundsatz
- Erfüllungsklage
- Sinnmachend nur bei einer „Unternehmerklausel“, da dort der Abschluss eines Hauptvertrages auch zu einem Erfüllungsanspruch auf das Werk führt
Schranke
- Bei der vom Grundstückskäufer übernommenen „Architekturverpflichtung“ ist eine Erfüllungsklage insofern nicht sinnmachend, als dieser nach OR 404 das Architekturmandat widerrufen und die Auftragserfüllung im Endergebnis nicht durchgesetzt werden kann
- Der Grundstückskäufer schuldet bei angemessenem Widerruf keinen Schadenersatz
- Vorbehalten bleibt ein Schadenersatzanspruch
- infolge nie beabsichtigten Erfüllungswillens (vgl. BGE 98 II 312 f.)
- infolge unzeitigen Mandatswiderrufes nach OR 404 Abs. 2
Abtretung (Zession)
- Ohne gegenteilige Abrede kann der Baulandverkäufer seinen Anspruch auf Abschluss des Architekturvertrages einem Dritten abtreten (vgl. OR 164 Abs. 1 / Natur des Rechtsverhältnisses)
- Siehe ferner
Schuldübernahme
Schuldübernahme-Arten
- Beachtung des gesetzgeberischen Konzepts von interner und externer Schuldübernahme
Interne Schuldübernahme
- Weiterüberbindungsklausel (ursprünglich)
- Oft enthalten Architektenklauseln oder Unternehmerklauseln im Grundstückkaufvertrag die Verpflichtung, mit einer Pflicht zur seinerzeitigen Weiterüberbindung, einem Rechtsnachfolger zu überbinden (vgl. OR 112 Abs. 2 OR)
- Konkretes Vorhaben für einen Schuldnerwechsel (nachträglich)
- Abrede zwischen Baulandverkäufer und –käufer, die Architektenvertrags- oder Baupflicht dem Dritterwerber zu überbinden
Externe Schuldübernahme
- Der Baulandkäufer wird von seiner eigenen Verpflichtung nur befreit, wenn dies der Dritterwerber mit dem – je nach Ausgestaltung – Baulandverkäufer und Gläubiger (Architekt) vereinbart (OR 176)
Dauer der Bauverpflichtung des Baulandkäufers
- Die Verpflichtung des Käufers, zu bauen, bis zu ihrem Erlöschen
- Erfüllung
- Widerruf (OR 404)
- Zeitablauf bei einer zeitlich limitierten Verpflichtung
- Weitere Erlöschens-Gründe denk- oder verabredbar
Verjährung
- Verjährungsfrist
- 10 Jahre (OR 127)
- Beginn Verjährungsfrist
Fazit
- Die Architektenklausel hält nicht was sie verspricht, namentlich wegen des jederzeitigen Widerrufrechts (OR 404)
- Bei der Unternehmerklausel sieht es hingegen wesentlich besser aus; von einem aufgrund der Unternehmerklausel abgeschlossenen Werkvertrag kann auch zurückgetreten werden, aber nur unter Schadloshaltung (OR 377) (selten)
Musterklauseln
Architektenklausel
- «Die Käuferin verpflichtet sich, für sämtliche Architekturarbeiten bezüglich des Kaufareals das Architekturbüro S. + D…. zu SIA-Bedingungen zu berücksichtigen» (BGE 98 II 306)
Unternehmerklausel
- Hans St. verpflichtet sich, der Firma M. «sämtliche Erd-, Maurer- und Verputzarbeiten, die Gipser-und Malerarbeiten, die Wand- und Bodenbeläge- und Kunststeinarbeiten» zur Aus führung zu übertragen, und zwar «zu Konkurrenzpreisen, wie sie im Zeitpunkt der Arbeitsausführung gelten, sowie nach den einschlägigen Bestimmungen des SIA“ (ZBJV 93 (1957) 323 ff.)
Literatur
- JAEGGI PETER, Bemerkungen zu einem Urteil über den Architektenvertrag, in: SJZ 69 (1973) 301 – 305
- REBER H.J., Rechtshandbuch für Bauunternehmer, Bauherr, Architekt und Bauingenieur, Dietikon 1983, III. Kapitel, Die Architektenbindung, S. 254 ff.
- STÖCKLI HUBERT, Abschluss und Beendigung von Planerverträgen, in: Stöckli Hubert / Siegenthaler Thomas (Hrsg.), Die Planerverträge, Zürich 2013, S. 84 ff.
Judikatur
- BGE 98 II 305 ff. (Architektenklausel in Vorvertrag)
- ZBJV 93 (1957) 323 (Baumeisterklausel)
- LGVE 1976 I 363 („Handwerkerservitut“)
- BGE 103 II 52 ff. („Unternehmerklausel“ für Arbeiten auf einem andern Grundstück als dem Kaufobjekt)
- SJZ 74 (1978) S. 172 – 175 (Erlöschen Bauverpflichtung)