Einleitung
Die Architekten-Leistungen eines Gesamtvertrages erstrecken sich über mehrere Phasen des Bauvorhabens, d.h. die Phasen der Planung, der Vorbereitung, der Realisierung und der Abschlussarbeiten.
Definition
In einem Gesamt(planer)vertrag werden sämtliche Planungsleistungen verschiedener bautechnischer Fachrichtungen für ein Bauvorhaben kombiniert.
Anwendbares Recht
Nach herrschender Rechtsprechung ist ein Gesamtvertrag ein sog. gemischtes Rechtsgeschäft zu qualifizieren, welches mit Elementen des Auftrags- und des Werkvertragsrechts beurteilt wird (vgl. BGE 118 II 162 Erw. 3a). Eine Folge ist die Spaltung der Rechtsfolgen:
- Haftung aus Planungsfehlern: Werkvertragsrecht
- Haftung aus unsorgfältiger Bauleitung: Auftragsrecht
Trotz der Rechtsnatur-Beurteilung „gemischtes Rechtsgeschäft“ hat das Bundesgericht
- noch keinen Entscheid publiziert, welcher bei einem Gesamtvertrag Werkvertragsrecht anwenden würde;
- in neueren Entscheiden bei Gesamtverträgen stets Auftragsrecht angewendet:
- Haftung für Kostenüberschreitungen: Auftragsrecht
- Ausnahme:
- KV einzige Arbeit: Werkvertragsrecht
- Ausnahme:
- Auflösung Gesamtvertrag: Auftragsrecht (OR 404)
- Haftung für Kostenüberschreitungen: Auftragsrecht
Ein Teil der Lehre möchte (- der ursprünglichen bundesgerichtlichen Rechtsprechung entsprechend -) für den Gesamtvertrag alleine Auftragsrecht anwenden.
Siehe ferner in der Box.
Hinweis zur Rechtsanwendung
Die wechselnde Rechtsprechung erfordert, dass sich die Rechtsteilnehmer bei konkretem Anlass vergewissern, wie der Gesamtvertrag aktuell qualifiziert wird, und welches Recht, d.h. Werkvertrags-, Auftrags- oder ein anderes Recht auf den Gesamtvertrag angewandt wird.
Literatur
Pro gemischter Vertrag
- TRÜMPY DANIEL, Architektenvertragstypen, Diss. Zürich 1989, S. 131 f.
Mit Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung / Pro Auftrag
- GAUCH PETER, Vom Architekturvertrag, seiner Qualifikation und der SIA-Ordnung 102, in Gauch Peter / Tercier Pierre, Das Architektenrecht, 3. überarbeitete und ergänzte Auflage, Freiburg 1995, S. 14 ff. / Rz 37 – 44
- TAUSKY ROBERT, Die Rechtsnatur der Verträge über die Planung von Bauwerkverträgen, Diss. Zürich 1991, 255
Judikatur
Uralte Rechtsprechung
- Vorbehaltslose Anwendung von Auftragsrecht auf den Gesamtvertrag
Alte Rechtsprechung
- BGE 98 II 305 ff.
- Beurteilung als Auftrag (OR 394 ff., aber „mit der Massgabe“, dass nötigenfalls die Vorschriften des Werkvertragsrechts „aushülfsweise“ herangezogen werden dürften
Neue Rechtsprechung
- BGE 109 II 462 ff.
- Qualifikation des Gesamtvertrages als gemischter Vertrag, auf den teilweise Auftragsrecht (OR 394 ff.) und teilweise Werkvertragsrecht (OR 363 ff.) anwendbar ist
- BGE 114 II 53 (Rechtsprechung bestätigt)